Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Dankbarkeit: 5. Dezember

Hallo, Welt!

Heute kratze ich mal ein bisschen den Topf aus, was Dankbarkeit angeht.
In der Kantine gab es ein tolles Mittagessen. Das habe ich wirklich mit Genuss in mich reingeschaufelt und mich anschließend beim Personal bedankt, weil ich es so lecker fand.

In meiner Post fand ich eine Bestellung für 30 (!) Bedürfniskärtchen. Ich bedanke mich bei mir selbst, dass ich im Gespräch mit dem bestellenden Menschen auf Vorkasse beharren konnte. Vertrauen ist eine tolle Sache. Ich möchte überall da Vertrauen leben, wo es welches gibt. Jemand völlig Fremden für 24 Euro Ware zu schicken gehört nicht dazu. Spannend, dass sich ein paar Wölfe meldeten, die meinten, ich müsse die Karten einfach so abschicken und darauf vertrauen, dass der andere zahlt… Hallo, Fleischfresser… ich muss gar nichts! Ich kann mich genau für das Level an Sicherheit entscheiden, das ich brauche.

Ein Kollege hat mich für heute Abend zu einem Konzert eingeladen. Mein Herz wäre gern mit ihm gegangen. Mein Verstand entschied, dass ich nach diesem wenig erholsamen Wochenende heute Abend früh im Bett sein sollte und nicht erst um 23.50 zu Hause eintrudeln. Ich fürchte, ich habe meine Dankbarkeit für die Einladung nicht so deutlich zum Ausdruck gebracht, wie ich sie gefühlt habe. Noch deutlicher fühlte ich aber Gewissensbisse (oh, ja, mein Gewissen hat Zähne!), weil ich eben abgesagt habe…

Und ich bin dankbar für mein schönes Zuhause. Es war wunderbar, die Haustür aufzuschließen und ins Warme zu kommen. Ich habe mich gefreut, im Wohnzimmer die Lichterkette leuchten zu sehen. Ich freue mich über die Unterstützung, die ich in den vergangenen Tagen hatte. Und ich freue mich über die Nachrichten von Corinna und Marion. Vielleicht machen wir Silvester eine wilde Weiberparty!

Und dann gibt es noch den Spruch des Tages von Gerald Jampolsky:

Lektion 5
Ich kann der Welt meiner Wahrnehmung
entkommen, indem ich Angriffsgedanken aufgebe

Wie wahr, möchte ich da ausrufen. Angriffsgedanken – Das heißt ja nicht nur, dass ich daran denke, jemanden anzugreifen. Es heißt ja auch, dass ich mich von dem Gedanken verabschiede, angegriffen zu werden. Mein Gegenüber greift mich nicht an, sondern er teilt mir mit, dass er wichtige unerfüllte Bedürfnisse hat. Und ich kann mich dafür entscheiden, dass das einfach nur eine Form des Selbstausdrucks ist. Sie hat nicht wirklich etwas mit mir zu tun – auch wenn der andere entschieden hat, das ein bestimmtes Verhalten meinerseits seine oder ihre Bedürfnisse am allerbesten erfüllen würde… zum Beispiel, wenn ich mich einfach in Luft auflöste… *seufz*. Ich kann der Welt meiner Wahrnehmung entkommen, indem ich Angriffsgedanken aufgebe. Schade, dass ich für solche Gehirnakrobatik heute Abend schon zu müde bin…

So long!
Ysabelle

Bescherung!

Hallo Ihr Lieben!

Dieses Wochenende hatten wir einen Couchsurfer zu Gast bei uns zuhause. Er hat heute ein Vorstellungsgespräch in unserer Stadt gehabt und kommt von weiter weg, deswegen war es für ihn am praktischsten, früher anzureisen und hier zu übernachten.

Seine Mail am Mittwoch mit der Bitte um einen Schlafplatz war zunächst sehr zurückhalten, verlegen, fast als würde er sich schämen wegen einer Couch anzufragen und hätte keine große Hoffnung, so spontan noch etwas zu finden. Ich konnte zwischen den Zeilen deutlich seine Unsicherheit lesen, wahrscheinlich auch genährt durch den Gedanken, dass seine Bedürfnisse eine Belastung darstellen. Ich kann allerdings ehrlich sagen: Es war ein wunderschönes Wochenende, nach einem Tag hat es sich angefühlt, als würden wir seit Jahren in einer WG zusammen leben – Nähe, Vertrautheit, Offenheit, Sympathie. Es war ein großes Geschenk für meine Freundin und mich, und wir uns außerdem sehr gefreut, ihn zu unterstützen und sein Leben durch unsere Gastfreundschaft bereichern zu können.

Ich glaube, dass auch er sich sehr wohl gefühlt hat, entspannt, sicher, locker. Und ich hoffe, dass er an diesem Wochenende seine Bedürfnisse anders wahrnehmen konnte, nicht mehr als eine Belastung sondern als das, was sie wirklich sind – Geschenk e!

Es fühlt sich so toll an, beitragen zu dürfen und etwas vom eigenen Reichtum abgeben zu können! Wie sollte ich diese Erfahrung je machen, wenn keiner sich beschenken lässt, aus Angst, zur Last zu fallen?

Ich kenne natürlich auch die andere Seite. Für mich war es selber lange schwer, ein Geschenk anzunehmen. Ich glaubte, mir alles verdienen zu müssen, alles alleine schaffen zu müssen, alles zurückzahlen zu müssen. Um ein Geschenk zu bitten wäre mir wohl nicht so leicht in den Sinn gekommen. Zurückblickend bin ich sooo dankbar für die vielen Menschen auf meinem Weg, die sich gefreut haben, mich zu beschenken als ich es am dringendsten brauchte. Ich konnte ihnen kein Geld zurückgeben, ihnen nicht helfen, ich dachte, ich hätte ihnen nichts zu geben.

Ich durfte von ihnen lernen, Geschenke anzunehmen, mich wirklich darüber zu freuen und darauf zu vertrauen, dass es wirklich Geschenke sind. Und ich konnte in ihren Augen sehen, dass sie genauso glücklich waren wie ich!

Heute feiere ich, dass ich an diesem Wochenende selber schenken durfte und ich wünsche uns allen noch viele solche Erfahrungen, als Schenker und Beschenkte!

 

Markus

Copyright © 2025 by: Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren! • Template by: BlogPimp Lizenz: Creative Commons BY-NC-SA.