Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Dankbarkeit: 4. Dezember 2012

Hallo, Welt!
Ein Tag voller Geschenke nähert sich dem Ende. Es begann heute Morgen mit dem Anruf einer Interessentin, die bei mir eine Stunde zum Thema „Glaubenssätze“ buchen will. Oder vielleicht doch eine über gewaltfreie Kindererziehung. Wir werden sehen. Jedenfalls werde ich nachgefragt. Dann trabte ich zur Post, um den Umschlag abzuholen, den der Briefträger gestern nicht rausrücken wollte. Geklingelt hat er jedenfalls nicht. In dem Päckchen fand ich wunderbare Lektüre für die nächsten Tage und eine CD mit Meditationen und Traumreisen: Autorin ist Nayoma de Haen, die schon seit vielen Jahren GfK und Schamanismus lehrt. Ich freu mich drauf! Genau das Richtige für diese stressigen Tage.
Eine Nachbarin ist mir heute ins Auto gefahren. Seht Ihr die Beule im Kotflügel? Grund zur Dankbarkeit? Aber ja! Zum einen hat sie sich gleich bei mir gemeldet. Zum zweiten ist niemand zu Schaden gekommen. Alles andere ist einfach nur Blech, um das sich Werkstatt und Versicherung kümmern werden. Und dann freue ich mich auch darüber, dass ich den Schaden so gelassen aufnehmen konnte, nicht wütend geworden bin oder sie beschimpft habe. Alles wird gut. Hoffentlich kriegt die arme Frau keinen Ärger mit ihrem Mann… Mit ihrem Schlachtkreuzer möchte ich nicht auf der Straße unterwegs sein…
Dann freue ich mich über eine Rechnung, die ich eben bezahlt habe. Heute Abend habe ich die Bilder bekommen, die die Starfotografin von mir gemacht hat. Der Hammer! Damit war das zwar ein geldintensives, aber kein teures Vergnügen. Ich finde, gute Arbeit muss auch seinen Preis haben.

Gerade gibt es einen Impuls all das aufzuzählen, womit ich heute nicht so zufrieden bin. Stichwort: Work-Life-Disbalance. Und ich möchte motzen, weil ich bei weitem nicht alles geschafft habe, was ich gern geschafft hätte. Oh, wie frustrierend. Und jetzt, 23.28 Uhr, bin ich tatsächlich zu müde, um noch mal 30 GfK-Veranstaltungen von den Webseiten dieser Welt zusammenzutragen und in www.gewaltfrei-im-norden.de einzustellen. Dabei will ich das schon seit drei Tagen erledigen. Außerdem kam heute die Anfrage, ob ich in der kommenden Woche noch mal Urlaubsvertretung im Arbeitslosenprojekt machen kann. Hey – war der Dezember nicht mein „freier“ Monat?

Auch aus dieser Zitrone ist noch eine Limonade zu gewinnen:
Ich bin gefragt. Ich bekomme Jobangebote. Es gelingt mir, meine Tage mit sinnvollen Tätigkeiten zu füllen. Ich habe auch ohne Erwerbsarbeit genug zu tun, um 14 Stunden am Tag zu rödeln. Also: Mir ist nicht langweilig…

So long!
Ysabelle

Dankbarkeit: 3. Dezember 2012

Hallo, Welt!
Ich verursache Kuddelmuddel! Da ich das erste „Dankbarkeits-Posting“ in der Nacht vom 30.11. zum 1.12. verfasst habe, hinke ich jetzt irgendwie immer einen halben Tag voraus oder das Datum stimmt nicht. Also, ich schreibe das jetzt am 2.12., aber da es für diesen Tag schon ein Posting gibt, erscheint es erst am 3.12. Was für ein Durcheinander!

Also: Heute bin ich dankbar,
dass ich von allein aufgewacht bin, als es Zeit zum Aufstehen war. Ich bin gut aus dem Bett gekommen und saß schon um zehn im Auto, um zu meiner Mutter zu fahren. Wir hatten ein gutes Gespräch, für das ich dankbar bin, und haben zügig allen ihren Papierkram weggearbeitet. Um 17.45 Uhr war ich wieder zu Hause. Schön, so hatte ich noch etwas vom Abend. Und voller Freude kann ich verkünden, dass in meiner Seminarmappe eine neue Übung dazu gekommen ist: Bitten verweben. Aus der Jahresgruppe habe ich eine Übung mitgebracht, die ich heute Abend in ein Tanzparkett gegossen habe. So etwas macht mir so unendlich viel Spaß! ich habe das erste Mal mit meinem eigenen Indesign-Layoutprogramm gearbeitet und festgestellt, wie viel man vergisst, wenn man das Zeug ein paar Monate nicht anfasst. Aber ich bin fertig geworden und ich freu mich darüber!

Bevor ich zur Haustür rausging, habe ich noch einen Blick in mein „Do-nothing“-Zimmer geworfen und mir versprochen: Morgen werde ich dort ein paar Stunden nichts tun. Mindestens zwei. Schon seit Monaten gab es keinen Tag, an dem ich dort einfach nur hätte liegen können. Ein paar Mal bin ich nachts aus dem Schlafzimmer ausgewandert und habe mich dorthin verkrümelt, wenn ich nicht wieder einschlafen konnte, aber das ist nicht das gleiche als wenn man sich bewusst ein Nichtstun gönnt. Morgen ist es so weit (also, am Montag…).

Ich bin dankbar, dass es heute nicht geschneit hat und dass ich heil mit dem Auto hin- und hergekommen bin. Ich bin dankbar über einen Blitzaustausch mit Christel, bei der ich gern im Rahmen eines Mini-Seminars „Visualisieren“ lernen möchte, also mit Stift und Tafel Dinge verdeutlichen, statt nur zu labern. Ich habe Lust zu lernen. Zumal ich inzwischen von anderen Leuten Visualisierungen gesehen habe, da wurde ich blass vor Neid!

Ich bin dankbar, dass ich in einer Schreibtischschublade noch ein paar Süßigkeiten gefunden habe. Reste von englischer Lakritze und eine Packung Maoam. Und dann entdeckte ich bei der Suche nach den Laminierfolien noch eine angebrochene Tüte Lebkuchenherzen. Ich glaube, ein totaler Verzicht auf Süßigkeiten, auf den ich mich zur Zeit gerade geistig vorbereite, ist überfällig. Ich habe das schon einmal geschafft für nahezu zwei Jahre. Verstehe gar nicht, wieso ich das wieder angefangen habe… Na, vor Weihnachten ist jedenfalls nicht die beste Zeit für süße Enthaltsamkeit…

Ich bin dankbar, dass ich die vergangenen Tage fast frei war von Rückenschmerzen. Und in mir keimt ein böser Verdacht. Liegt es vielleicht daran, dass ich an einem ganz ordinären Küchenstuhl am Schreibtisch sitze statt auf meinem geliebten Swippo ? Also, meiner hat ja noch ein Kuhfell, ist daher noch viel schöner als dieser… kann es denn sein, dass dieser viel gepriesene Gesundheitsstuhl meinen letzten vier Bandscheiben und Rückenwirbeln einfach keine Freude macht? Ich werde das im Auge behalten.

Eigentlich denke ich, meine Rückenschmerzen stammen daher, dass ich im wahrsten Sinne des Wortes zu oft den Schwanz einziehe. In Situationen, in denen ich sehr angespannt bin, merke ich inzwischen eine starke Spannung in der Po-Muskulatur. Und das verzieht wahrscheinlich irgendwelche Bänder oder klemmt irgendwelche Nerven ein. Na, heute feiere ich einen Tag, an dem mir der untere Rücken nur einmal kurz im Auto fiepte. Wunderbar!

Ich bin dankbar, dass ich gestern den Schreibtisch so wunderbar aufgeräumt habe. Morgen Vormittag kommt der Papierkram in der Küche dran. Wie doof, dass die Papiertonne das nächste Mal am 24.12. geleert wird. Wer tut das den armen Müllmännern an!

Und ich bin dankbar über eine Mail, die mich heute Morgen erreichte. Eine Blog-Leserin schrieb etwas darüber, wie es ihr mit einer bestimmten Angelegenheit geht. Und das nährt mein Bedürfnis nach Gemeinschaft, Verbindung, Verstehen und Austausch. Ja, ich merke, wie mich das richtig froh macht im Inneren. Es wärmt!

Jetzt lade ich noch 180 Fotos vom Seminar hoch, damit die Teilnehmer eine Chance haben, einen Blick drauf zu werden. Vielleicht lädt sich das auch allein hoch und ich kann ins Bett…

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: 2 Dezember 2012

Hallo, Welt!
Heute gibt es einiges, wofür ich mir selbst dankbar bin. Ich habe mir die Freude gemacht und sechs Stunden meinen Schreibtisch aufgeräumt. Unter anderem fand ich dabei einen Gruß von meiner Freundin aus der „Nähe“ von Karlsruhe. Das ganze Jahr über hat sie mich mit kleinen Grüßen und Aufmerksamkeiten beschenkt und ganz unvermutet bin ich daran erinnert worden. Ich lasse die gute Gelegenheit aus, mich dafür zu wolfen, dass ich sie nicht im gleichen Maß so liebevoll begleitet habe. „Egoistisch. Ichbezogen“, mosert der Wolf. Ok, ich hör dich, heute lass ich das mal so stehen.
Also: Ich sitze voller Freude an einem aufgeräumten Schreibtisch.
Alle Rechnungen sind geschrieben, alle Papiere von Schreibtisch sind wegsortiert, alle Überweisungen getätigt. Dafür bin ich mir total dankbar. Wie schön, hier wieder freien Platz zu haben! Mal sehen, wann ich dazu komme, mir die Stapelbox aus dem Schlafzimmer vorzunehmen, das ist bestimmt auch eine Tagesaufgabe.
Und ich habe nahezu vier Stunden gebügelt. Und dabei über die ARD-Mediathek den Tatort aus Münster vom vorigen Sonntag gesehen, den ich Sonntag nicht sehen konnte. Zum Bügeln genau das Richtige. Irre ich mich oder werden Prof. Boerne und Thiel immer klamaukiger?

Dann bin ich dankbar für mehrere Anrufe. Ach, wie wunderbar, wenn andere Menschen einfach zum Hörer greifen, wo ich noch hadere, wann ich das tun soll und ob sie womöglich meine Email nicht bekommen haben… Leichtigkeit, Verbindung, Gemeinschaft… Ich habe von Petra ein kleines Armband mit einem spiralförmigen Anhänger bekommen. Es soll mich daran erinnern, dass ich Teil einer Gemeinschaft bin und aus meinem Schneckenhaus kommen kann, wenn mir nach Verbindung, Austausch, Wärme und Leichtigkeit ist. Ich brauche nicht darauf zu warten, dass jemand Bedürftiges an meiner Tür klingelt, um Kontakt zu haben, haben zu dürfen.

Ich bin dankbar, dass es heute nicht geschneit hat. Sonst hätte ich nämlich Schnee fegen müssen, und dazu habe ich keine Lust.
Ich bin meinem Schlachter dankbar, der sehr leckere Königsberger Klopse mit Putenhack herstellt. Das war nämlich heute mein Mittagessen. Also: Selbstfürsorge.
In Richtung Work-Life-Balance hate ich mir heute einen späten Mittagsschlaf gegönnt (zwischen Schreibtisch aufräumen und bügeln). Auch dafür möchte ich mir danken. Ich bin sehr erschöpft – wenn ich mir auch nicht erklären kann, wieso – und freue mich, dass ich die Pause hatte und sie nicht mit Fernsehen oder Passiance spielen verdaddelt habe.

Ich bin meiner Kollegin Marion dankbar, die heute das Protokoll vom letzten Block der Jahresgruppe rumgeschickt hat. Und bei dieser Gelegenheit gab sie mir Wertschätzung für mein Protokoll vom dritten Block und schrieb sinngemäß, wie gut ihr das gefallen habe. Hmmmmm… schmeckt gut!

Ich bin dankbar für das Essen und das saubere Wasser, das wir hier haben. Ich bin dankbar, dass ich einfach nur die Heizung aufdrehen muss, wenn ich es wärmer haben will. Und ich bin dankbar, dass ich dem Klempner heute den Auftrag geben konnte, auf dem Schornstein ein Schutzblech anzubringen. Ich bin in der Lage, das zu bezahlen. Und dafür bin ich gerade heute besonders dankbar.

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: 1. Dezember 2012

Hallo, Welt!
Ein Jahr neigt sich dem Ende zu. Und wie schon in den beiden Vorjahren will ich den Dezember zum Anlass nehmen, möglichst täglich ein kleines Posting zum Thema „Dankbarkeit“ zu schreiben. Und wie immer freue ich mich über Kommentare oder Eure eigenen Dankbarkeits-Geschichten.

Ich bin dankbar für einen Anruf, der mich vorgestern errichte. Eine mir bis dahin unbekannte Frau hatte im Buchladen meine Telefonnummer erhalten und wollte nun Einzelheiten über meine GfK-Übungsgruppe in Erfahrung bringen. Wir haben uns heute Vormittag getroffen und fast zwei Stunden geklönt. Das war wunderbar, bereichernd, heilsam. Ach, die GfK ist doch eine wundervolle Angelegenheit.

Dieser Tage habe ich bei einem Internet-Unternehmen einen Design-Auftrag gestellt. Mit einer Anbieterin stehe ich im direkten Austausch. Sie schrieb mir heute Morgen:

und übrigens… es gibt nur sehr, sehr selten in diesen foren einen auftraggeber oder eine auftraggeberin, der-die soviel respekt den designern entgegenbringt wie sie. dafür danke ich ihnen sehr, und allein das macht schon freude!

ich werde mal weiter mit dem ganzen schwanger gehen und wenn was kommt, reiche ich es ein.

Wie schön, mit meiner Wertschätzung anzukommen. Und wie traurig, dass das so selten vorkommt auf dieser Internet-Plattform! Vielleicht sollte mich mir für diesen Monat (auch) bewusst vornehmen, jeden Tag mindestens einmal bewusst Wertschätzung zu schenken.

Vorhin fiel mir noch einmal auf, wie dankbar ich Markus für seinen ausführlichen Urlaubsbericht bin. Seine Ferien waren eine Lektion in Sachen „Vertrauen ins Leben“, und ich möchte mich daran erinnern, wenn ich gerade selber sehr kleinmütig bin.

Am vergangenen Sonntag fand die Jahresgruppe am Osterberg-Institut ihren Abschluss. In diesem Block habe ich deutlich gemerkt, dass sich in mir etwas verändert hat. Eine neue Sicherheit ist in mir entstanden. Ich vermute, das hat auch etwas mit der Arbeit mit den Jugendlichen zu tun, die ich im September und Oktober gemacht habe. Und mit der Mediationsausbildung, in der es ja auch immer wieder um Methoden geht. Am letzten Abend haben die TeilnehmerInnen ein wunderbares Fest gestaltet, in dessen Verlauf alle Trainer und Assistenten nacheinander auf einem geschmückten Stuhl Platz nahmen. Dann traten einzelne Teilnehmer vor und überreichten uns kleine Kärtchen oder Zettelchen, auf denen sie notiert hatten, was sie an der jeweiligen Arbeit/dem Einsatz der einzelnen Person besonders schön, bereichernd oder nützlich fanden. Ich bekam ein ganzes Säckchen voll mit solchen Rückmeldungen. Bis jetzt bin ich noch zu scheu, das Säckchen noch einmal aufzumachen und die Zettelchen zu genießen. Ich bin noch immer ganz gefangen vom Eindruck dieser Wertschätzungsdusche.

Als ich von diesem Block nach Hause kam, habe ich Marianne Sikor angeschrieben: Jetzt bin ich bereit fürs Pre-Assessment. Die Zeit ist reif: Zertifizierung, ich komme! Und die wunderbaren Erfahrungen der vergangenen Wochen haben dabei eine wichtige Rolle gespielt. Ich bin dankbar für diese Klarheit und für das neue Vertrauen in mich.

Am Dienstag hatte ich einen ganz besonderen Termin. Eine Spitzenfotografin nahm sich meiner an. Wir haben Bewerbungsfotos gemacht. Inzwischen habe ich eine Auswahl zu sehen bekommen und werde diverse Bilder bestellen. Wir hatten allerdings auch einige Fotos für meine Webseite gemacht. Als ich diese Bilder sah, schossen mir die Tränen in die Augen. Ich mit der Giraffe in der Hand, oder auch mit Wolf und Giraffe – das ist es. Das bin ich. Da geht mein Herz hin. Ein ganz anderer Gesichtsausdruck, eine Leichtigkeit, ein Strahlen – jaaaaa! Da will ich hin! Mal sehen, auf welche Weise mir das Leben einen Weg zeigt, wie ich diese Verbindung leben kann. Der Anruf der jungen Frau war sicher ein weiterer Baustein…

Das war’s zum Start des diesjährigen Dankbarkeitsmonats. Morgen geht’s weiter! Jetzt ist es 0.46 Uhr und ich muss ins Bett…

So long!

Ysabelle

Horror Vacui

Mit seinen Versuchen widerlegte Guericke auch die Hypothese des horror vacui, der „Abscheu vor der Leere“, die jahrhundertelang Philosophen und Naturforschern ein Problem war. Guericke bewies, dass Stoffe nicht vom Vakuum angesaugt werden, sondern vom Umgebungsdruck in das Vakuum gedrückt werden.
http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_von_Guericke

Hallo, Welt!
Auf das „Honig“-Posting gab es eine Resonanz hier im Blog (danke, Gabriel), und eine via Mail. Danke, liebe Autorin! In letzterer heißt es:
Liebe Ysabell, dein Satz
“Alter, der Honig kann nichts dafür… du machst es dir unnötig schwer!”

Das wäre keine Gfk gewesen, jedoch sehr lebendig und möglicherweise genau das, was ihm geholfen hätte.

Mein „Verdacht“ ist, dass manche Freunde die Empathie genießen als Aufmerksamkeit und um diese Aufmerksamkeit immer wieder zu bekommen, bleiben sie gerne in ihren alten Schleifen hängen.

Das ist doch ein Gedanke, den wir hier trefflich diskutieren können.
Neulich Nacht hatte ich einen besonders unruhigen Schlaf. Nachdem ich drei Mal die Kachelabteilung aufgesucht hatte, wurde ich um fünf wach und konnte nicht wieder einschlafen. Mir war klar, dass der Wecker um 5.45 Uhr klingelt, und diese knappe „Start-Stop-Zeit“ stand einer Entspannung im Weg. Der Mensch an meiner Seite murmelte etwas von „was ist los, kannst du nicht schlafen?“. Ich antwortete so ungefähr, „ne, mir schwirrt der Kopf mit allem, was heute noch zu erledigen ist, ich glaube ich steh auf.“ Daraufhin hörte ich: „Jeder ist für seine Verrücktheiten selber zuständig.“ Au au!!!
Es kann sein, dass ich mit fortschreitendem GfK-Gebrauch immer empfindlicher werde. Aber in dem Moment war in mir einfach eine schmerzhafte Leere. Ich habe wohl mit sarkastischem Unterton „danke“ oder ähnliches geknirscht und hatte das Glück, dass mein Mitschläfer sich sehr flott zu mir umdrehte, mich in den Arm nahm und sagte, „hey, was kreist denn da bei dir?“ Für morgens um fünf eine preiswürdige Leistung, finde ich.
Es tut so gut, einfach verstanden zu werden. „… and it feels damn‘ good…“, sagt Marshall Rosenberg, und ich kann ihm nur beipflichten. Heute sprach ich mit einer Frau, die eine Zahnarzt-Phobie hat. Als junge Frau wurden ihr drei Zähne ohne Betäubung gezogen, weil sie im sechsten Monat schwanger war. Nach dem Eingriff hat sie ihr Baby verloren. Ich denke nicht, dass es ihr gut tun würde, wenn ich ihr erzähle, wo der nächste Zahnarzt wohnt, der sich auf Angstpatienten spezialisiert hat.
Hatten wir überhaupt jemals eine einfühlsame Natur? Wir – also wir Menschheit? Wenn ja, wieso bekriegen wir uns? Warum müssen wir dann mühsam lernen, empathisch zu sein? Ich habe Trainigsjahre gebraucht, um wenigstens ab und zu zu merken, was in mir lebendig ist, wenn ich den anderen beratschlage oder ihm mal erzähle, wie die Welt aus meiner Perspektive aussieht. Ich kann das aktuell bei meinen Schülern trainieren, aber auch im Freundeskreis oder bei meiner Mutter. Die will auch nicht hören, dass sie sich nicht so anstellen soll. Ein IPad bedienen können zweijährige Kinder, also warum nicht sie… Ich glaube, wenn ich einen solchen Satz vom Stapel lasse, wird sie das keinen Millimeter dichter an die Technik führen, sondern vielmehr dafür sorgen, dass sie sich in ihren Ängsten noch weniger gesehen wahrnimmt. Zufällig weiß ich, dass ihr dieses ganze Multimediakram totale Angst macht. Sie fürchtet, das nicht zu verstehen, sie fürchtet, etwas falsch zu machen, versehentlich etwas zu löschen, Dinge loszutreten, die sie nicht versteht und nicht kontrollieren kann. Und da sie 78 Jahre ohne diese Technik klargekommen ist, sieht sie auch keine Veranlassung, sich damit anzufreunden…

Der „Honig“-Freund durfte sich natürlich zu einem späteren Zeitpunkt unseres Gesprächs mit der Frage befassen: „Dieses Verhalten erfüllt dir ja ein bestimmtes Bedürfnis. Das machst du ja nicht einfach so. Worum genau geht es dir da?“ Und wir fanden heraus, dass es Schutz war. Schutz vor Schmerz, Schutz vor Verletzung, auch Schutz vor der Macht der unerfreulichen Erinnerung.

Wenn ich merke, dass ich nicht gesehen oder nicht verstanden werde, dass mein Gegenüber nicht bei mir ist, spüre ich häufig eine schmerzhafte Leere. Ich merke auch, dass diese Leere dann aber keine Dinge ansaugt, außer vielleicht Snickers, Joghurette, Lakritzschnecken, Ritter Sport Nougat, Salmilollis oder Lünebest Nussjoghurt. Und es gibt einen Impuls, dieses Loch mit irgendetwas zu stopfen. Gern genommen: Bücher. Aber wie in dem Experiment von Guericke beschrieben kommt nicht von innen der Sog. Vielmehr ist es der Druck der Umgebung, der signalisiert: Sei nicht so wie du bist. Die von mir so geschätzte Autorin Melody Beattie schrieb dazu in der Tagesmeditation vom 5. März:

5. März – Sei so, wie du bist:

Wenn ich Menschen begegne oder eine neue Beziehung eingehe, unterwerfe ich mich vielen repressiven Einschränkungen. Ich lasse meine Gefühle nicht zu. Ich unterdrücke meine Wünsche und Bedürfnisse. Ich wehre mich gegen meine eigene Geschichte. Ich erlaube mir nicht, die Dinge zu tun, die ich tun möchte, die Gefühle zu haben, die ich spüre, oder das zu sagen, was ich sagen muss. Ich verwandle mich in einen unterdrückten, perfektionistischen Roboter, anstatt der zu sein, der ich bin: ICH.
(Anonym)

Manchmal befiehlt unsere instinktive Reaktion in einer neuen Situation: Sei nicht so, wie du bist.

Wer sonst könnten wir sein? Wer sonst möchten wir sein? Wir brauchen nicht anders zu sein, als wir sind.

Das größte Geschenk, das wir in eine Beziehung einbringen, ist: der zu sein, der wir sind.

Wir denken vielleicht, andere fänden uns nicht sympathisch. Wir haben Angst, ein Mensch könne uns verlassen oder beschämen, sobald wir loslassen und wir selbst sind. Wir machen uns Sorgen darüber, was andere von uns denken.

Die Menschen schätzen unsere Gesellschaft, wenn wir uns selbst akzeptieren und entspannt sind, nicht aber, wenn wir steif und gehemmt sind.

Wollen wir wirklich mit Menschen zusammen sein, die keinen Gefallen an uns finden? Müssen wir uns und unser Verhalten von der Meinung anderer abhängig machen?

Wenn wir uns die Freiheit nehmen zu sein, wer wir sind, üben wir damit eine heilsame Wirkung auf unsere Beziehungen aus. Der Umgangston wird entspannter. Wir entspannen uns. Der andere entspannt sich. Alle fühlen sich weniger gehemmt oder beschämt, da alle aufrichtig sind. Wir können nicht anders sein, als wir sind. So ist es uns zugedacht. So ist es gut.

Unsere Meinung über uns selbst ist wirklich das einzige, was zählt. Und wir können uns die Anerkennung zollen, die wir wünschen und brauchen.

Heute entspanne ich mich und bin in meinen Beziehungen so, wie ich bin. Ich tue das nicht in unangemessener oder herabsetzender Weise, sondern in einer Weise, die zum Ausdruck bringt, dass ich mich selbst annehme und mich als die Person schätze, die ich bin. Hilf mir, Gott, dass ich keine Angst mehr habe, ich selbst zu sein.

Mein Honig-Freund darf genau so sein, wie er ist. Wenn er sich in seinen Schleifen verstrickt, ist das sein gutes Recht. Wenn er da raus will, wird er einen Weg finden. (Ich unterstütze ihn gern, das habe ich ihm auch gesagt). Und wenn ich um fünf aufsstehe, weil ich keine Ruhe mehr finde, ist das auch in Ordnung. Das letzte, was ich brauche, ist dass mich jemand bewertet. Es bleibt die Frage: Was brauche ich? Und was brauchst Du?

Liebe Mailschreiberin,
bist Du besorgt, dass andere Menschen nicht aus ihren schädlichen Mustern aussteigen können? Ich hoffe, jeder kann sich verändern. Wenn die Zeit reif ist. Und mein Beitrag ist, ihn oder sie empathisch zu begleiten. ODER: Mich selbst auszudrücken. Mich. Und nicht etwa meins mittels Umgebungsdruck in den anderen hineinpressen. No, no!

So long!

Ysabelle

Das Glas Honig

Was es ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Quelle: Erich Fried „Es ist was es ist. Liebesgedichte, Angstgedichte, Zorngedichte“, Berlin 1996

Hallo, Welt!
Dieser Tage hatte ich Besuch zum Mittagessen. Der Freund erzählte eine Geschichte aus seinem Leben, die mich sehr nachdenklich stimmte.
Seit rund 15 Jahren ist er von seiner Frau geschieden. Die beiden haben gemeinsame Kinder. Seine betagte Mutter pflegt nach wie vor den Kontakt zur Ex-Frau, denn sie ist auch die Mutter ihrer Enkelkinder. Die Ex-Frau hat einen neuen Partner, der Hobby-Imker ist. Vor einigen Monaten bekam der Freund von seiner Mutter ein Glas Honig geschenkt. „Ich konnte den Honig nicht essen. Ich wusste, woher der kam: Vom Lebensgefährten meiner Ex-Frau. Da war einfach immer der Gedanke an die Ereignisse, die zum Ende meiner Ehe geführt hatten, an Zeiten, in denen meine Bedürfnisse nach Vertrauen, Klarheit, Schutz, Sicherheit und Ehrlichkeit vollkommen unerfüllt waren“. (Ich hab das mal in Giraffisch übersetzt).
Bald darauf bekam der Freund von einer alten Dame, mit der er seit 20 Jahren geschäftlich zu tun hat, quasi zum Jubiläum ein Glas Honig geschenkt. „Und das konnte ich essen. Das war die Würdigung von 20 Jahren guter Zusammenarbeit, es war für mich ein Zeichen von Vertrauen und Wertschätzung…“

Und ich dachte: Mein Gott… es ist ein Glas Honig! In beiden Fällen ist es nur ein Glas Honig! Wenn wir die Etiketten tauschen, du würdest es nicht merken. Das alles passiert nur in deinem Kopf! Das eine Mal löst dieses Glas Honig angstvolle, schmerzhafte Erinnerungen aus, das andere Mal sind es warme, wertschätzende Gedanken. Der Honig ist doch nur der Auslöser. Ein Brotaufstrich, ein Naturprodukt, eine klebrige süße Masse im Glas mit Schraubdeckel. Es ist, was es ist: Ein Glas Honig. Alls andere machen wir uns selbst…
Ich bin dankbar, dass es mir in der konkreten Situation gelungen ist, dem Freund einfühlend zuzuhören, ohne ihn zu belehren. Jedenfalls hoffe ich, dass mir das gelungen ist. Noch immer kostet es mich Kraft, noch immer muss ich das Bewusstsein wie einen Allradantrieb zuschalten, um nicht zu sagen, „Alter, der Honig kann nichts dafür… du machst es dir unnötig schwer!“ Ich weiß heute: In diesen Situationen brauche ICH Einfühlung, um weiterhin beim anderen sein zu können. Vielleicht greift „Einfühlung“ zu hoch. Vielleicht ist es nur eine Form der Anerkennung meiner Gedanken zu dem Thema. Und dann kann es mir auch wieder gelingen, mich dem anderen mitfühlend zur Seite zu stellen. Eine spirituelle Übung.

So long!

Ysabelle

Wer ist für meine Klarheit zuständig? … ich …

Hallo, Welt!
Ich habe heute unverhofft einen freien Abend. Und die kommenden vier Freitage auch. Klartext: Der angebotene GfK-Einsteigerkurs ist nicht zustande gekommen. Mein Beitrag daran ist, dass ich im Kopf einen Termin im Juli falsch abgespeichert habe und deshalb der Drucktermin für ein Programmheft so nah herangerückt war, dass der Kurs-Termin nicht mehr eingepflegt werden konnte. Vielleicht hätte ich in den vergangenen vier Wochen vor Ort mehr Werbung machen können, Handzettel verteilen u.ä., aber ich hatte auch Vertrauen in das Netzwerk des Bildungsträgers. OK, keine Anmeldungen. Nicht wirklich schlimm, ich langweile mich gerade überhaupt nicht.

Was mich heute wirklich aus der Bahn geworfen hat, war die Tatsache, dass ich seit Dienstag niemanden beim Bildungsträger erreichen konnte. Niemand ging ans Telefon. Ein Besuch zeigte, dass die Mitarbeiter zu einer Fortbildung waren: „Wir bitten um Ihr Verständnis“, stand auf dem Schild an der Tür. Das Telefon war abgestellt, es kam lediglich die Nachricht: Dieser Teilnehmer ist zurzeit nicht zu erreichen, bitte versuchen Sie es später noch einmal. Meine Mail von Mittwoch mit der dringenden Bitte um Klarheit und Information blieb unbeantwortet (i.e.: bei mir kam keine Antwort an…).
Gegen 11 Uhr heute Morgen erwischte mein Freund die Leiterin der Einrichtung vor der Tür. Sie sei sichtlich verlegen gewesen. Ja… keine Abmeldungen… die Fortbildung… man solle sich doch noch mal zusammensetzen… das Angebot sei ja attraktiv, Neustart im Frühling oder so…

Als die Information bei mir ankam, bin ich in Tränen ausgebrochen. Nicht etwa, weil ich so traurig bin, dass der Kurs jetzt nicht stattfindet. Vielmehr war ich frustriert, hilflos, irritiert, genervt und im Schmerz. Meine (unerfüllten) Bedürfnisse waren:
Klarheit
Verbindung
Respekt
Wertschätzung
Offenheit
Leichtigkeit und so was wie
Effizienz/Professionalität
Wirksamkeit!

Huhuhuhuhu… Alle Wölfe wieder am Start! Es kann doch nicht angehen, dass ein Bildungsträger seine Referenten bis acht Stunden vor dem Kurs nicht informiert, dass das Seminarangebot nicht stattfindet! Ich brauche Sicherheit! Gesehen werden! Einbezogen sein! ich rüttele an meinen Gitterstäben! Und in meinem Kopf sitzt ein kleines Männchen und erzählt mir, wo ich überall „unzuverlässig“ bin. Was ich schon längst alles gemacht haben wollte und nicht erledigt habe… Du bist Scheiße, ich bin Scheiße… So ein Schmerz!

Und auch dieses Thema hat etwas mit meinem gewohnten Kommunikationsverhalten zu tun. Ich warte ab. Ich bin an dieser Stelle nicht proaktiv. Ich könnte ja eine schlechte Nachricht bekommen… Dann halte ich doch lieber die Füße still. Oder wie in dem Beispiel gestern: Ich könnte ja jemanden verärgern oder abschrecken… wenn ich nichts mache, mache ich wenigstens nichts falsch… Wenn es was zu sagen gibt, wird der andere schon was sagen… Ich kümmere mich also nicht ausreichend um meine Klarheit. Wenn der Impuls nach Klarheit kommt, schiebt sich etwas anderes dazwischen. Wahrscheinlich Angst. „Fall anderen nicht auf die Nerven“. „Kannst du nicht abwarten?“ (Hört Ihr die Betonung der obergenervten Mutter?). Also: Klarheit ist mein Thema. UND: Für mich selbst und meine Bedürfnisse eintreten. Ach, Marshall… GfK ist nichts für Feiglinge…

So long!

Ysabelle

Wortschätzchen: Bloßgestellt

Hallo, Welt!
Dieser Tage las ich in einem Brief***, „du hast mich bloßgestellt“. „Ha!“, dachte ich. Endlich mal wieder ein Wortschätzchen!
Mein Wahrig Herkunftswörterbuch zeigt sich mal wieder schwach. „Bloßstellen“ gibt es gar nicht. Zu „bloß“ schreibt es a.) nackt, b.) nur. Das Adjektiv (mhd. bloz, ahd. bloz) ist verwandt mit griech. phlydaros, weich, und lat. fluere „fließen“; die ursprüngliche Bedeutung wäre demnach „aufgeweicht, nass“; über „weich, sensibel“ und „schwach“ entwickelte sich die heutige Bedeutung „unbekleidet“ (und somit schutzlos).

Etwas ergiebiger ist da schon mein Duden der sinn- und sachverwandten Wörter. Für „bloß“ bietet er mir „nackt“ und „barfüßig“ an. Aber bei „bloßstellen“ heißt es: (sich) eine Blöße geben, eine Blöße bieten, zum Gespött werden, keine gute Figur machen, sich dekolletieren, sich kompromittieren, seinen Namen, seinen Ruf, sein Ansehen aufs Spiel setzen, sich lächerlich machen, sich blamieren, seinem Namen keine Ehre machen, sich ein Armutszeugnis ausstellen; siehe: erniedrigen, kompromittieren (jmdn.), Bloßstellung, Entblößung.

Tja, und unter Bloßstellung steht: Blamage, Schande, Beschämung, Desavouierung (mein Gott, ich dachte, das gäbe es nur noch in der Operette…), Kompromittierung, Schmach, Unehre, Schimpf, Reinfall, Pleite (ugs.). Siehe Aufsehen, Beleidigung, bloßstellen, kompromittieren, anständig, beschämend, ehrlos, gemein.

So weit mal meine Quellen.

Mein Kopf liefert mir noch etwas anderes. Ich sehe eine Person am Pranger. Ich sehe Siegfried, dessen verwundbare Stelle verraten wird. ich sehe mittelalterliche Stadtbüttel, die mit ihrer Pike einer unbotmäßigen Person das Gewand aufschlitzen und diese so entblößen, also in ihrer (schambehafteten) Nacktheit zur Schau stellen. Jemand bringt also ans Licht, was aus Gründen von Takt, gutem Geschmack oder Schutz besser verborgen geblieben sein sollte.

Was empfand wohl diese Person, die in dem Brief schrieb: „Ich fühlte mich bloßgestellt“?
Mit Sicherheit mal
Scham.
Vielleicht auch Unsicherheit.
Sie fühlte sich vielleicht auch
verwirrt
besorgt
ängstlich
wütend
frustriert
einsam
enttäuscht
im Schmerz
bestürzt
geladen
entsetzt.

Und die Bedürfnisse?
Schutz springt mich als erstes an.
Autonomie (ich möchte selbst entscheiden, was über mich bekannt wird)
Vertrauen
Beteiligung
Klarheit (in diesem konkreten Fall)
und Verstehen.

Und die Bitte wäre wahrscheinlich gewesen, dass nichts davon bekannt wird, was diese betreffende Person geäußert hat, oder genauer, dass die Person sich überhaupt geäußert hat.

Bei wem liegt die Verantwortung für was? Super-Frage, oder?

… Es ist so leicht, jemand anderem die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben, was man selbst angerührt hat.

Und was ist mein Lernfeld in der beschriebenen Situation?
Ich möchte noch klarer werden, Dinge noch klarer benennen. Ich möchte noch mehr Gespür dafür entwickeln, wo gerade nicht deutlich geworden ist, worum es mir geht. Ich merke, dass ich noch immer aus Rücksicht oder Mitgefühl oder Schutz Dinge nicht ausspreche, von denen ich annehme, der andere kann sie schwer hören. Ich nenne dieses Verhalten Co-Abhängigkeit. Ich bin einen guten Schritt weiter gekommen in den vergangenen zehn Jahren. Aber da ist eindeutig noch Wachstumspotential…

So long!

Ysabelle

*** Person A hatte mir mehrere Nachrichten über Person B zukommen lassen. In Gegenwart von Person B habe ich gesagt, dass ich die Nachrichten bekommen habe ( – nichts zum Inhalt – ) und dass es Zeit, Kraft und vereinbartes Setting nicht zulassen, dass ich quasi mit Person A allein an diesem Thema arbeite, und sei es auch nur schriftlich.

Perfektionismus – auch ein schöner Tod!

Hallo, Welt!
Wir verabschieden uns vom Perfektionismus. „We grow constantly less studid“, verspricht Marshall. Ich muss also nicht perfekt sein, es reicht, wenn ich mein Bestes gebe. Gegebenenfalls auch fünf mal hintereinander.
Wie schon mehrmals verbreitet, gestalte ich mit einigen Freunden am kommenden Wochenende ein Treffen, zu dem rund 90 Leute erwartet werden. Einige reisen schon Donnerstag an, andere kommen Samstag nur für einen Tag. Einige haben im April gebucht, andere fragen heute (!) an, ob es noch ein Einzelzimmer gibt, und wieder andere, die ihre tatkräftige Mitarbeit angeboten haben, melden sich heute krank. Es gibt Vegetarier und Fleischfresser und es gibt Externe und Übernachter…

Nun quäle ich mich seit Wochen mit der Herstellung von Tagungsunterlagen. Heute, liebe Freundinnen und Freunde, ist mir etwas gelungen, was ich noch nie gemacht habe. Ich habe eine Tabelle gebastelt, jawoll! Ganz ohne Excel, das kann ich nämlich nicht. Und kaum war ich fertig, habe eine PDF draus gemacht und an die anderen im Team verschickt, fiel mir ein, wie man diese Tabelle noch besser und noch schöner machen könnte. Inzwischen bin ich bei Version IV. Ich habe nicht die letzten Sachen aus den Koffern rausgeräumt, ich habe nicht meine Mutter angerufen, die im Krankenhaus liegt, ich habe nicht das Bügelbrett aufgebaut und mal den neuesten Mount Ironing weggefiedelt. Ich habe die letzten beiden offenen Rechnungen noch nicht geschrieben… Ich bastele eine Tabelle. Oder inzwischen sogar eine zweite… cool…

Damit erfülle ich mir die Bedürfnisse nach Wachstum, Kreativität, nach Spiel und nach Beitragen. Ok. Das möchte ich wertschätzen. Und gleichzeitig möchte ich mich daran erinnern, dass es vermutlich niemandem außer mir auffällt, dass auf der zweiten Seite der Tabelle hinter der Uhrzeit jeweils das „h“ für Stunde fehlt, oder welche anderen Verbesserungsmöglichkeiten es auch sonst noch so gibt. Vier Stunden für eine Tabelle – es reicht! Ich muss nicht perfekt sein, und meine Tabellen müssen es auch nicht. Es reicht, wenn sie die schönsten der Welt sind…

So long!

Ysabelle

Tod durch Vergleichen

Hallo, Welt!
Ich bin zurück aus dem Urlaub. Erholt und tatkräftig war ich für ein paar Stunden, dann hat mich ein Virus erobert und gestern lag ich tatsächlich ab 16 Uhr flach mit Kopfschmerzen, Halsweh, Triefnase und fiesem Husten. Ungünstig, denn ich gehöre zum Orga-Team für eine größere Veranstaltung am kommenden Wochenende. Wir erwarten zwischen 80 und 100 Teilnehmer und alles geht systembedingt etwas drunter und drüber. Ich wäre wirklich gern fit dafür…
Heute will ich etwas zum Thema „Tod durch Vergleichen“ berichten. Dieser Urlaub war wirklich sehr großartig. Ich war auf einem sehr schönen Kreuzfahrtschiff, habe gut gegessen, viel geschlafen, tolle Ausflüge gemacht und mich gefreut, dass ich das alles erleben durfte. Und gleichzeitig tauchte immer wieder das Thema „Vergleiche“ auf. War ich glücklicher, weil ich eine Balkonkabine hatte, als die Leute, die eine Innenkabine hatten? Wie konnte sich Witwe XY in diesem Jahr schon die dritte Kreuzfahrt leisten? Was macht die richtig und ich falsch? Wieso scheinen einige Leute alles essen zu können und sie werden nicht dick, und ich gehe am Büfett vorbei und habe zwei Kilo mehr auf der Hüfte? Und der Mann da, und die Frau – boah, ey, sind die dick… dagegen bin ich ja ein Rehlein…

Ich habe dieses Thema auch mit meinem Reisegefährten diskutiert. Wir fanden dabei so spannende Fragen wie „habe ich diesen Urlaub „verdient“, oder steht es mir nicht zu, so einen Luxus zu erleben? Bin ich „gut genug“? Und zum wiederholten Mal habe ich festgestellt, dass Vergleichen der sicherste Weg ist, sich richtig schlecht zu fühlen. Es gibt dazu von Marshall Rosenberg eine sehr nette Textpassage. Er schlägt vor, man möge das Telefonbuch von New York an beliebiger Stelle aufschlagen und sich mit der Person vergleichen, die dort aufgeführt wird. Beispielsweise Wolfgang Amadeus Mozart (mir war vorher nicht bekannt, dass der nach New York umgesiedelt ist…). Also: Wie viele Violinkonzerte habe ich im Alter von 12 Jahren geschrieben? Null. Desweiteren schlägt Marshall vor, man möge in eine Umriss-Zeichnung, die Mann und Frau in ihren Idealmaßen zeigt, jeweils die eigenen Maße eintragen. Falls also 90-60-90 noch immer ein Schönheitsideal sein sollte, würde ich sie an allen drei Werten übertreffen. Schöner fühle ich mich deshalb nicht…

Kurzum: Vergleiche sind ein sicherer Weg mich elend zu fühlen. Selbst wenn ich bei einem Vergleich „besser“ abschneide als meine Referenzgröße, trägt das schon mittelfristig nicht zur Erhaltung meines Wohlbefindens bei. Ich verdiene mehr als dieser Mann – aber wie lange noch? Ich bin dünner als diese Frau – aber 200 weitere Frauen an Bord sind mal dünner, jünger, schöner als ich… Der Golfpro spielt besser Golf als ich, die Geissens aus dem Fernsehen haben mehr Geld, meine Freundin H. mehr Mut, Gabriel mehr Ahnung vom Programmieren und mein Freund F. im Gegensatz zu mir Durchblick in Sachen Excel oder Fliesen legen.

Und nun?
In der Erziehung, die mir zuteil wurde, hat man Vergleiche benutzt, um mich anzuspornen. Ich sollte so klug sein wie XY, das schaffen, was meine Eltern und Großeltern nicht erreicht hatten, zum Beispiel eine Karriere als Akademikerin. Als junges Mädchen habe ich meiner Mutter einmal versprochen, ich würde eines Tages so viel Geld verdienen (und dann noch einen Zahnarzt heiraten), dass ich ihr dann ein Kajütboot und einen Citroen DS kaufen würde. Andere Menschen hatten schon ein Boot und so einen coolen Citroen… wir reden hier vom Ende der 60er Jahre. Bin ich nun eine Versagerin, weil ich dieses Versprechen nicht eingelöst habe?
Vergleiche setzen voraus, dass es einen richtigen, objektiven Maßstab gibt. So soll etwas sein, und daran messe ich mich, werde ich gemessen. Ich bin Gewinner oder Verlierer. Ich stehe gut da oder ich ziehe den Kürzeren. Wofür?

Mir wird immer deutlicher, dass die Etiketten-Ausgabe, die beim Vergleichen stattfindet, nicht dem Leben dient. Ich als ICH bin gar nicht sichtbar, wenn ich mich ständig an Schablonen anlege. Stimmt, ich kann nicht so gut rechnen. Bruchrechnung zum Beispiel habe ich nicht im Zugriff. Ebenso Prozentrechnung. Eine Einladung, mich schlecht zu fühlen. Wenn ich mich selbst aber als vollständiges Wesen ansehe, mit meiner Fähigkeit, lebendige Vergleiche zu finden, mit meiner Fähigkeit, im Handumdrehen aus meinen Vorräten ein Dutzend Leute zu beköstigen, mit meiner Freude an Musik, auch wenn ich kein Instrument spiele, mit meiner Lebendigkeit an der einen Stelle und meiner Achtsamkeit an der anderen – dann darf ich gewiss sein, dass ich genau so bin wie die Höhere Macht mich wollte. Ich bin liebenswert. Ich bin einzigartig. So wie ich bin, bin ich richtig. Und ich bin dankbar dafür, dass ich genau so bin. Ich bin sozusagen ein Gesamtkunstwerk, ebenso wie Ihr! Wir sind einzigartig! Und wenn ich Kunstwerke vergleiche, sage ich auch nicht, die „betenden Hände“ von Dürer sind aber kleiner (und deshalb schlechter) als Gerhard Richters riesiges Ölgemälde, das unlängst bei Sotheby’s 26,4 Millonen Euro in die Kasse von Eric Clapton spülte. Geht es nicht vielmehr darum, ob mich etwas anspricht, ob meine Bedürfnisse erfüllt sind? Wenn ich neidisch auf die schlanken Frauen im Restaurant schiele, ist vielleicht mein eigenes Bedürfnis nach Leichtigkeit, Schönheit und Beweglichkeit im Mangel. Und damit möchte ich da sein. Aber nicht mit irgendeinem ominösen Standard, von dem ich nicht einmal wirklich weiß, wie er zustande gekommen ist – geschweige denn, was er wirklich mit mir zu tun hat…

So long!

Ysabelle

Erfolg fühlt sich anders an

Hallo, Welt!
Heute ist meine erste offizielle Mediation zu Ende gegangen. Die Beteiligten haben eine Vereinbarung getroffen. Beide Medianten haben geäußert, dass sie mit diesem Ergebnis leben können. Aber ich bin nicht zufrieden. Der jahrelange Konflikt ist nicht wirklich aufgearbeitet, nicht befriedet. Und immer wieder wurden mit dem Bagger die Leichen von damals ausgegraben.

Wie fühle ich mich? Müde und erschöpft. Hilflos. Frustriert. Und von meinen Wölfen gehetzt. „Du hättest mehr übersetzen müssen! Du hättest noch mehr auf Gefühle und Bedürfnisse abheben müssen. Du hättest eher dazwischen gehen müssen, wenn es wieder so laut wurde… “

Ich möchte mich daran erinnern, dass die Medianten die Experten für ihren Konflikt sind. Wenn sie diese jetzt formulierte Lösung gutheißen, begrüßen, beide akzeptieren, dann ist das so. Es geht nicht um mein Ego, meine Befindlichkeit. Apropos Befindlichkeit… welche Bedürfnisse sind denn bei mir gerade im Mangel? In erster Linie Erholung und Leichtigkeit. Was die Mediation angeht, auch Respekt und Wertschätzung – aber nicht für mich, sondern für eine der Konfliktparteien. Ich kann mich wunderbar mit den Bedürfnissen beider Parteien verbinden. Aber was kann ich tun, wenn eine Partei kategorisch sagt, ich will das nicht fühlen! Ich will vorn im Gedächtnis behalten, was 19XX passiert ist, und ich will das nicht neu einordnen, ich brauche Schutz, ich habe kein Vertrauen und auch keine Idee, wie man neues Vertrauen aufbauen kann…

Jetzt, wo die Parteien weg sind, fallen mir viele GfK-Sätze ein, die ich noch hätte sagen können. Aber geht es hier denn um meine Lösung?

Ich schätze, dass ich zurzeit einfach zu erschöpft bin, um noch klar zu denken. Ich nehme mich dünnhäutig und aktuell wenig belastbar wahr, vielleicht weil die Belastung einfach zu hoch ist. Wann hatte ich das letzte Mal ein freies Wochenende? Wann gab es das letzte Mal wirklich ein paar freie Tage, an denen nicht irgendetwas drängte oder drückte?

Ich habe in den letzten Tagen wieder einmal wahrgenommen, wie schwer es mir fällt, meinen Interessen Priorität zu geben. Ich lasse mich breitschlagen, am Montag noch zu arbeiten, weil der Bildungsträger Personalknappheit hat. Ich werde Morgen zu meiner Mutter fahren und mich um ihren Kram kümmern, statt um meinen… Auch Sonntag ist kein Ruhetag, weil meine Enkeltochter Geburtstag hat. Ich freue mich sehr über die Einladung zur Feier und gleichzeitig sind einige Umstände sehr anstrengend für mich. Montag dann eben noch mal arbeiten und alle Reisevorbereitungen bleiben bis Dienstag… Das hätte ich gern anders…

Also: Ruhe, Erholung, Leichtigkeit, Schlaf, Wärme, vielleicht auch so was wie Zuwendung und Anregung. Kurz: Urlaub!
Ab Mittwoch ist es so weit!

So long!

Ysabelle

Braucht es noch was, Schatz?!

Hallo, Welt!
Gestern war ich zum „Mediation-Üben“ in Bremen. Unter anderem haben wir Interpretationsgefühle übersetzt und ein Rollenspiel gemacht. Am Ende des Rollenspiels fragte der Teilnehmer A seinen „Kontrahenten“ B: „Brauchst du noch was, um jetzt gut mit der Situation klarzukommen?“
Ich hatte die Mediation als Beobachterin verfolgt und gab die Rückmeldung, dass mir gerade diese Rückfrage sehr gut gefallen habe. Eine der Mediatorinnen grübelte, ob das nicht ihre Sache gewesen wäre, diese Information einzuholen. Und während wir mit diesen Überlegungen noch hin- und herspielten, sagte die zweite Mediatorin, sie werde aggressiv, wenn sie diese Frage hört. Rrrrrrums!

Im Nachspüren stellte sich heraus, dass der eigentliche Satz von A hätte lauten müssen: Ich merke, dass ich noch immer unsicher bin, ob die getroffene Vereinbarung wirklich das bewirken wird, was ich mir für unsere Beziehung/Freundschaft wünsche. Wärst du bereit mir zu sagen, ob du diese Verabredung für tragfähig hältst?

Ich habe gestern gelernt, dass ich ein „Brauchst du noch was?“ oder „braucht es noch etwas“ gern vor mir her trage, anstatt mein eigenes Unbehagen oder meine Unsicherheit zu formulieren. Wenn ich es nicht weiß, frage ich doch einfach mal dich… Gerade die Frage nach der Befindlichkeit beim anderen ist also das deutliche Indiz dafür, dass ICH eigentlich noch etwas habe, was nicht hinreichend geklärt ist. Denken und Fühlen outsourcen ist ja ne coole Sache. Aber noch cooler ist es, wenn ich es merke und die Verantwortung für meine Gefühle und meine Bedürfnisse nach Klarheit, Verbindung oder Gemeinschaft selbst übernehme. Ich möchte unterscheiden üben, wann ich wirklich explizit zum Wohl des anderen einen Beitrag leisten will und wann es in Wirklichkeit um meine ureigenen Bedürfnisse geht. Eine spannende Aufgabe!

So long!

Ysabelle

Von Schuld, Scham, Abwehr und roten Rosen

Hallo, Welt!
Zunächst ein paar Kurznachrichten:
Der Vortrag scheint gut gelungen. Ich jedenfalls bin mit mir zufrieden. Zwei (befreundete) Menschen haben mich angerufen und warme Rückmeldungen gegeben. Drei andere Menschen haben mir im Anschluss an den Vortrag ein Feedback gegeben, das sehr wohlwollend und zugewandt war. Eine weitere Rückmeldung besagte, dass ich Sätze anscheinend häufiger mit „jaaa“, beende, was von dem Empfänger als irritierend wahrgenommen wurde. Ich habe unglaubliche 1.45 h geredet, es gab kleinere technische Pannen (eine stellte sich als Vorteil heraus) und mein Eindruck war, dass alle einigermaßen zufrieden waren.

Meine Work-Life-Balance ist nach wie vor krass un-balanced. Auch heute wird es keine Pause geben, um 11.30 Uhr gehe ich in eine Konferenz, die meiner Einschätzung nach mindestens bis 16 Uhr dauern wird. Und dann wartet noch Papierkram und Unterrichtsvorbereitung auf mich. Nun aber zum heutigen Thema.

Freitag war das vierte Treffen mit meinen Medianten. Ich hatte mir im Vorfeld Supervision und Empathie bei Ute Kleindienst geholt und das war sehr hilfreich. Außerdem habe ich mir noch einmal meine Aufzeichnungen und Unterlagen zum Thema „Perspektivwechsel“ angesehen und dieses Tool dann auch angewendet.

Dieses vierte Treffen bereicherte mich um eine Erfahrung, die mich zutiefst erschütterte. Eine Person beschrieb, wie sie die Situation vor vielen Jahren wahrgenommen hat. Mir erschien die Schilderung so verständlich, dass ich keine Veranlassung zum Übersetzen in Gefühle und Bedürfnisse sah. Doch bei der anderen Person kam etwas ganz anderes an: „Du tust so, als ob ich an allem schuld wäre.“ Ich war fassungslos. In der Aussage hatte ich wirklich keinen Anflug von Schuldzuweisungen gehört. „So war es damals bei mir“ kam bei mir als Botschaft an. Die zweite Person geriet richtig in Not. Es wurde laut, wir haben sogar kurz unterbrochen. Gegen Ende habe ich dann noch mal eine Person gedoppelt („darf ich einmal neben Sie treten und mit meinen Worten formulieren, was ich gehört habe, und Sie korrigieren mich, wenn ich etwas falsch verstanden habe?“), und im Doppeln liefen mir wirklich die Tränen. Die gedoppelte Person bestätigte meine Aussage (schnief… das ist starker Tobak… ja, genau so meine ich es…). Und die zweite Person war fassungslos über das, was sie da hörte. „Wenn das so bei dir ankommt… das meine ich doch gar nicht…“

Nach den zwei Stunden war ich reif für die Couch. Ich bin einfach zutiefst entsetzt, wie unser Kommunikationssystem funktioniert. Und je älter wir werden, desto weniger können wir hören, dass der andere sagt: Ich habe einen tiefen Schmerz, weil bei mir wichtige Bedürfnisse unerfüllt sind!“ So jedenfalls scheint es mir heute.

Wir haben keine Übung darin, die Worte des anderen als „Äußerung zu mir selbst“ zu hören. Viel zu oft sehen wir uns darin verwickelt und verstrickt. Wenn du in dieser Situation, an der ich beteiligt war, so gefühlt hast, dann bin entweder ich schuld (und das löst Scham aus!), oder mit dir muss etwas nicht stimmen. Und da haben wir sie, die Abwehr. Wir sind nicht darauf trainiert, dem anderem wirklich zuzuhören. Wie geht es dir und was brauchst du? Alles ist verwoben, alles hat auf ungute, klebrige Weise etwas mit uns zu tun.

Dieses Muster, das mir in der Mediation so deutlich entgegengesprungen ist, kenne ich auch aus anderen Situationen. Ein Kollege hat gerade seine Gehaltszahlung bekommen und stellte anhand des Nettobetrages fest, dass da etwas nicht stimmen konnte. Sofort kamen Urteile wie „respektlos, unzuverlässig, leere Versprechen“. Ich konnte den tiefen Schmerz hören und sein Bedürfnis nach Vertrauen (in den neuen Arbeitgeber), Respekt und Wertschätzung. Aber sofort stand im Raum, der Arbeitgeber bescheiße absichtlich oder halte sich nicht an die eigenen Qualitätsmaßstäbe. Du bist schuld oder ich bin schuld. Und bevor ich schuld bin, geb ich doch lieber dir die Schuld… Und vor meinem geistigen Auge sehe ich Marshall, wie der die Wolfsohren auf seinem Kopf rotieren lässt: „angry, guilty, depressed…“

Vielleicht ist das das allergrößte Geschenk der GfK: Sie ermöglicht uns, genau die Verantwortung zu tragen, die unsere ist: Wir sind verantwortlich für unser Tun und Lassen, für unsere Gedanken und unsere Worte. Wir sind nicht verantwortlich für das. was der andere hört. Wir sind nicht verantwortlich für das, was unsere Worte beim anderen auslösen.

Im Vortrag hatte ich jeweils ein paar Testfragen eingebaut. Unter anderem sollten die Teilnehmer raten, ob es sich bei der Aussage:

30 rote Rosen – ich bin überwältigt

um ein echtes Gefühl handelt. Während ich (voller Begeisterung über die Rosen) auf dem Tanzparkett hin- und herwalzte, sagte eine Teilnehmerin:
„Du lernst es nicht mehr. Mit Rosen machst du mir keine Freude. Sonnenblumen… das wär’s gewesen. Würdest du mich wirklich sehen und wertschätzen, hättest du mir Sonnenblumen gebracht, und keine Rosen…“

Die „Tat“ ist die selbe: 30 rote Rosen als Geschenk. Doch während der eine außer sich ist vor Freude, löst diese Gabe beim anderen Schmerz und Trauer aus. Und ich bin nicht schuld. Und ich habe nichts falsch gemacht.

So long!

Ysabelle

Die Uhr tickt

Hallo, Welt!
Heute habe ich annähernd zwölf Stunden am Schreibtisch verbracht. Mein Work-Life-Balance-Buch ist voll mit Work, bei Life blieb nur übrig, dass ich heute zwei Mal bei der Post war (immerhin an der frischen Luft) und mir heute Mittag Bratkartoffeln spendiert habe. Ach, und ich hatte ein schönes Telefonat mit einem GfK-Freund, der auch gerade an einer Schule unterrichtet. Leidensgenossen…

Der Vortrag steht. Ich habe von Gabriel, Christel und Simran noch wunderbare Anregungen bekommen. Aber noch gab es keinen Durchlauf mit der Uhr. Und natürlich kann ich nicht alles auswendig. 15 Folien werden es zum Zeigen, 40 sind es insgesamt. Ich bin supererschöpft und werde demnächst ins Bett taumeln.
In einem Telefonat ist mir heute noch einmal deutlich geworden, dass es zu meinen Stärken gehört, schöne Bilder zu finden, wenn ich mich verständlich machen möchte. Das möchte ich feiern. Und ich möchte feiern, dass Markus mir eine Tüte Empathie angeboten hat, bevor ich am Freitag in die nächste Runde der Mediation gehe. Nie wieder lasse ich mich auf Mediation ein, wenn ich einen der Teilnehmer auch nur ein wenig kenne!!!
Es gibt etwas zu feiern.
Mir ist heute klar geworden, wie groß mein Vertrauen in die GfK mittlerweile ist. In Situationen, in denen es schwierig wird, geht es mir immer häufiger so wie damals den Flying Dorias in der Fernsehserie „Salto Mortale“.

Ich springe mit verbundenen Augen ab und habe den Glauben, dass ich mit Empathie oder mit gewaltfreiem Selbstausdruck weiter komme. ich muss nicht mehr in den Kopf gehen, analysieren, diagnostizieren. Immer und immer wieder gelingt es mir mich damit zu verbinden: Wie geht es mir? Und wie geht es Dir?

Was das Mediationsverfahren angeht, fehlt mir bisher das Vertrauen in die Werkzeuge. Umso schöner ist es dann zu spüren: Die GfK trägt mich.

Danke, Marshall, danke all Ihr Trainer und Gefährten, die Ihr dazu beigetragen habt!

So long!

Ysabelle

Work-Life-Disbalance

Hallo, Welt!
Das Wochenende ist um. Ich habe Samstag und heute mittags geschlafen. Trotzdem habe ich mich nicht erfrischt gefühlt. Wie geht Nichtstun? Hier ist irgendwo der Wurm drin! Ich habe zwar die ganze Bügelwäsche erledigt und eben noch ein bisschen Unterrichtsvorbereitung zum Thema Telefonbewerbung zusammengetragen, an einem Facebook-Auftritt bearbeitet und Software auf dem Laptop installiert, was zu meinem großen Frust eben nicht reibungslos funktionierte. Fotoshop Elements lässt sich nicht installieren. Dazu ist die Wäsche gewaschen, der Geschirrspüler leergeräumt. Für meinen Geschmack nicht genug gearbeitet, um zufrieden zu sein. Nicht genug entspannt, um mich gut zu fühlen. Was tut man, um sich zu erholen?
Spazieren gehen.
Fernsehen.
Och nö!
Mit Freunden Zeit verbringen.
Ich hatte zwei schöne Telefonate mit Freunden.
Mir fehlt so etwas wie Erfüllung. Und vielleicht Leichtigkeit.
Also: Das hat nicht geklappt mit der Work-Life-Balance.

Ich bin unzufrieden, erschöpft und irgendwie deprimiert. Ich weiß nicht mal wieso.

So long.

Ysabelle

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