Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Dankbarkeit: Werkzeugkiste

Hallo, Welt!
Bis um eins habe ich vorige Nacht am Rechner versucht, die Mails zum Laufen zu bringen. Es war frustrierend, denn 2000 Nachrichten sind vom Server abgezogen worden und damit weg. Und das Konfigurieren klappt nicht wie es soll.
Das führte dazu, dass ich heute ganz erschöpft und niedergeschlagen war. Auch der Anruf eines Freundes konnte mich nicht wirklich aufmuntern. Trotzdem gibt es etwas, wofür ich heute dankbar bin. Als die Welt nämlich ganz schwarz aussah, habe ich die NVC-Hotline bei Skype aktiviert. Das war so etwas wie eine Werkzeugkiste, in der ich das passende Werkzeug fand. Ich brauche Empathie, und dann marschiere ich los und versuche, es zu bekommen. Auf diese Weise hatte ich einen wunderbaren Chat mit Tom:

Tom : it sounds like you have doubts about your tecnical competency?
[05.12.10 15:37:02] ich: hm.
[05.12.10 15:37:12] |nvclink (14 online): Tom : and you can’t find your usual technical support
[05.12.10 15:37:43] ich: In the meantime I’ve programmed thunderbird and was able zo send a mail out
[05.12.10 15:37:55] |nvclink (14 online): Tom : and perhaps it triggers a deeper question of your selfworth
[05.12.10 15:38:04] ich: it has oviously not to do with my skills somehow
[05.12.10 15:38:10] |nvclink (14 online): Tom : now how do you feel
[05.12.10 15:38:24] ich: *laugh*
[05.12.10 15:38:28] ich: confused
[05.12.10 15:38:42] |nvclink (14 online): Tom : about how you fixed it?

(…)

ich: yes, it is a matter of selfworth
[05.12.10 15:39:26] ich: thank yoü for that hint
[05.12.10 15:39:56] |nvclink (14 online): Tom : you would like to be able to trust yourself?
[05.12.10 15:40:01] |nvclink (14 online): Tom : rely on yourself?
[05.12.10 15:40:09] |nvclink (14 online): Tom : more?
[05.12.10 15:40:20] ich: hm.
[05.12.10 15:41:24] |nvclink (14 online): Tom : is it about your need to be independent, self-sufficient?
[05.12.10 15:41:44] ich: you really help me with these questions
[05.12.10 15:41:50] |nvclink (14 online): Tom : thanks
[05.12.10 15:42:04] |nvclink (14 online): Tom : that is reassuring

Es war wunderbar! Ich kenne Tom überhaupt nicht. er lebt in Ecuador und wir haben heute das erste Mal miteinander Kontakt gehabt. Aber er konnte mir sofort Empathie geben und danach war ich entlastet, fröhlich, mein Bedürfnis nach Gesehen/gehört werden und Verbindung war genährt und alles sah nicht mehr ganz so schwarz aus.
ich möchte also heute für die internationale Giraffenhotline, und da aktuell TOM, dankbar sein.

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: Zu viel…

Hallo, Welt!
Ich habe einen neuen Rechner. Und heute Mittag um 14.00 stand – drei Stunden früher als von mir erwartet – mein Kollege vor der Tür, um mir beim Einrichten zu helfen.

Gleich beim Hochfahren wurde mir klar, wenn er jetzt nicht hier wäre – ich hätte den Rechner wieder eingepackt und zurückgeschickt. Er war nicht neu, nicht generalüberholt, das war mir klar, als ich kaufte. Aber dass ein anderer Benutzer sich als Admin eingetragen hatte, inklusive nicht bekanntem Admin-Kennwort etc. – das wusste ich nicht.

Der Kollege ist eben gegangen. Inzwischen hat es geschneit und er hat rund 60 Kilometer zu sich nach Hause zu fahren. Zehn Stunden Arbeit an einem Samstag für mich – ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ungefähr bis 18.00 Uhr war ich dankbar, danach wurde mir immer unbehaglicher, weil das Rüberziehen von Daten immer länger dauerte, der Rechner abschmierte, die Zeit zerrann. Irgendwann war ich dann auch sehr müde.

Ich merke, dass es mir schwer wird, wenn mich jemand mit etwas Großem unterstützt, und zwar freiwiliig, ohne Bezahlung, ohne „Gegenwert“. In mir entsteht eine dumpfe Schwere, der missliche Gedanke, ich würde dafür „büßen“ müssen.
Noch während ich diesen unangenehmen Gefühlen nachspürte, klingelte gerade das Telefon. Der Kollege. Er hat sicher die Autobahn erreicht und damit das schlimmste Stück Weg hinter sich. Wie wunderbar, noch einmal Verbindung zu haben. Und es erfüllt mein Bedürfnis nach Sicherheit und Gemeinschaft, dass er mich informiert. Jetzt kann ich die Dankbarkeit wieder tiefer fühlen, denn sein Anruf hat mich aus der Sorge geholt, sein Einsatz bei mir könne unser freundliches Verhältnis belasten.

So long!
Ysabelle

Dankbarkeit: Ich werde gepflegt

Hallo, Welt!

Wie kann man das englische Wort to care übersetzen? „I don’t care“ geht gut mit „ist mir sch…egal“. In der Schule habe ich gelernt: To care for: sich kümmern um. Aber genau so wie ich die gefühlte Bedeutung von Commitment nicht wirklich übersetzen kann, kann ich auch „care“ nicht mit einem Wort, mit einem Begriff fassen. Und doch ist Care das, was ich heute in meinem Leben feiern möchte.

In den vergangenen Wochen gab es mehrere Leute, deren Care, vielleicht liebevolle Pflege ich erleben durfte.
Einer davon ist meine Nachbarin. Gefühlt ist sie schon sehr alt, höchstens noch 1,50 m groß und zart. Wir kennen uns nicht näher, obwohl wir Tür an Tür wohnen, aber die gute Seele nimmt jede Woche irgendeine Post für mich entgegen. Büchersendungen, Schlafanzüge oder eben vorige Woche meinen Computer. Dann klingelt sie abends um neun bei mir und sagt, „ich hab da was für Sie…“ Sie ist wirklich mein guter Geist in der Nachbarschaft. Seit einiger Zeit backt sie auch für mich immer ein Stück Kuchen mit, neulich gab es Windbeutel. Und wenn sie Brot macht, bekomme ich auch immer etwas ab. Ich bedanke mich mit einem gelegentlichen Rosenstrauß und selbst gemachtem Obstsalat. Zur Zeit versuche ich, den Schnee vor ihrer Tür immer mit zu beseitigen.

Als ich Mittwoch nach Hause kam, hatte eine Freundin meine Küche weihnachtlich dekoriert. Als ich vom Dachflächenfenster die roten Kugeln baumeln sah und auf der Scheibe ein dicker Engel als Fensterbild klebte, wurde mir schlagartig klar: Leute, es wird Weihnachten! Wir haben Advent! Ich habe mich so über diese Erinnerung gefreut!

Am Dienstag habe ich den Mann angerufen, der mich ab und zu bei der Gartenarbeit unterstützt. Ob er wohl die Augen offen halten könne und ein bisschen Streusalz für mich besorgen? Später bekam ich einen Anruf: 24 Kilo Streusalz sind in deiner Garage. reicht das erst mal?

Care – Fürsorge! Ich bin mit diesen Menschen weder verwandt noch verschwägert. Wir feiern keine Partys zusammen und fahren auch nicht gemeinsam in Urlaub. Sie nehmen Anteil an mir, sind aufmerksam für meine Bedürfnisse. Ich bin so reich! Es ist wunderbar, auf diese Weise beschenkt zu werden.

Ich danke Euch heute mit einem Lied von Nina Simone.

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: Friseurbesuch

Hallo, Welt!
Heute hatte ich einen Termin, für den ich mich besonders schön machen wollte. Schon vorige Woche habe ich dafür ein langes Kleid gekauft, gestern, just in time sozusagen, wurde noch etwas Zubehör geliefert. Heute Morgen bin ich also mit Arbeitskleidung ins Büro und in der Tasche die Stöckelschuhe, Make-up und sonstige Schönheits-Utensilien. Das einzige, was mir missfiel, waren die Haare. Das Mützenwetter der vergangenen Tage hatte auch hier Tribut gefordert, ich sah aus als niste ein Vogel auf meinem Kopf. Gegen Mittag wollte ich schnell einmal losflitzen, um noch eine Software für meinen neuen Rechner zu kaufen. Mit zarter Hoffnung schlich ich in Richtung des Friseurs, bei dem ich ein paar Jahre war, aber in letzter Zeit aus pragmatischen Gründen (Öffnungszeiten) immer seltener. Ein Blick ins Schaufenster – die Chefin kassierte gerade einen Kunden ab und winkte mir zu. Ich machte die Tür auf und fragte vorsichtig, „hast du noch einen Augenblick Luft?“ sie hatte noch genau 25 Minuten bis zur nächsten Kundin, ansonsten war der ganze Tag komplett gebucht. Nur dieses kleine Zeitfenster, das gerade für einen feschen Trockenschnitt reichte – gerade das hatte ich erwischt. Die ganze Zeit während sie an mir herumschnibbelte, spürte ich einfach nur tiefe Dankbarkeit. Meine erfüllten Bedürfnisse waren Unterstützung, gesehen und gehört werden, Verständnis, Heiterkeit (wir haben gelacht!), Schönheit und Leichtigkeit. Mir war sofort klar, dass ich diese Unterstützung gern hier feiern wollte. Danke, Maren! Dank Deines Einsatzes habe ich mich heute Abend rundum schön gefühlt!

So long!
Ysabelle

Noch ein Nachtrag:
In der ganzen Stadt gab es gestern Abend keine Taxen. 20 Prozent der Fahrer waren bei dem Schneefall nicht angetreten, die Taxenstände waren wie leergefegt. Doch als ich nach dem Termin mit meinen Taschen zum nächsten Stand ging, schon fast zur S-Bahn weiter laufen wollte, kam ein einziger Wagen, der mich sicher und wohlbehalten zum Bahnhof brachte. Fügung? Zufall? Auf jeden Fall ein Grund für Dankbarkeit!
Y.

Dankbarkeit: Meine Schwiegertochter

Hallo, Welt!
Eine lehrreiche Beziehung ist für mich die zu meiner Schwiegertochter. Ganz schnell versinke ich in Urteilen und meine unerfüllten Bedürfnisse sind Verbindung, Gemeinschaft, gesehen und gehört werden, Wertschätzung und Wärme. Mein letzter Versuch, ein bisschen mehr Zusammenhalt zu erreichen, endete für mich ziemlich frustrierend.
In letzter Zeit lese und höre ich immer öfter, dass ich mir die Lernaufgaben in meinem Leben aussuche, um daran zu wachsen. In diesem Sinne ist meine Schwiegtochter ein kostbares Geschenk für mich. Was kann ich von ihr lernen? Grenzen ziehen – das kann sie eindeutig besser als ich. Bestimmt gibt es noch mehr Dinge, aber da ich sie nicht gut kenne, habe ich noch nicht viel darüber herausgefunden, was ich von ihr lernen kann.
Warum nun gerade heute Gedanken zu meiner Schwiegertochter? Geplant war das nicht. Aber heute morgen bin ich ihr so dankbar! Sie rief mich an, als ich gerade aus der Dusche kam: „Geh ins Internet und guck auf die Züge! Plane mehr Zeit für den Weg zur Arbeit ein, meine Bahn fällt aus, ich werde ins Büro gebracht!“
Dank ihrer Warnung ist es mir gerade noch gelungen, auf einen früheren Zug zu springen. Danach geht anscheinend erst mal nichts mehr, traut man dem Internet. In Kiel Schnee und Sturm, Zugausfälle wegen Triebwerksschaden… Und in mir sagt eine glückliche Stimme, „im Ernstfall hält die Familie ja doch zusammen!“
So long!

Ysabelle

Dezember – ein Dankbarkeitsmonat

Hallo, Welt!
Kürzlich machte mich ein Freund auf den Blog von Alexandra aufmerksam. Darin rief sie den November zum Dankbarkeitsmonat auf. Dieser Gedanke hat mich so begeistert, dass ich nun den Dezember als meinen persönlichen Dankbarkeitsmonat deklariere und möglichst viele Facetten beleuchten möchte.

Dankbarkeit – ist das ein Gefühl oder ein Bedürfnis? Beim ersten Hingucken bin ich verwirrt. Vielleicht ist das so ähnlich wie Liebe, wo auch alle denken, es wäre ein Gefühl und Marshall meint, es wäre ein Bedürfnis, das man mit vielen Strategien erfüllen kann. Wenn ich nachspüre, wie ich mich fühle, wenn ich dankbar bin, dann fühle ich mich wahrscheinlich
angenehm, berührt, bewegt,
je nach dem was der Auslöser ist begeistert,
erfreut, erfüllt, ergriffen, gerührt, glücklich, leicht, selig, warm und verbunden.

Vermutlich gehen mit Dankbarkeit auch (weitere) erfüllte Bedürfnisse einher.
Bin ich einem Menschen dankbar, sind wahrscheinlich meine Bedürfnisse nach Gesehen und gehört werden, Verbindung, Unterstützung, Empathie, Vertrauen, Leichtigkeit, Geborgenheit, Nähe, Klarheit oder Beteiligung erfüllt. Es kommt ganz auf die Situation an. Ich finde keine Antwort darauf, ob Dankbarkeit ein Gefühl oder ein Bedürfnis ist. Wie ist Eure Einschätzung dazu?

Was ich jedoch genau weiß, ist dass wahre Dankbarkeit in unglaublicher Weise mein Leben bereichert und erfüllt. Und dabei handelt es sich nicht um das floskelhafte „vielen Dank“, wenn mir jemand die Drehtür aufhält, sondern um etwas sehr tief Empfundenes.
Dankbarkeit wird für mich besonders nährend, wenn ich mich mit meinen erfüllten Bedürfnissen verbinde. Vor ein paar Jahren hatte ich den Auftrag, meinen langjährigen Vorgesetzten mit einer Rede zu verabschieden. Ich bin damals mit Zettel und Stift durch die Abteilung gezogen und habe alle Kollegen gefragt: In welcher Weise hat Herr X dein Leben bereichert? Es sind die wunderbarsten und anrührendsten Geschichten zutage gekommen. Am meisten berührte mich ein Kollege, der meinte, „wenigstens ist in seiner Amtszeit nie der Angstschweiß über den Flur gewabert“. Tatsächlich war es unte der Führung von Herrn X noch so, dass wir uns alle relativ sicher fühlen durften. Die eigentliche Rede war dann mehr ein Wortprotokoll all dieser Aussagen, aber mein Chef war zutiefst berührt zu erfahren, wie er das Leben seiner Mitarbeiter verschönert hatte. Im übrigen wäre das Gleiche mit der gegensätzlichen Blickrichtung möglich gewesen: Bei welcher Gelegenheit hast du dich besonders über ihn geärgert. Mutmaßlich wäre die Liste dreimal so lang geworden. Aber allein bei dem Gedanken merke ich, wie meine Stimmung in den Keller geht. Dankbarkeit zündet ein Licht an. Und diesen Schalter kann ich täglich umlegen, indem ich mich mit den Dingen verbinde, für die ich dankbar bin.

Morgen geht’s weiter. Wie immer sind Anregungen und Rückmeldungen willkommen.
So long!

Ysabelle

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