Hallo ihr Lieben!
Gestern Abend bin ich in unserer Übungsgruppe über eine interessante Frage gestolpert. Eine Teilnehmerin erzählte, sie hätte für einen Konflikt bereits Empathie bekommen, aber was sie mir davon erzählte klang für mich eher nach Sätzen, die Zustimmung ausdrückten. Ein bisschen später benutzte ich einen Satz der auf den ersten Blick ähnlich klang, aber doch ganz anders ankam, und mir kam der Gedanke, worin sich die beiden Sätze eigentlich unterscheiden.
Satz 1: „Super, sorg für dich, mach weiter so!“
Satz 2: „Das, was du tust, ist das wundervollste und schönste was du überhaupt tun könntest!“
Zwei sehr ähnliche Aussagen, mit einer sehr unterschiedlichen Wirkung. Woran liegt das? Ist einer von beiden empathischer und wenn ja warum?
Zunächst einmal sind sowohl „Wundervoll“ als auch „Super“ Bewertungen, beide sind nicht als solche kenntlich gemacht („Ich finde, dass…“) und sagen auch nichts über Bedürfnisse aus. Als Lehrbuch-GFK würden sie also beide durchfallen. Aber damit ist nichts über ihre Wirkung gesagt, nur über den äußeren Anschein, die korrekte Wahl von Worten. Viel wichtiger sind die Haltung aus der die Worte kommen und die Haltung die sie transportieren. Denn ob eine Absicht wirklich ankommt ist nicht immer sicher, entscheidend für die Wirkung der Worte ist in jedem Fall die Bedeutung, die der Gehörte ihnen gibt.
Schulz Von Thun würde dazu sagen „der Empfänger macht die Botschaft“, was in unserem Fall bedeutet: Beide Sätze können empathisch gemeint sein, beide können empathisch beim Gegenüber ankommen. Ob die Person die sie hört sich entspannt und öffnet oder verkrampft und zusammenzieht hängt von ihrer Interpretation des Gehörten ab. Interpretiert sie die Worte als Empathie wird sie eher aufmachen, als wenn sie etwas anderes dahinter vermutet. Studien haben gezeigt, dass Therapiegespräche erfolgreich verlaufen, wenn sie vom Klienten als hilfreich empfunden werden.
Ist es also egal was ich sage weil am Ende doch wieder alles GFK sein kann?
Wenn mein Gegenüber selbst riesengroße Giraffenohren besitzt – Ja.
Ansonsten: Nein, ganz so egal ist es doch nicht.
Ich will mich immer wieder daran erinnern, dass ich verantwortlich bin für das was ich sage und meine Haltung dahinter. Ich bin nicht verantwortlich dafür, wie es beim anderen ankommt!
Für unser Beispiel heißt das, wenn ich mich empathisch mit jemandem verbinden möchte, dann versuche ich es für mein Gegenüber so einfach wie möglich zu machen, meine Worte als Empathie zu interpretieren. Und dann werde ich ganz bewusst Worte wählen, die eine empathische Haltung unterstreichen um die Verbindung zu erleichtern. Es ist also weniger die Frage, welcher Satz empathischer ist, viel wichtiger sind die Fragen:
Was ist jetzt grade meine Haltung?
Was ist meine Absicht in diesem Gespräch?
Sehr frei nach Kelly Bryson: „Empathy when you want, honesty when you don’t“, “Empathie wenn du es möchtest, ansonsten Ehrlichkeit”. Ehrlichkeit hat dabei für mich viel mit Authentizität zu tun. Darunter verstehe ich, mein Inneres (meine Haltung, Absichten und Einstellungen) und mein Äußeres (Verbale/Nonverbale Kommunikation) in Einklang zu bringen, ehrlich auszudrücken, was grade in mir lebendig ist. Wichtig ist dabei, dass ich mir bewusst bin, was in meinem Inneren so abgeht. Ungefähr 95% der Kommunikation läuft nonverbal ab, ich sage also durch meinen Gesichtsausdruck, meine Körperhaltung, meine ganze Ausstrahlung bereits ganz viel bevor ich überhaupt den Mund geöffnet habe. Meine Worte können das dann unterstreichen und bekräftigen, explizit ausdrücken und klar machen. Oder sie können im ungünstigsten Fall etwas ganz anderes erzählen und mein Gegenüber verwirren, weil er plötzlich auf jedem Stereo Kanal ein anderes Lied hört. Das kann zum Beispiel passieren, wenn ich glaube, dass ich empathisch reagieren sollte.
Wenn ich also grade total begeistert bin und jubeln möchte wegen dem, was meine Gesprächspartnerin erzählt, dann werde ich ihr wahrscheinlich zustimmen wollen und etwas wie den ersten Satz benutzen!
Wenn mein Inneres stattdessen grade von Annahme, Verständnis und Liebe erfüllt ist, dann möchte ich auch dafür die Worte wählen, die das möglichst genau transportieren, und ich würde wohl Satz 2 benutzen.
Deswegen möchte ich auf jeden Fall im Sinn behalten, dass die eine Haltung nicht „besser“ oder „schlechter“ ist als eine andere, ich bin nicht moralisch verpflichtet dazu, jemandem empathisch zuzuhören oder mich zu verbinden. Verbindung ist EIN Bedürfnis unter vielen.
(c) Sven Hartenstein
Liebe Grüße,
Markus