Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Alte Gespenster

Hallo, Welt!
Die Tage verstreichen und hier im Blog geschieht nichts. Das löst eine Kaskade unangenehmer Gefühle aus, an Bedürfnissen erkenne ich mit Leichtigkeit Sicherheit (für meine Leser, da kommt was) und Verbindung. Dahinter liegt sicher noch mehr, aber ich belasse es dabei. Wer mehr darüber wissen möchte, warum ich in den vergangenen Wochen nicht in Sachen Giraffenohren unterwegs war, findet Infos dazu hier.

Vorgestern hatte ich ein an sich banales Erlebnis, das mich noch immer schüttelt.
Morgens hatte eine Teilnehmerin unseres Projektes an meine Kollegin eine „Bitte“ gestellt. Meine Kollegin sagte sinngemäß, „ich habe dich gehört. Als nächstes spreche ich noch einmal mit Dozentin XY darüber, was sie dazu meint. Grundsätzlich denke ich, da gestern das und das passiert ist, ist das, was du gerade möchtest, nicht dran. Ich halte dich auf dem Laufenden.“

Ich war total entzückt von der Antwort. Ich habe für so etwas einfach keine Textbausteine.
Zwei Stunden später, ich erläuterte gerade an der Flipchart das Eisenhower-Prinzip, äußerte ein Teilnehmer seinen Unmut über die Inhalte des Unterrichts. Er wolle jetzt Bewerbungen schreiben. JETZT. Und deshalb würde er jetzt nach Hause gehen. Er kramte auf dem Tisch herum, suchte Unterlagen. „Wo ist meine Bewerbung?“. Ich wies darauf hin, dass er sie mir morgens gegeben hatte und sie in meinem Büro eingeschlossen hatte. „Geben Sie mir die jetzt raus?“ Der Ton war laut und in meinen Ohren scharf. Ich spürte, wie ich den Büroschlüssel aus der Hosentasche zog und erinnerte mich an die Szene morgens mit meiner Kollegin. Und ich merkte, nein, das passt so nicht für mich. Das Beste, was ich gerade noch rauskriegte, war, „ich habe hier acht Leute im Unterricht sitzen, dann muss das warten, bis wir hier Pause haben.“

Ungefähr 15 Minuten später war Pause. Der Teilnehmer, der zwischenzeitlich den Raum verlassen hatte, wartete vor der Tür. Er war noch immer sehr aufgebracht (gesehen gehört werden, Wertschätzung, to matter), er nahm seine Bewerbung und verschwand.
… Empathie wäre sicher eine coole Reaktion gewesen, aber ich hatte gerade keine. Ich war vollauf damit beschäftigt festzustellen, was in mir los war. Und das war eine ganze Menge.
Inzwischen habe ich herausgefunden, dass ich es hier mit einem uralten Muster/Glaubenssatz zu tun habe. Und über den bin ich schon häufiger im letzten Vierteljahr gestolpert. Er setzt sich vermutlich aus mehreren Kommandos zusammen und ich bin tiefenerschüttert zu erkennen, dass ich noch immer so unreflektiert alten Programmierungen folge.
Eine Programmierung lautet anscheinend: Tu was man dir sagt.
Und da sagt jemand, gib mir meine Bewerbung und mein erster Impuls ist, ich setze mich in Bewegung, um genau das zu tun. Da setzt kein Nachdenken ein, da ist keine Reflexion, will ich das? – Na ja, diesmal schon! Aber in meinem Alltag ist das oft nicht der Fall, und mit Sicherheit war das auch nicht der Fall, als ich versucht habe, mein Kind zu erziehen.
Die zweite Programmierung lautet: Was dein Gegenüber will, hat eine höhere Priorität als das, was du selbst willst.
Diese Erfahrung habe ich auf dem IIT in Birmingham gemacht. Jemand stellte eine Bitte und das, was ich gerade geplant hatte, verblasste, schien auf einmal nicht mehr wichtig.
Darüber scheint es ein Haupt-Kommando zu geben, das ich mit den Buchtitel von Alice Miller gut beschrieben finde: Du sollst nicht merken. Spür gar nicht erst, wie es dir geht. Mach einfach, was ich dir sage. Deine Meinung spielt sowieso keine Rolle.
Gerade gruselt es mich, denn ich finde diese Art von Umgang mit einem Menschen – und sei es – ich mit mir – erschreckend, beängstigend und frustrierend. Die Botschaft ist, der andere sagt, wo es lang geht. Der andere ist wichtiger als ich. Was ich will, tut nichts zur Sache. Deins ist, was du siehst, wenn du die Augen zu machst. Nichts. Und es gibt kein Aufbegehren, nicht einmal eine bewusste Unterwerfung. Ich funktioniere einfach auf diese Weise. Da kommt ein Impuls von außen und ich setze mich wie ferngesteuert in Bewegung.
Herausforderung für die kommenden Wochen soll daher sein, meine Selbstverbindung zu stärken. Wie geht es mir, wenn ich etwas höre? Was löst es in mir aus? Ich möchte mich beobachten ohne mich zu bewerten.

Ach ja… und am Montag ist der 1. Dezember. Wie es schon gute Tradition ist, will ich den Dezember wieder zum Dankbarkeitsmonat erklären und versuchen, möglichst häufig hier zu beschreiben, wofür ich gerade dankbar bin.

In diesem Augenblick bin ich dafür dankbar, dass es bei mir zu Hause gemütlich warm ist. Ich konnte eben beim Einkaufen meinen Korb voll packen, ohne Angst zu haben, dass das Geld nicht reicht. Ich bin dankbar für meine Fortschritte in der GFK, denn eine Begegnung im Supermarkt konnte ich voller Wertschätzung feiern, obwohl ich vorher noch einen Wolf am Start hatte. Ich bin dankbar für die Unterstützung, die ich in den vergangenen Wochen erfahren habe. Ich habe ein gutes Leben!

So long!

Ysabelle

Der Sieg der gelben Hose

Hallo, Welt!
Was für ein Tag! Vor ein paar Wochen habe ich eine Bewerbung abgegeben, die mich wieder in die Nähe meines alten Berufes rückt. Ach, wie verlockend… eine unbefristete Stelle! Mittlerweile überwiegen die Kröten in diesem Job und ich hoffe, man sagt mir ab (denn dann muss ich nicht absagen, denn das macht mir Angst…). Heute nun hättet Ihr mich mal wirbeln sehen können! Ich habe ein neues Projekt angeschoben, das die deutschsprachige GFK-Welt noch nicht gesehen hat. Und es wird auf dem Trainertreffen in Düsseldorf in nur drei Wochen Premiere haben. Oh Mann, da hab ich mir was ausgedacht. Es ist im wahrsten Sinne ein Sieg der gelben Hosen: Gelbe Hose Diesem preiswerten Angebot konnte ich dann nach meinem letzten Blogbeitrag nicht widerstehen. Heute war es in der Post und hängt nun gewaschen auf der Leine. Zugehörigkeit, Beitragen, Gesehen werden – mein neues Projekt schießt mich mitten in die GFK-Gemeinschaft und ich freu mich wie Bolle. Und auf einmal fühlte ich mich wie energetisiert. Kraft, Begeisterung, Kompetenz, Leichtigkeit – ich war in meinem Metier. Ein unglaublich schönes Gefühl. Aber um das zu spüren, muss ich keinen festen Job annehmen. Da gab es doch mal ein Buch „Dein Job ist es frei zu sein“, über Management und Zen. Vielleicht sollte ich das erst mal lesen…

So long!

Ysabelle

Feedback und gelbe Hosen

Hallo, Welt!
Eine TrainerfreundinKollegin bat mich vor einiger Zeit um ein Feedback für ihre Zertifizierung. Gerade eben habe ich es zu Ende geschrieben und ihr zugeschickt. Und dann habe ich noch mal in den Feedbacks gestöbert, die ich für meine Zertifizierung eingesammelt habe. Das ist nun kaum 18 Monate her, und gleichzeitig habe ich den Eindruck, ich hätte mich seither noch mehr weiter entwickelt.
Mein Rauswurf bei diesem namhaften Medienhaus erweist sich mehr und mehr als Glücksfall. 2012 habe ich mich noch sehr über meine Funktion definiert. Ich bin stellvertretende Chefredakteurin und trage Woche für Woche dazu bei, 1,5 Millionen Hefte auf den Markt zu bringen… Beim Trainertreffen in Niederkaufungen habe ich ganz deutlich gespürt, dass das für mich nur noch als Teil meiner Vergangenheit eine Rolle spielt. Dort bin ich einigen Kolleginnen näher gekommen, die lustigerweise und ohne Verabredung alle gelbe Hosen tragen. Seither durchstöbere ich das Internet auf der Suche nach einer gelben Hose Gelbe Hose und bin sehr stolz auf mich, dass ich den diversen Kaufimpulsen noch nicht nachgegeben habe. Eine gelbe Hose als Ausdruck meiner Zugehörigkeit…

In Niederkaufungen ging es in wechselnden Prozessen darum, wie wir uns als Trainergemeinschaft organisieren wollen. Unter diesem Link findet Ihr einen wunderbaren Überblick über diese Tage, verfasst von Andrea Wiedel. Ehrlich gesagt habe ich erst beim Lesen kapiert, was wir da drei Tage lang gemacht haben… Ein selbstorganisierter Prozess zur Selbstorganisation02
Ein Feedback der besonderen Art habe ich gestern von den Teilnehmern dieser Maßnahme erhalten, in der ich drei Tage pro Woche GFK-Inhalte verstreue. „Danke für alles“ stand auf einem Bild, das die jungen Männer und Frauen gemeinsam gestaltet haben. Ein rahmenloser Bildhalter, viel Herbstlaub und die Unterschriften aller, die am diesem Tag gekommen waren. Wohlbemerkt, das Projekt läuft erst sechs Wochen, wir sind nicht etwa am Ende, sondern nicht einmal mittendrin! Ich hatte echt Tränen in den Augen!

Ja… die Feedbacks für meine Zertifizierung… und jetzt habe ich selbst schon drei Feedbacks für andere geschrieben… es ist spannend noch einmal nachzulesen, wie mich meine Kolleginnen und Kollegen vor zwei Jahren eingeschätzt haben. Und noch spannender ist es, wie ich darauf reagiert habe. Meine Güte, was für mittelprächtige Dramen waren damit verbunden… Und heute bin ich voller Freude und Gelassenheit. Na, jedenfalls meist! Und wenn mich etwas aus der Bahn wirft, finde ich schneller als früher zurück in ruhiges Fahrwasser. Ist das nicht wunderbar?

So long!

Ysabelle

Entweder, oder. Oder?

Hallo, Welt!
Ich bin noch immer ganz benebelt von einem Erlebnis am Freitagabend. Wir hatten Seminar, aber aus verschiedenen Gründen sind nur sehr wenige Teilnehmer vor Ort gewesen. Unser Vorschlag, deshalb sehr konzentriert nur 1,5 Tage in der Kleingruppe zu arbeiten, stieß auf ein gemischtes Echo. Letzten Endes haben sich die Teilnehmer dafür entschieden, das Seminar zu verschieben und auf die anderen Teilnehmer, die zu diesem Block verhindert waren, zu warten.
Wir hatten zu Beginn des Seminars ein paar Punkte an der Tafel gesammelt. Warum interessieren sich Menschen für die Gewaltfreie Kommunikation? Was bringt ihnen das?
Whiteboard 2014_10_17
Was in der Diskussion über unsere Vorgehensweise fürs Wochenende immer wieder deutlich wurde: Es ging um Schutz. „Dann stehe ich als einzelner ja so im Mittelpunkt…“ „Dann bin ich ja ständig dran…“ Ich merkte, wie meine Stimmung immer weiter in den Keller ging. Dabei ging es mir nicht darum, dass Seminar auf jeden Fall durchzuziehen. Ganz und gar nicht, denn die vergangenen Wochen waren extrem anstrengend und ich freue mich, dann heute zu meiner Mutter fahren zu können. Nein, was mich schmerzt ist etwas Anderes.

Einer der Punkte auf der Liste war: Ausstieg aus dem Entweder – Oder. GFK eröffnet mir neue Möglichkeiten. Die ganze Palette der Grautöne statt nur schwarz-weiß. Hier eine Auswahl an Farben von meinem Lieblings-Farbberater Loriot:
http://www.youtube.com/watch?v=ckIrhRKwgCg
In der Seminarsituation landeten wir nun in einer Sackgasse. Entweder ausfallen lassen oder Überforderung. Ich war – und bin – noch immer fassungslos. Es gibt gute Gründe dafür, in der größeren Gruppe arbeiten zu wollen, und mit diesem Anliegen kann ich mich zutiefst verbinden. Aber zu glauben, ich würde in der Kleingruppe überfordert, es gebe keinen Schutz für mich, meine Grenzen würden nicht gewahrt – das schüttelt mich schon sehr. Und ich nehme es als Zeichen, dass wir eben nicht gewohnt sind, für uns selbst Sorge zu tragen AUSSER indem wir aus einer Situation herausgehen. Entweder – oder. Wir haben kein Vertrauen darauf, dass unsere Bedürfnisse ernst genommen werden, dass wir nach unseren Bedürfnissen leben dürfen. Und ich glaube, dass wir auch unsicher sind, in herausfordernden Situationen mit unseren eigenen Bedürfnissen verbunden bleiben zu können und uns für sie einzusetzen. Dann denken wir, andere überrollen uns. Wir seien machtlos. Und der Ausweg, den wir kennen, heißt Rückzug.
Ich spüre eine große Traurigkeit, wenn ich mich mit der Situation am Freitag verbinde. Wo ist unsere Fähigkeit, gut für uns zu sorgen? Jenseits von Entweder, oder. Wo, wenn nicht in dem geschützten Rahmen eines GFK-Seminars, kann ich denn üben, mit mir selbst in Verbindung zu sein und nach Strategien zu suchen, die mich rausnehmen aus dieser Zwei-Wege-Technik? Wenn ich es hier nicht probieren mag, weil ich kein Vertrauen habe, dass ich gut für mich sorgen kann – ja wo denn dann?
Ich betrauere eine verpasste Chance zum Lernen und Wachsen. Und ich möchte feiern, dass ich an dieser Stelle in den vergangenen Jahren gewachsen bin. Vorige Woche war ich in Niederkaufungen zum Trainertreffen. Und in einer herausfordernden Situation bin ich für mich und für mein Thema eingetreten, im Vertrauen darauf, dass die Bedürfnisse eines jeden einzelnen zählen. Das Echo war in einer Weise, wie ich es in einer Veranstaltung von GFK-Trainern nicht erwartet hätte. Und trotzdem bin ich zufrieden damit, für mich eingestanden zu sein. Das wäre vor einigen Jahren noch nicht in dieser Weise möglich gewesen. Vielleicht ist es mir deshalb so wichtig, dass auch andere Menschen eine Chance haben, sich selbst auszuprobieren und zu trainieren, wie sie mit ihren Bedürfnissen verbunden sein können… Vorausgesetzt, sie haben das Vertrauen, dass ihre Bedürfnisse zählen. Und das Vertrauen gab es vielleicht am Freitag noch nicht.

So long!

Ysabelle

Happy Birthday, Marshall Rosenberg!

Hallo, Welt!

Heute feiert Marshall Rosenberg seinen 80. Geburtstag. Für mich gehört er in eine Reihe mit Martin Luther King, Mahatma Gandhi und Nelson Mandela. Freitag gibt das Nobelpreis-Komitee bekannt, wer 2014 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wird, und ich hoffe wie schon seit einem halben Dutzend Jahren, dass es Marshall ist. Denn der Nobelpreis kann nur an lebende Leute verliehen werden und wir alle wissen nicht, wie viel Zeit ihm noch bleibt.

Um sein Leben zu feiern, habe ich bei Youtube gestöbert und dieses Video gefunden, in dem Marshall erläutert, wie wir in der Gewaltfreien Kommunikation Dankbarkeit ausdrücken. Nicht Lob oder Komplimente, sondern Dankbarkeit.
http://www.youtube.com/watch?v=NOfjD05QLGM

Und dabei schaue ich zurück auf die Zeit seit 2006, als ich das erste Mal mit Gewaltfreier Kommunikation in Verbindung gekommen bin. Was hat sich alles seither verändert!

Heute hatte ich ein Vorstellungsgespräch, und ich konnte anschließend mit viel Selbstliebe auf meine „Hänger“ gucken. Dies hätte ich besser formulieren können und auf jene Frage war ich nicht vorbereitet… Na und! Ich habe es so gut gemacht wie ich konnte.
Danke, Marshall!

Ich begleite meine Mutter, die durch ihren letzten Herbst geht. Nie war unser Verhältnis so auf Augenhöhe, so aufrichtig und offen. Danke, Marshall!

Ich arbeite in einem Projekt mit Menschen, die nichts zu verlieren haben und sich oft dementsprechend verhalten. Ich muss ihre Kritik oder ihr Verhalten nicht mehr auf mich beziehen, sondern kann sehen, dass sie eine Vielzahl unerfüllter Bedürfnisse haben. Meine Integrität wird dadurch überhaupt nicht angetastet. Danke, Marshall!

Neulich hatte ich eine Situation mit einem Bekannten, über die ich mich sehr geärgert habe. Als wir das nächste Mal wieder Kontakt hatten, konnte ich meine Beobachtung und meine Gefühle schildern und schwups – wir hatten wieder Verbindung. Mein Groll war wie weggeblasen. Danke, Marshall!

Ich bin so unendlich dankbar, dass ich heute in vielen Situationen merke, welche Bedürfnisse bei mir gerade tangiert sind, ob erfüllt oder unerfüllt. So habe ich die Möglichkeit, mich um mich zu kümmern, für mich – und gegebenenfalls den anderen – Sorge zu tragen. Ich bin glücklich! Danke, Marshall!

Und dann sind da die Freundschaften und neuen Bindungen, die in diesen Jahren entstanden sind. Danke an Gabriel, Bieke, Anja, Sonja, Friederike, Markus, Michael, Jürgen, Matthias und alle anderen! Mittwoch fahre ich zum Trainertreffen nach Niederkaufungen. Bis heute Abend dachte ich, ich habe kein Bett für die Zeit von Freitag bis Sonntag. Heute Abend rief eine hoch geschätzte Trainer-Kollegin an und bot mir eine Schlafgelegenheit in ihrer Unterkunft an. Hurra! Ich bin so froh! Danke, Marshall!

Die GFK hat mein Leben komplett umgekrempelt. Und ich bin dankbar dafür. Nobelpreis für Marshall. Bitte. (Keine Forderung)

So long!

Ysabelle

Update

Hallo, Welt!
Heute ist Feiertag. Im Kalender steht: Tag der deutschen Einheit. Die vergangenen drei Wochen habe ich mit arbeitslosen Jugendlichen verbracht. Nicht mal in dieser kleinen Gruppe gibt es so etwas wie „Einheit“ im Sinne von Eintracht. Ich versuche so viel GFK wie möglich in sie zu trichtern. Es ist erstaunlich, wie schnell sie das Konzept verstehen. Aber anwenden…?
Vor zehn Tagen hat jeder von ihnen eine laminierte „Spielkarte“ mit dem Wort „Respekt“ bekommen. Eigentlich soll sie dazu dienen, dass der einzelne nonverbal aufzeigen kann, was er gerade braucht. Einer der Teilnehmer hat fünf vor sich liegen und wenn er genervt ist oder sich wehren will, hält er alle fünf hoch. Ein anderer Teilnehmer nimmt die Karten und flitscht damit, als wären es Steine an einem See. Ein weiterer Teilnehmer, dessen Pupillen oft so klein sind wie Stecknadeln, und der sich ständig kratzt, verblüfft mich mit dem Zuruf von Bedürfnissen: „In Einklang sein“ oder „Intimität“. Er weiß auch, dass Goa nicht nur der Name einer Party ist, sondern auch eine Region in Indien. Er weist darauf hin, dass Konkurrenz doch mit „k“ geschrieben wird und nicht wie „Kongruenz“, und schwups, sind wir mitten drin in einer Diskussion über das, was jemand sagt und das, was er tut…
Ich hatte gehofft, mit den Jugendlichen die Fragebögen durchzugehen, die ich für den Vortrag über Vorurteile erarbeitet hatte. Keine Chance. Aber wir sprechen über Schubladen. „So“ sind Waldorf-Schüler, und „so“ sind Hauptschüler. Und ein Teilnehmer, erst 16 Jahre alt und bereits Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten wohl bekannt, sagt: „Meine Schubladen lasse ich mir nicht nehmen, die sind zu meinem Schutz!“ Wenn das mal nicht eine sensationelle Anwendung des Gedankens von Bedürfnissen und Strategien ist…

Ich bin so sicher, dass diese jungen Menschen GFK brauchen. Genau wie Liebe und Vertrauen. Sie brauchen auch Regeln/Struktur und Transparenz. Gestern haben wir 50 Minuten darüber diskutiert, wie in der kommenden Woche die Arbeitszeiten gelegt werden sollen. Auf mittlere Sicht müssen die Teilnehmer 30 Wochenstunden absolvieren. Zwei plädierten für 8.00 Uhr, zwei für 8.15 Uhr, zwei für 8,30 Uhr und drei für 9.00 Uhr wie gehabt. Und nun? Kurz dachte ich ans systemische Konsensieren, aber ich habe noch nicht genug von dem Konzept verstanden, um es in die Klasse zu bringen. Dann dachte ich, ich halte das einfach mal aus, was da gerade passiert oder auch nicht passiert. Und siehe da: Jetzt gibt es drei Tage, an denen wir früh anfangen (mal sehen, ob die Teilnehmer auch früh kommen) und zwei Tage, an denen wir spät anfangen, zum Beispiel Montag. Dafür ist der Freitag kurz. Da alle (Anwesenden) an dieser Entscheidung beteiligt waren, hoffe ich auf Tragfähigkeit.
Ich genieße die Zusammenarbeit mit einer Kollegin. Sie ist Erzieherin und hat vorher eine Wohngruppe geleitet. Wunderbar, wie sie mit den jungen Menschen umgeht, Grenzen aufzeigt. Wir haben gegenseitig sehr viel Wertschätzung und Respekt füreinander und ich genieße die Art, wie sie sich einbringt. Von ihr kann ich lernen, was ich als Mutter nicht wusste. Zu keinem Zeitpunkt ist ihre Integrität in Gefahr, die Jugendlichen können ihren Kern nicht erschüttern. Eine andere Kollegin sagt ganz offen, dass sie sich nicht traut, in dieser Klasse frontal zu unterrichten… Alle Anwürfe und „Nein“, alle Ablenkungen und Papierflieger, Rausgehen, Privatunterhaltungen ziehen Kapital von ihrem Selbstwertkonto ab. Ich kann es sehen, ich spüre Mitgefühl und gleichzeitig eine innere Dankbarkeit, die mich in Tränen bringt. So ging es mir auch einmal, so war ich auch unterwegs… bis ich die GFK kennen lernte…

So long!

Ysabelle

Mein Konto auf der Zeitsparkasse

Hallo, Welt!
So viele verpasste Gelegenheiten! Beinahe täglich blitzt es in meinem Hirn, „das wäre doch etwas für einen Blog-Beitrag“, und ich schaffe es nicht, dafür die Zeit freizuschlagen. Dabei dämmert mir heute Morgen, dass dahinter ein Riesenthema steckt.
Aktuell auf meinem Schreibtisch sind
• die Abrechnung des IIT (Scham… noch immer nicht fertig)
• die Vorbereitung eines Vortrags, den ich am Dienstag mit zwei weiteren Menschen halte (genervt)
• der Antrag auf 500 Euro Zuschuss zu meinen Heizungskosten (genervt)
• ein Brief an die Krankenkasse meiner Mutter. Die wollen die Fahrtkosten ins Krankenhaus nicht übernehmen (empört)
• einen Brief an meine Hypothekenbank, die erst mal Bearbeitungsgebühren kassiert, bevor sie anfängt zu arbeiten (empört)
• die Suche nach Druckdaten. Meine Grafikdesignerin ist verschwunden und ich steh mit allem allein da (enttäuscht, im Schmerz)
• Wartungsarbeiten im Shop
• Unterrichtsvorbereitung für Dienstag (frustriert, mutlos)
• Hausarbeit – Katzenfutter kocht schon (lustlos)
• Bügelwäsche (irritiert. Wo kommt dieser Berg her? Zum Glück bügele ich gern, nur wann?)
• Ablage. All überall um mich rum liegt Papier (hilflos/orientierungslos)
• unbeantwortete oder zu erledigende Mails (schweres Herz)
• Vorbereitung Trainertreffen Niederkaufungen (leises angenehmes Prickeln)
• Drucksache in Auftrag geben (unsicher, besorgt)

Nun gibt es ja haufenweise Strategien, um damit umzugehen. Eine meiner am häufigsten angewandten Strategien ist „noch ein Spielchen Solitär“. Das kann ich spielen, bis ich völlig verblödet einschlafe.
Eine weitere Strategie ist, irgendwo anzufangen und mich langsam vorzuarbeiten.
Eine weitere Strategie könnte sein, eine Prioritätenliste zu erstellen und dann oben anzufangen. Huch!
Und eine Strategie heißt „liegen lassen“, keine Lebensgefahr.
Letzteres geht gar nicht.
Innerlich gibt es so einen Druck – den ich aber nicht immer spüre/wahrnehme – dass die bewusste Entscheidung, Sachen liegen zu lassen, nicht möglich zu sein scheint. Eben hatte ich den aktuellen Morgenanruf bei meiner Mutter und sie sagte: „Kind, das Wetter wird heute noch mal schön. Wie wäre es, wenn du auf den Golfplatz fährst?“ Ich bin in Tränen ausgebrochen, weil mein innerer Richter einen Besuch auf dem Golfplatz davon abhängig macht, dass „der Schreibtisch blank ist“ oder ähnlichen Wahnsinn. Und wenn ich dann zu leer, erschöpft, mutlos oder müde bin, spiel ich halt ne Runde Solitär… Nur ein Viertelstündchen…

Mein Wolf kommentiert
• unzuverlässig
• taugst nichts
• keine Disziplin
• keine Struktur
• aus dir wird nie was
• Versager
• Faulpelz

IST DAS WIRKLICH WAHR?
Natürlich nicht.
Ich glaube, so richtig aus 2014 stammt nichts davon. Die letzten „richtig“ freien Tage hatte ich auf dem IIT in Birmingham, was ja nun auch fast zwei (!) Monate zurück liegt. Und wer von Euch schon mal auf einem IIT war, weiß, dass das auch als Teilnehmer kein Erholungsurlaub ist. Seither geht es Schlag auf Schlag. Der Gesundheitszustand meiner Mutter hat sich dramatisch verschlechtert. Ich versuche so viel Zeit wie möglich mit ihr zu verbringen. Die neue Seminarsaison hat angefangen. Ich habe einen neuen Job angenommen, in dem es noch keine Regelmäßigkeit gibt. Dazu verlasse ich aktuell um acht das Haus und bin gegen 16 Uhr wieder hier. Übungsgruppe, Lernmittelshop, Haushalt, meine Mutter, ich fahre eine 16-spännige Kutsche gerade… Und es gibt viele Stunden, in denen ich mich wirklich einsam fühle. Die Unsicherheit in Bezug auf meine Mutter (nicht die Angst, dass sie stirbt, das tun wir alle irgendwann… aber der Weg da hin… sie möchte so gern in ihrer Wohnung bleiben und gleichzeitig gibt es Faktoren, die dagegen sprechen), der finanzielle Druck (der neue Job bringt nur ein Taschengeld ein), und all der andere Kram, der mich am Drehen hält… wer rastet, rostet…

Für heute brauche ich einen Plan.
Als nächstes werde ich drei Briefe schreiben: Krankenkasse meiner Mutter, Haufe Sachbücher und Hypobank. Dann versuche ich eine Druckereibestellung zu starten und mache ich die Katzenklos. Danach geht es an die Bügelwäsche. Die werde ich heute nicht komplett abarbeiten können, aber vielleicht die Hälfte. Und dann fahre ich Golf spielen. Bis 19 Uhr. Und heute Abend … werde ich so erschöpft sein, dass ich nichts mehr für den Vortrag vorbereiten kann… uiuiuiui…. ob ich das hinkriege? Nichts mehr tun? Entscheiden, dass fünf Stunden Arbeit an einem Sonntag genug sind? Wir werden sehen.

So long!
Ysabelle

Icebucket-Challenge: Vulnerability

Hallo, Welt!
Google Translator übersetzt Vulnerability mit

noun

Verletzlichkeit
Verwundbarkeit
Verletzbarkeit
Ungeschütztheit

und bietet als zugehörig exposure an, Belichtung, Enthüllung, Entblößung.
Heute Morgen habe ich etwas Wichtiges über Vulnerability gelernt. Wenn ich grundsätzlich glaube, dass ich in Ordnung bin und Liebe und Zugehörigkeit mein Geburtsrecht sind, kann ich mich verletzlich machen, obwohl es so furchterregend und ungewohnt ist. Fear the fear and do it anyway – spüre die Angst und mache es trotzdem.
Wenn ich hingegen insgeheim glaube, dass etwas grundsätzlich mit mir nicht stimmt, dann zweifele ich daran, liebenswert zu sein und kann mich nicht verletzlich machen. Es tut so weh!
Verletzlich sein, sich verletzlich zeigen hat auch etwas mit Authentizität zu tun. Robert Gonzales spricht viel über Vulnerability, aber richtig verstanden habe ich das Konzept erst durch einen TED-Vortrag von Brene Brown, den man auf Deutsch nachlesen kann. Darin führt sie aus:

Beschämung lässt sich recht einfach als Angst vor Abgetrenntheit verstehen. Gibt es irgendwas an mir, das, falls andere Leute davon wissen oder es sehen, dass ich nicht der Verbindung würdig bin. Was ich Ihnen dazu sagen kann: sie ist universal; wir alle haben sie. Die einzigen Menschen, die Beschämung nicht erfahren, haben selbst keine Kapazität für zwischenmenschliche Empathie oder Verbindung. Niemand möchte darüber reden, und je weniger man darüber redet, umso mehr hat man sie. Was diese Beschämung untermauerte, dieses „Ich bin nicht gut genug,“ — dieses Gefühl, welches wir alle kennen, „Ich bin nicht klar genug. Ich bin nicht dünn genug, nicht reicht genug, nicht schön genug, nicht schlau genug, habe nicht genug Karriere gemacht.“ Die Sache, die das untermauerte, war qualvolle Verletzlichkeit, diese Vorstellung, dass, damit Verbindung stattfindet, wir uns erlauben müssen, gesehen zu werden, wirklich gesehen.

Ich kann Euch diesen Vortrag wirklich ans Herz legen. Mir war vorher gar nicht bewusst, dass die TED-Vorträge auch auf Deutsch zur Verfügung stehen und hatte bisher meine Verständnislücken einfach akzeptiert…
Wann also zeige ich mich verletzlich? Als ich dieses Gespräch mit der amerikanischen Kollegin hatte, von dem ich gestern schrieb. Ich erinnere mich an eine Situation beim IIT in Birmingham, als meine Trainerkolleginnen Vicky Pears, Penny Vine, Vajrasara Rankin und Sabine Mariss mich (aus-)hielten, als mich der Satz „Dutyful is beautyful“ (pflichtbewusst ist wunderschön) komplett aus der Bahn warf. Die Tränen am Bett meiner Mutter, als wir dachten, sie überlebt eine Lungenentzündung nicht. Wenn ich mich für Verletzlichkeit entscheide, lege ich meine Panzerplatten des Intellekts beiseite. Ich höre auf zu urteilen und einzuordnen, zu messen und zu bewerten. Ich zeige mich authentisch mit meinen Ängsten und Sehnsüchten. Und ich bin geborgen in dem Wissen, dass ich liebenswert bin. Auch wenn du mich ablehnst, mein Verhalten doof, meine Reaktion unangemessen und meine Erwartungen unrealistisch sind: Ich bin ok. Und ich bin bereit, mich verletzlich zu machen. Das ist mein persönlicher Icebucket-Challenge.

So long
Ysabelle

Pass auf, was du dir wünschst…

Hallo, Welt!
Heute möchte ich Euch eine unglaubliche Geschichte erzählen. Ich bin selber noch völlig durcheinander.
Vor ein paar Monaten habe ich beim CNVC nachgefragt, ob es noch irgendwo Giraffenohren zu kaufen gebe und wenn ja, wo. Ich bekam die Info, die entsprechende Person wäre in Rente und es gäbe keine mehr. Daraufhin habe ich angefragt, ob ich eventuell welche machen könnte und die in meinem Shop verkaufen. Nach einigem Hin und Her kam schließlich die Nachricht, ja, das sei ok, solange ich klarstellen würde, dass ich nicht namens des CNVC verkaufe.
Eine unglaublich geschickte Bekannte hat daraufhin Giraffen- und Wolfsohren gebaut, die ziemlich genau so aussahen wie das Original vom CNVC. Giraffenohren Drei Sets sind davon inzwischen verkauft. Gestern nun bekam ich über die Kontakt-Funktion des Shops eine Nachricht von der Erfinderin der Ohren. Sie hat vor 30 Jahren angefangen, GFK bei Marshall zu lernen und ist wahrscheinlich schon 20 Jahre zertifizierte Trainerin, und das merkt man auch mit jedem Atemzug. Hier ein Auszug aus der Nachricht:

I would like to hear from you if you are willing
a) if you are hearing my sadness from my heart to yours or if you are hearing blame or criticism? Can you put on the giraffe ears and let me know in what way you can hear this as my deep mourning for honor and respect of creativity? or if not, what need in you is preventing you from offering this connection with me? and if ytou might be needing some empathy too?
b) If you are willing , because maybe it is a difference in cultural ethics, can you give me a brief story regarding how you came to accept these ears to sell, if you knew they were copies of my product with no permission granted?

Für diejenigen unter Euch, denen Englisch nicht so leicht fällt: Sie fragt, ob ich ihre Traurigkeit wahrnehmen kann oder ob ich Schuldzuweisungen und Kritik höre? Ob ich mit Giraffenohren ihre Bedürfnisse und ihre Trauer hören kann oder was mich davon abhält. Und ob ich bereit bin kurz zu erzählen, wie es dazu kam, dass ich die Ohren verkaufe…
ich habe umgehend geantwortet und eine sehr zauberhafte Reaktion bekommen. Wir haben uns dann gestern Abend im Skype getroffen und eine einvernehmliche Lösung gefunden. Dazu gab es ein Angebot, in einer kostenlosesn Session auf einen Kummer von mir zu gucken. Ich war komplett überwältigt.
Heute gingen noch einmal zwei Mails hin und her und eben bekam ich ein sehr überraschendes Angebot via Skype. Die Erfinderin der Ohren wird aus Frankreich, wo sie sich aktuell aufhält, zu mir nach Hause kommen, „mit einem Koffer voller Ideen“, und dann wollen wir sehen, was wir gemeinsam auf die Beine stellen können.
Ich war so berührt, ich habe einfach nur weinend vor diesem Monitor gesessen.
Gestern noch hatte ich ein wunderbares Telefonat mit einer GFK-Freundin aus Hamburg, die ich sehr lieb habe. Und in diesem Gespräch sagte ich ihr, wie einsam ich mich fühle und dass all diese Dinge rund um den Shop – und gerade mit Hinblick auf den erwarteten Ärger wegen der Ohren – mich an manchen Tagen bedrücken und ich mir Unterstützung und Rat wünsche. Verdammt, ich habe noch nie einen Internet-Shop gehabt. Mein Unternehmensberater hat gerade einen Haufen Zahlen nach mir geworfen, wie sich der Umsatz entwickeln „muss“. Ich bin echt auf Glatteis unterwegs mit all diesen rechtlichen Anforderungen, Widerrruf, divergierende Portoangaben, Macken in der Software, Entscheidungen für Ware, die anschließend nicht gekauft wird… und ich nehme mich mit all dem sehr allein wahr. und dann sitzt da in Frankreich diese Frau vor ihrem Laptop und wiederholt mit einer Sanftmut und Zartheit, was sie von mir gehört hat, und macht – ohne dass wir über Einsamkeit oder ähnlichen Kram gesprochen haben, plötzlich den Vorschlag, mal mit ein paar Kooperationsideen vorbeizuschneien…

Ich bin berührt. Ehrlich, nie wieder möchte ich Konflikte austragen mit Leuten, die keine Giraffenherzen haben. Wir konnten mit so viel Leichtigkeit eine Lösung finden, die für uns beide passt. Die Verbindung war so einfach hergestellt. Nicht eine Sekunde hatte ich den Eindruck, dass sie mich als Feind oder Gegner sieht. Zu jedem Augenblick fühlte ich Respekt und Wertschätzung für mich… Ach, das tut einfach gut.

So long!
Ysabelle

Und immer sagen wir bitte oder danke…

Hallo, Welt!
Beim IIT in Birmingham habe ich das erste Mal von Vilma Costetti gehört. Sie war die einzige zertifizierte GFK-Trainerin Italiens und ist vor einiger Zeit gestorben. Ich vermute, Vilma war für Italien das, was in Deutschland für viele Menschen Nada Ignjatovic Savic war, die ja in Steyerberg gewirkt hat. Und sie ist die Autorin von GFK-Kinderbüchern. Zwei davon habe ich jetzt antiquarisch ergattert. In einem davon ist Oskar am Strand. In diesem geht es um Gefühle und Bedürfnisse…

Kinderbuch von Vilma Costetti

Kinderbuch von Vilma Costetti

Ich hatte zunächst ein leises Gruseln, als ich das Buch aus dem Umschlag pflückte. In mir wurden Erinnerungen an Kindertage wach. Meine Großmutter hat mich stets angehalten, bitte und danke zu sagen, und nicht immer war das für mich innerlich stimmig. Ich dachte also mehr an Dressur als an das, was Marshall mit dieser Aussage erreichen wollte:
Im Vorwort zum Buch „… und immer sagen wir „bitte“ oder „danke“ erläutert Klaus-Dieter Gens den Titel und schreibt:

… erinnerte ich mich sofort an ein Seminar, in dem es um einen Notfallkoffer für Kommunikation ging. Obenauf in diesem Koffer lag ein Schild mit der Frage: „hat er/sie nun bitte oder danke gesagt?“ Hinter allem, was Menschen sagen, also bei Vorwürfen, Angriffen, Beschuldigungen oder Urteilen hören wir nicht auf den Inhalt der Worte, sondern auf die Botschaft dahinter: „Bitte tu etwas für mich!“ Oder wir hören einen Dank. „Wäre doch nicht nötig gewesen…“

Stimmt, das habe ich irgendwann mal gelernt. Und dann ist es mir wieder aus dem aktiven Gedächtnis entfallen. Schade eigentlich. Vielleicht sollte ich mir eine kleine Visitenkarte kreieren, bei der auf der Vorderseite Bitte und auf der Rückseite Danke steht… Und wenn ich dann eine Botschaft bekomme, die ich schwer hören kann, erinnere ich mich daran, dass mein Gegenüber eine Bitte ausgesprochen hat… Was für eine Herausforderung!

So long!
Ysabelle

Drehohren!

Hallo, Welt!
Gerade habe ich die Spam-Antworten 6799 bis 6997 weggeschmissen. Wieder soll ich Burberry-Taschen oder Nike-Schuhe kaufen oder finde die besten Pornoseiten, wenn ich sie dann suche. *Grummel*
In diesen Tagen sind meine GFK-Fähigkeiten wieder einmal auf dem Prüfstand gewesen. Heute kann ich mir selbst mit Mitgefühl begegnen. Auslöser war die Produktion einer Broschüre.

Endlich, endlich habe ich dieses Ding fertig gehabt und Montagmorgen ging sie vor neun in die Druckerei. Seit Januar hatte diese Idee in mir gegart. Es kam eine Nachricht, dass der Auftrag angekommen ist, und vier Tage freute ich mich auf dieses neue Produkt. Donnerstag dann dachte ich bei mir, hm, jetzt müsste doch allmählich mal eine Nachricht von der Druckerei kommen, dass sie die Broschüre versenden… Ich wollte sie unbedingt für einen Workshop am Samstag haben. Zum Checken habe ich dann mal meine Mails sortiert und entdeckte eine Nachricht von Montag, 10.23 Uhr oder so. Darin schrieb die Druckerei, die Druckdatenüberprüfung habe ergeben, dass sich das Produkt so nicht herstellen ließe.

Boah….
Ysabelle-Bashing. Wieso hast du diese Mail nicht gesehen? Wie kann man nur so blöd sein? Jetzt hast du keine Broschüre für übermorgen… Verpennt! Unaufmerksam! Nachlässig! Dann kam die Wende, im wahrsten Sinne des Wortes. Ok, ICH hatte die Mail nicht gesehen. Hochgeladen und letztendlich technisch/künstlerisch produziert hatte das Produkt jemand anderes. Ah… da hatten wir ja den Schuldigen. Wenn der ordentlich gearbeitet hätte, wäre der Auftrag reibungslos abgewickelt worden und die Broschüre jetzt in der Post.
Ungelogen: Ich konnte in meinem Körper spüren, wie die Wolfsohren rotierten: Du bist schuld ./. ich bin schuld. Das machte ganz unterschiedliche Energie. Einmal wurde ich klein und wollte mich am liebsten verkriechen, dann wieder fühlte ich mich irgendwie übermächtig und hatte den Impuls rumzupöbeln…
Beides fühlte sich zutiefst unerfreulich an.
Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich das transformieren konnte. Zunächst versuchte ich noch, eine „Lösung“ zu finden. Aber auch Overnight-Druck hätte mich nicht mehr gerettet, denn ich wäre ja am Samstag nicht da gewesen, um die Lieferung in Empfang zu nehmen (abgesehen davon war am Freitag im Süden Feiertag, da hätte eh keiner gedruckt). Schließlich hatte ich den Gedanken, wir bauen die Broschüre um auf ein Format, dass ich an meinem Laser-Hochleistungsdrucker selbst ausdrucken kann.
Doch der Mensch, der für die künstlerisch-technische Seite zuständig war, hatte auch noch ein Wörtchen mitzureden. Tatsächlich haben wir erst mal per Telefon gemeinsam getrauert. Wie doof ist das denn, dass das so schief gegangen ist! Und dann hat die Person eine Druckerei in der Nähe aufgetan, wo am Freitag dann 30 Broschüren von Hand gedruckt wurden und dann einzeln gefalzt. Ich bin zutiefst dankbar für diese kostengünstige und effiziente Lösung! Gleichzeitig gingen Freitag noch einmal die überarbeiteten Druckdaten an die Online-Druckerei. Und Mittwoch dürfte ich dann wohl den Karton mit den Broschüren hier haben…
Hier haben wir ein schönes Beispiel, wie man GFK anwenden kann. Ich erinnere mich daran, dass ich nicht in einer Welt von RICHTIG oder FALSCH leben möchte. Ich verbinde mich mit meinen unerfüllten Bedürfnissen. Ich trauere. Ich finde neue Wege, meine Bedürfnisse zu erfüllen… Das „Anwenden“ bezieht sich ausschließlich darauf, dass ich mir ins Gedächtnis rufe, nach welchen Werten ich leben und handeln möchte. Wenn die Drehohren aktiv sind, rutscht mir das schon mal aus dem aktiven Speicher…

So long!
Ysabelle

„Aus“ für Geschichtenerzähler

Hallo, Welt!
Auf dem IIT in England war ich sehr beeindruckt, von zwei Zertifizierungskandidatinnen mehrmals die Formulierung zu hören: „and I am telling myself“. Ich erzähle mir selbst… In meinem Bekanntenkreis hat es gerade eine Trennung gegeben. Der Auslöser für diese Trennung liegt eigentlich schon ein halbes Jahr zurück und hat mit dem Hier und Jetzt nichts zu tun. Und eine der Beteiligten erzählt sich selbst dauernd Geschichten, die dann zu unglaublichen Schmerz-, Wut- und Rache-Explosionen führen. Die Drohungen reichen bis „ich werfe deine Möbel aus dem Fenster“. Ich bin geschockt.
Der Auslöser – ich gebe mal ein fiktives Beispiel – eine zärtliche Nacht mit einer dritten Person – liegt also Monate zurück. Person 1, der Racheengel, war nicht dabei, hat nichts gesehen, gehört, gemerkt. In der Situation sind keine Schmerzen entstanden. Als Person 2 gesagt hat, sie möchte sich trennen, ist auch der Auslöser zur Sprache gekommen. Und nun erzählt sich Person 1 pausenlos Geschichten, die sie total in Not bringen:
Person 2 hat mich nie geliebt. Person 2 hat nur mit mir gespielt. Person 2 ist hinterhältig und falsch.
Relativ aus der Nähe kann ich zugucken, wie sich hier jemand in Wut-Trance redet und dann auch Dinge tut, die absolut erschreckend sind. Dabei geht es gar nicht um das, was ist. Es geht nicht um Schmerz und Trauer. Es geht nicht um Einsamkeit und Sehnsucht, um unerfüllte Bedürfnisse nach Verstehen und Liebe und Vertrauen. Das alles ist beiseite gewischt, wenn die Person sich in diese Wut-Trance erzählt. Dann geht es nur noch um ein Feindbild, um Rache, ja stundenweise sogar um Hass.
What are you telling yourself… Ich merke ebenfalls, dass ich mir Geschichten erzähle. Ich erzähle mir, dass Selbstständigkeit anstrengend ist. Ich erzähle mir, dass meine Umsätze nicht ausreichen werden, um meine Heizkosten zu bezahlen. Ich erzähle mir, dass meine Rücklagen nicht reichen und ich erzähle mir, dass andere Menschen sauer auf mich sind. Ich sehe in meinem Umfeld jede Menge Geschichtenerzähler. Mit Erschrecken dämmert mir – nicht dass diese Erkenntnis komplett neu wäre – wie sehr wir unser Handeln von den Geschichten abhängig machen, die wir uns erzählen. Und häufig haben wir überhaupt kein Bewusstsein dafür, dass gerade wieder ein Erzähler in unserem Kopf am Werk ist. Er sagt, dass ich Angst vorm Zahnarzt habe, er sagt, dass ich zu dick bin, um wirklich liebenswert zu sein, dass ich es nie schaffen werde, zehn Kilo abzunehmen, er sagt, dass ich nicht mit Geld umgehen kann, er sagt mir, dass andere Leute oder Institutionen mich mobben und er sagt, ich bin es nicht wert, geliebt zu werden. Im Skript von Robert Gonzales fand ich eine Liste von Tiefenüberzeugungen, die mich sehr angesprochen hat. Ich vermute, es gibt eine Verbindung zwischen diesen Glaubenssätzen und unserem inneren Geschichtenerzähler. Den würde ich gern in den Ruhestand schicken. Er wird nicht mehr gebraucht. Manche Geschichten sind einfach so schmerzhaft, da fällt es mir schwer zu verstehen, warum unser Hirn sie produziert. Welche Botschaft soll ich dadurch lernen? Dass ich schlecht bin, nicht liebenswert und unwichtig?
Gebe die Höhere Macht uns allen eine riesige Ladung Selbst-Mitgefühl und Selbst-Annahme, um solche alten Glaubenssätze zu transformieren. Ich kann dazu gerade keinen Beitrag leisten, ich bin gelähmt vor Schmerz.

So long
Ysabelle

Enjoy the show…

Hallo, Welt!
Heute bin ich durcheinander, traurig, verwirrt und 80 Prozent mutlos. Es gibt bestimmte Themen, die habe ich schon so oft durchgekaut, schon so oft angeguckt, und heute Morgen kochte eine Wolfsshow hoch, deren Vehemenz mich wirklich erschreckt und ratlos macht. Wie kann es sein, dass bei all meiner Arbeit immer noch so intensive Gefühle lebendig sind, so viel Not und Verzweiflung präsent sind? Ich habe doch schon alles versucht, damit umzugehen…
Gerade hatte ich einen schönen Austausch mit Michael Dillo, dem Schweizer Assessor. Wir streiften das Thema „Feindbilder“ und Michael meinte ganz lapidar: Wenn ich ein Feindbild habe, ist etwas ungelöst in mir und es ist nicht von außen zu reparieren. Also was ist ungelöst in mir, wenn plötzlich der Wolf in einer Intensität aufheult als sei er nie zuvor gehört worden?
Ich bin bestürzt, bitter, durcheinander, furchtsam (das ist alt, ich konnte es heute Nacht schon spüren, dass das eher 1960 als 2014 angesiedelt ist), mutlos, traurig, sauer, überwältigt, unter Druck und irgendwie widerwillig. Und meine Bedürfnisse haben zu tun mit Gesehen werden, Respekt, Anerkennung, Kongruenz, Transparenz, to matter (zählen), Spaß, Freude, Leichtigkeit… oh ja! Leichtigkeit… da geht meine Sehnsucht hin. Ich hätte es gern mal leicht! Anscheinend kämpfe ich noch immer einen alten Kampf. Ein Teil von mir „hört“, ich sei nicht „richtig“ und mit mir stimme etwas nicht. Angenommen sein.
Anscheinend gibt es einige Menschen in meinem Leben, deren bloße Existenz an meine alten Wunden rührt. Während des IIT’s in Bad Bederkesa habe ich gelernt, dass ich schnell Gefahr laufe, mich nicht mehr als Teil der Gemeinschaft wahrzunehmen. Wenn ich nicht 120 Prozent leiste, gehöre ich nicht dazu. Wenn etwas Unvermutetes auftritt, das ich nicht habe kommen sehen, droht sofort der Ausschluss aus der Gemeinschaft. Darum ist Sicherheit offenbar so ein wichtiges Bedürfnis für mich. An anderer Stelle wird mein Glaube über mich selbst immer wieder herausgefordert. BIN ICH GUT GENUG? BIN ICH LIEBENSWERT? Ein Teil von mir rutscht in bestimmten Situationen sofort wieder in eine Art Verteidigungshaltung. Ich kann dieses „ich bin total ok so wie ich bin“ in diesen Situationen nicht als innere Gewissheit abrufen. Statt dessen erscheint etwas Wild Um Sich Schlagendes. Du bist und du hast… Gerade erhasche ich einen kleinen grauen Zipfel vom Wolfsfell. Ich kriege es noch nicht ganz gegriffen. Da steht ein Schuh im Raum und ich ziehe ihn an. Ich kann nicht hören, uih, da hat jemand ein unerfülltes Bedürfnis, sondern ich beziehe es auf mich. Ganz abgesehen von meinem Gedanken, dass das natürlich auch auf mich geäußert wurde. Aber ich hätte ja auch die Wahl, mich zurückzulehnen und zu denken, das ist ja interessant. Was mag da wohl in meinem Gegenüber lebendig sein? Nein, ich identifiziere mich mit dem unausgesprochenen Urteil und dann rebelliere ich dagegen.

In dem Fall, der mich beim IIT so geschüttelt hat, weiß ich, dass gar kein Urteil über mich damit verbunden war (du hättest wissen müssen, dass ich dies und jenes brauche, und rechtzeitig dafür sorgen müssen). Im aktuellen Fall bin ich ziemlich sicher, dass eine Fülle von Urteilen damit verbunden sind. Und ich kann spüren, dass ich verzweifelt versuche, mich vor dem Absaufen zu bewahren. Im Zweifelsfall eben auch durch ein lautes Wolfsgeheul…

So long!
Ysabelle

Drei Mal täglich GFK

Anwendung steht (nach Wikipedia) für

• allgemein die Verwendung von etwas
• Anwendungssoftware (kurz: App) allgemein, mindestens ein Computerprogramm, das für den Anwender geeignete Funktionen ausführt
• die Verwendung eines Betriebsmittels zur Erfüllung einer Arbeitsaufgabe, siehe Nutzung (Technik)
• eine Art der Verabreichung von Arzneimitteln, siehe Applikationsform
• Anwendung (Lernen), z. B. bei Handlungswissen, das ein Mensch anwendet
• Anwendung (Medizin), die Verabreichung eines Heilmittels bei medizinischen Behandlungen und Kuren

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Hallo, Welt!
Auf dem IIT in Birmingham poppte immer mal wieder die Frage auf, wie man bei bestimmten Themen GFK anwenden könne. Ich schlage vor, als Salbenverband oder als „Heiße 4“, Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis, Bitte…
Mich macht diese Frage heute ziemlich hilflos. GFK ist keine Software, keine Art der Verabreichung, kein Heilmittel. GFK ist eine Lebensform. Vielleicht passt noch am ehesten:
• Anwendung (Lernen), z. B. bei Handlungswissen, das ein Mensch anwendet
aber auch da bin ich skeptisch, wenn Leute losrennen und sagen, da habe ich mal GFK angewandt. Hört sich an wie Jiu Jitsu oder Karate.
Was ist GfK für mich? Sicher keine Medizin und keine Software. Nicht mal als Skill/Fähigkeit möchte ich GFK einordnen. GFK (Mist, will das noch immer mit kleinem „f“ schreiben…) ist für mich eine Lebenshaltung. Will ich auf die Bedürfnisse in mir und meinem Gegenüber gucken, mich damit verbinden und dann in Verbindung treten oder will ich in meinen Urteilen verharren, den anderen angreifen, kritisieren, in einer zweigeteilten Welt leben? Hier bin ich, und da drüben/hinten bist du…?
Jason, der Organizer des IIT in Birmingham, hat in einer Session etwas geteilt, das mich sehr berührt hat. Er hat gesagt, dass er in manchen Situationen erkennt, dass er (wie auf einem Tennisplatz) auf der anderen Seite des Netzes steht und nur noch die Bälle returniert. Und wenn er wahrnimmt, dass er in diesem Modus ist, gelingt es ihm oft/häufig/immer mal wieder, auf die andere Seite des Netzes zu gehen und sich neben die Person zu stellen, mit der er sich gerade einen Schlagabtausch geliefert hat. By NickStenning [CC-BY-SA-2.0 (http-_creativecommons.org_licenses_by-sa_2.0)], via Wikimedia Commons
Ich liebe dieses Bild. Es bietet mir genau das, worum es für mich in der GFK geht. Ich entscheide mich bewusst dafür, „die andere Seite“ aufzugeben. Ich gebe nicht meine Grenzen auf, ich gebe nicht meine Autonomie auf, ich verabschiede mich nicht von meinen Bedürfnissen, um deine sklavisch zu erfüllen. Ich entscheide mich für eine Welt jenseits von Richtig oder Falsch. Ich entscheide mich dafür, neben dir zu stehen, nicht als dein Gegner auf der anderer Seite des Netzes. Ich habe Vertrauen, dass meine Bedürfnisse zählen, und ich kann mich für sie einsetzen und trotzdem in Kontakt, in Verbindung sein. Marshall hat den Satz geprägt: „NVC is all about connection“. Und damit möchte ich unterwegs sein. Die „Anwendung“ kommt dabei für mich nur dann zur Anwendung, wenn ich zwischendurch in meine alten Verhaltensmuster rutsche. Dann möchte ich mich an das erinnern, was ich gelernt habe, was mir wichtig ist, was mit meinen Werten zu tun hat, nach denen ich leben möchte…

So long!
Ysabelle

Haben Bedürfnisse Gefühle?

Hallo, Welt!
Heute Morgen fühle ich mich inspiriert, energetisiert, angeregt, aufgeregt, wohlig und voller Tatendrang, was bestimmte Themen angeht. Der Tatendrang dehnt sich nicht auf „Katzenklos“ und „Betten beziehen“ aus. Schade.
Gestern Morgen brachte mich mein Freund Michael von Croyden nach London-Gatwick zum Flughafen. Mir schien es mitten in der Nacht, tatsächlich war es aber schon hell und auf der Autobahn blickten wir in Täler, in denen der Morgennebel wie eine zartgraue Watte lag. Ein zauberhafter Anblick. Wir sprachen über die neuen Ideen, die wir durch die Arbeit mit Robert Gonzales erhalten haben, und plötzlich fragte Michael: Do needs have feelings?
Ein reizvoller Aspekt der Arbeit von Robert Gonzales besteht ja darin, dass er nicht auf den Mangel, das bohrende schmerzhafte Gefühl Bezug nimmt, das durch ein unerfülltes Bedürfnis entsteht. Vielmehr lädt er dazu ein sich zu erinnern, in welcher Situation dieses Bedürfnis erfüllt war, und sich mit dieser wunderbaren Energie zu verbinden. Beispiel: In einer bestimmten Situation fehlt mir Verbindung. Ich bin aufgelöst und verzweifelt. Dann kann ich mich in Gedanken mit einer Situation verbinden, in der das Bedürfnis nach Verbindung (vielleicht mit der gleichen Person, vielleicht aber auch mit einer anderen) voll erfüllt war. ich rieche und schmecke in diese „alte“ Situation, ich bade in diesem genussvollen Gefühl, das ich habe, wenn mein Bedürfnis total erfüllt ist. Und aus dieser Energie heraus kehre ich zurück. Mit dieser Energie kann ich eine Bitte stellen. Mit dieser Energie kann ich mich selbst ausdrücken. Ich bin dann mit meiner wunderbaren Sehnsucht verbunden. Ich spreche von dem, wo ich hin will, und nicht von dem, was mir fehlt. Mir kommt das Bild, dass ich nach vorne schaue, nicht zurück…

Wenn ich diese Praktik mehr übe, bekommen dann Bedürfnisse innerlich ein Gefühl zugeordnet? Fühlt sich „Verbindung“ dann immer nah, intensiv und berauschend an? Kann ich wie beim Memory-Spiel einem Bedürfnis die zweite Karte Gefühle zuordnen?
Vielleicht kann jemand von Euch, der schon länger mit Robert Gonzales arbeitet, etwas dazu sagen. Ich denke, die Gefühle sind immer wieder neu. Für mich macht es einen Unterschied, ob ich mich an eine Situation erinnere, wo ich am Schalter der Fluggesellschaft einen angenehmen Kontakt habe (wie gestern Morgen, als eine anhaltende Computerpanne dazu führte, dass ich mein Übergepäck kostenlos mitnehmen durfte), oder ob ich eine unangenehme Erfahrung mache (würden Sie bitte Sylvia Hasvitz ausrufen, sie hat etwas im Auto vergessen…). Manche Erinnerungen an Verbindung sind süß und tief, andere sind wohlig und behaglich, wieder andere sind warm und klar. Mein Bedürfnis nach Verbindung kann also in jedem Moment mit einem anderen Geschmack ausgeliefert werden. Und aus diesem Grunde denke ich, dass Bedürfnisse keine fest zugeordneten Gefühle haben. Weder angenehm noch unangenehm. Ich kann mich mit der Qualität des erfüllten Bedürfnisses verbinden, aber ob ich dann an die Frau hinter dem Easyjet-Schalter denke oder an eine wunderbare Situation mit meinem liebsten Menschen – da sind die ausgelieferten Gefühle dann doch sehr unterschiedlich…
So long!
Ysabelle

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