Hallo, Welt!
Gestern wurde ich auf eine Seite des Bayerischen Landesjugendamtes aufmerksam, deren Inhalt mich doch sehr betroffen gemacht hat. Glaubt man den Inhalten, steht die Gewaltfreie Kommunikation etwa auf einer Stufe mit Scientology. Ich zitiere hier mal einige Absätze, ohne sie zu kommentieren.
Versprechungen
<> Man verspricht mir Liebe und Verständnis, Reichtum, Glück, Erfolg, Gesundheit und Heilung, spirituelle Erfahrungen oder Erleuchtung, Errettung oder Erlösung, wenn ich mich der Gruppe anschließe oder bestimmte Kurse der Gruppe besuche.
<> Ich kann ein völlig neuer, besserer Mensch werden. Ich kann mit Hilfe der Gruppe alle meine Probleme und möglicherweise die der ganzen Welt lösen. Mein Leben wird sich vollständig ändern.
<> Man sagt mir, dass ich genau diese Gruppe brauche, um all die Dinge, die ich erreichen möchte, zu schaffen.
<> Die Gruppe bietet einfache Erklärungen für alle wichtigen Lebensbereiche und Probleme.
<> Obwohl ich das Gefühl habe, dass von der Gruppe eine unerklärliche Anziehungskraft ausgeht, bin ich mir sicher, dass ich alles selbst entscheiden kann.
Gruppenstruktur
<> Die Mitglieder/Mitarbeiter der Gruppe oder des Anbieters sind ausgesprochen nett zu mir, sie gehen auf mich ein, wie ich es mir schon immer von anderen Menschen gewünscht habe. Mindestens ein Mitglied der Gruppe ist immer in meiner Nähe.
<> Die Mitglieder der Gruppe halten stark zusammen und heben sich möglicherweise durch eine besondere Sprache, besondere Begriffe, die nur innerhalb der Gruppe so verwendet werden von anderen ab. Vielleicht erhalten die Mitglieder auch einen neuen Namen.
<> Die Gruppe fühlt sich als Elite, als Vorreiter einer neuen Epoche. Nur Gruppenmitglieder werden einer nahenden Bedrohung entkommen.
<> Kinder und Jugendliche haben in der Ideologie der Gruppe eine besondere Funktion.
<> Die Gruppeninteressen kommen vor den Interessen des Einzelnen. Ich muss viele Aufgaben für die Gruppe übernehmen, Kurse besuchen, Mitglieder werben, Bücher verkaufen usw. Private soziale Absicherung ist nicht wichtig.
<> Wenn der Gruppenführer es mir befiehlt, darf ich auch gesetzwidrige Taten begehen. Indem ich das mache zeige ich meine besondere Loyalität bzw. meine Glaubensstärke.
Methoden
<> Nur diese Gruppe bzw. dieser Anbieter hat angeblich die richtigen Methoden, mit denen ich weiterkomme. Sie sind rational oder mit herkömmlichen wissenschaftlichen Methoden nicht erklärbar.
<> Was innerhalb der Gruppe eigentlich passiert, kann man nicht erklären, sondern muss man selbst erleben. Deshalb soll ich am besten gleich mitkommen und mir ein eigenes Urteil bilden.
<> Auf dem Weg zur Erlösung oder der Beseitigung meiner Probleme werden mir sonderbare Dinge abverlangt. Geheimnisvolle religiöse oder psychologische Übungen werden benutzt, um besondere Bewusstseinszustände zu erreichen (Ekstase, Ergriffensein, Aufhebung des Selbstgefühls, ausgefallene spirituelle Erlebnisse).
<> Ich soll mein Leben so umstellen, dass ich möglichst viel Zeit in der Gruppe verbringe. Kontakte zu möglichen Kritikern, auch zu Familienangehörigen oder früheren Freunden soll ich abbrechen, sie stören mich auf meinem Weg.
<> Es gibt Regeln oder Rituale für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Beziehungen und Sexualität oder sogar für die gesamte Tagesgestaltung.
<> In Einzelgesprächen und bei Gruppenveranstaltungen merke ich, dass alle Gruppenmitglieder identische Ansichten über sämtliche Aspekte des Lebens haben. Da sogar der Wortlaut der Aussagen übereinstimmt, habe ich manchmal den Verdacht, es findet eine Art Indoktrination statt.
Zentrale Führungspersönlichkeit
<> In der Gruppe gibt es eine Führungspersönlichkeit, die durch besondere Erfahrungen, Eingebung, Erleuchtung oder geheimnisvolle Kräfte besonderes Wissen und Macht über die Welt und den Menschen hat. Aufgrund ihres besonderen Status sind Zweifel, Kritik oder ein Hinterfragen nicht gestattet.
Umgang mit Kritik
<> Wenn jemand sich negativ über die Gruppe äußert, werden dessen Argumente als Zeichen der Unwissenheit oder als feindliche Absicht interpretiert. An der Gruppierung gibt es nichts zu kritisieren.
<> Stellt sich der Erfolg nicht wie versprochen ein, liegt es an mir. Ich habe nicht alle Regeln befolgt, habe vielleicht gezweifelt oder mich zu wenig bemüht.
<> Wenn ich mich von der Gruppe lösen will, werde ich massiv unter Druck gesetzt oder auf subtile andere Art überzeugt, dass ich bleiben muss.
Haben Sie eine oder mehrere Aussagen angekreuzt ?
<> Ja
<> Nein
Bei Ja:
Bei der betreffenden Gruppe oder dem Anbieter ist Vorsicht geboten.
Erkundigen Sie sich bei Fachleuten über die Gruppe.
Bei Nein:
Die Gruppe, mit der Sie es zu tun haben, scheint unbedenklich zu sein. Sollten Sie weitere Fragen haben, erkundigen Sie sich bei Fachleuten.
(schnipp)
In diesem Tenor gibt es noch weitere Erläuterungen. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. In meinem Umfeld gibt es einzelne Menschen, die tatsächlich meinen, die Gewaltfreie Kommunikation habe etwas Sektiererisches. „Du bist ja mit der GfK verheiratet“, habe ich gehört. Oder auch: „Das ist was für Leute, die sich nicht klar ausdrücken können oder wollen, sonst bräuchten sie doch nicht immer alles zu wiederholen.“
Ok, wenn es denn eine Sekte ist, bin ich gern dabei.
Ich mag es, Verständnis, Wärme, Geborgenheit, Unterstützung und Wachstum im Zusammensein mit anderen zu erleben.
Es freut mich, dass die Gruppenmitglieder nett zu mir sind und auf mich eingehen. Die vier Schritte sind eine äußerst einfache Methode, die sogar Kinder und Jugendliche verstehen (einige Familienmitglieder von mir leider nicht, *grummel*)
Ich lerne gern eine neue Sprache, die nur innerhalb der Gruppe verstanden wird. Vielleicht kommt ja mal der Tag, an dem sich auch andere Menschen auf ihre Gefühle und Bedürfnisse besinnen.
Und Marshall Rosenberg nehme ich gern als Vorbild!
Der GfK-Trainer und Buchautor Kelly Bryson hat übrigens eine Anleitung für unsere Sekte geschrieben, die ich Euch an dieser Stelle nicht vorenthalten möchte:
aus dem Buch „Sei nicht nett, sei echt“ , S. 303
Es folgen einige Beispiele für Aktivitäten, durch die jener „Leim“ entsteht, der für den Aufbau einer Gemeinschaft erforderlich ist. Die Beispiele stammen aus der Zeitschrift Communities (www.ic.org)
1. Zeit für das Mitteilen persönlicher Erlebnisse
2. Zeit für die Lösung von Konflikten
3. Gemeinsame Mahlzeiten
4. Entscheidungsprozesse, an denen alle beteiligt sind
5. Kinder in der Gemeinschaft
6. Austausch über gemeinsame Wertvorstellungen, Visionen und Ziele
7. Ausdruck von Wertschätzung und Anerkennung
8. Singen, Tanzen, Musizieren
9. Feste und Rituale
10. Gruppenkuscheln
11. Theateraufführungen vorbereiten
12. Gemeinsame Arbeit an Projekten, die nicht nur der Gemeinschaft zugute kommen, sondern auch der Umwelt, der Stadt, dem Land oder der Welt.
So weit das Zitat aus dem Buch.
Genau das habe ich die nächsten Tage vor. Wer von Euch ist mit dabei?
So long!
Ysabelle