Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Dankbarkeit: 14. Dezember

Hallo, Welt!
Corinna hat mich darauf gebracht noch einmal zu reflektieren, warum ich das hier mache. Warum schreibe ich über Dankbarkeit? Warum „verpflichte“ ich mich, hier abends herzukommen und meinem Gehirn etwas über Dankbarkeit abzuringen?

Ich merke, dass es immer dann nicht hinhaut, wenn ich es als Verpflichtung wahrnehme, wenn dahinter ein „Muss“ steckt. Die inneren Kommentare sind dann gern vorwurfsvoll: Du wolltest doch… du hattest doch zugesagt, versprochen… Das sind dann keine freudvollen Minuten.

Es gibt aber noch eine andere Energie. Manchmal macht es allerdings ein bisschen Arbeit, mich mit ihr zu verbinden. Ein Hauch von Scham wird mitgeliefert: Dir geht es so gut! Und andere Menschen haben kein Zuhause…
Der Bettler, der immer am Seiteneingang von Kaufhof saß, ist schon seit Tagen nicht mehr da. Ist es der Obdachlose, bei dem die Sanitäter am Montag versucht hatten, ihn zu reanimieren? Mein Kollege hatte die Szene im Vorbeigehen beobachtet…

Andere Menschen haben keine Arbeit. Andere Menschen kriegen kein Gehalt oder müssen sich Sorgen machen, wie sie ihre Miete bezahlen können. Ich habe es warm, ich habe nette Kollegen, es gibt Menschen, die echtes Interesse an mir haben. Ich finde Unterstützung und Wärme, Gemeinschaft, Verbindung, Humor, Wertschätzung… Ich bin reich!

Wofür bin ich heute besonders dankbar?
Für mein schönes Zuhause! Und für die hilfreichen Geister, die mit dafür sorgen, dass es so schön bleibt. Oder sogar noch schöner wird! Ich bin dankbar für die Unterstützung meines Freundes, der die ganze Technik für mich pflegt, updatet, hostet, nach dem Rechten guckt, wenn es irgendwo klemmt. Heute bin ich auch besonders dankbar für ein Telefonat. Ich habe mich nämlich was getraut! Zuhören und Einfühlung geben kann ich ganz gut. Aber mich zeigen und sagen, wie es mir geht und was ich will – das ist schon hohe Schule. Und heute habe ich es gewagt und es hat sich gut angefühlt. Ich möchte auch ein Gespräch wertschätzen, das ich gestern Abend geführt habe. Im Grunde ging es dabei genau um diesen Themenkreis: Wie geht es dir & wie geht es mir/ was brauchst du & was brauche ich?! Es liegt kein Segen darin, wenn ich nur um den anderen kreise und keine Rückkopplung zu mir selber vornehme, mich auch nicht äußere, offenbare… Wir beide haben die gleichen Rechte und die gleiche Wichtigkeit. Was brauchst du, was brauche ich… Empathie ohne Selbstempathie ist Co-Abhängigkeit, ich zitiere es immer gern wieder. Und gestern und heute ist mir das noch einmal besonders deutlich geworden. Zu meiner Freude und Bereicherung.

Ich bin auch dankbar, dass ich mithilfe einer Hotline das Weihnachtsgeschenk für meine Mutter organisiert bekam. Und dass ich ein schönes Buch für meinen Vater fand. Ich bin dankbar, dass ich gesund bin. Es geht mir gut.

Gerald Jampolsky lädt mich heute wieder ein, meine bisherige Haltung in Frage zu stellen:

Lektion 14

Verletzen können mich nur
meine eigenen Gedanken
und Einstellungen

Heute habe ich viel über Projektionen gehört. „Das war eine Projektion. Da habe ich eine Projektion gehabt“. Das ist eine gute Gelegenheit, sich zu verletzen. Ich spüre förmlich das „autsch“ hinter diesen Worten. Ich hätte doch wissen müssen, dass das alles nur Schein ist, dass ich mir selbst etwas vormache… Ich glaube, wenn ich etwas erreicht habe in Sachen GfK, dann ist es eines: Diese verurteilenden inneren Stimmen bei mir und anderen wahrzunehmen und zu übersetzen. Ja, ich bin auf dem Weg zu aufrichtiger Selbstliebe. Wenn das kein Grund für Dankbarkeit ist…

So long!

Ysabelle

Gnade

Hallo Ihr Lieben!

Ich hatte neulich beim GFK-Netzwerk Treffen eine interessante Unterhaltung über Gnade. Bei dem Wort stellen sich mir normalerweise sofort die Nackenhaare auf. Gnade, unverdiente Güte, all das wurde in dem christlichen Kontext in dem ich groß geworden bin ungefähr so interpretiert:

>>Wir Menschen sind sündig, fehlerhaft, haben eigentlich überhaupt keine Daseinsberechtigung. Dass Gott uns duldet und vielleicht, ganz vielleicht leben lässt kommt nur durch seine Gnade zustande, verdient hätten wir es nicht.<< Na, Hallelujah!

Meine Partnerin in unserer Übung verstand das Wort ganz anders, freundlicher, liebevoller, positiver. Ich glaube ich kann es nicht mehr exakt wiedergeben, so wie sie es mir beschrieben hat. Und gleichzeitig hat es meine Sicht auf Gnade geändert:

Etwas geschenkt bekommen kommt mir jetzt in den Sinn.

Manchmal ist es doch so: Wir können Seminare besuchen, üben bis der Arzt kommt, meterweise Bücher lesen, die GFK immer besser verinnerlichen – wenn es drauf ankommt, Verbindung zu erzeugen, können wir nichts erzwingen. Die letzten Meter müssen einem geschenkt werden.

Besonders in der Heilungsarbeit wird mir das immer wieder bewusst, ob ich nun selber im Prozess bin oder jemanden begleite spielt dabei keine Rolle. Ich kann zwar meine Fähigkeiten einbringen, Methoden benutzen, einen Rahmen schaffen, den Raum halten, was auch immer – tiefe Verbindung, Heilung durch Empathie ist nichts was Ich zuwege bringe. Die „geliebte göttliche Energie“ wie Rosenberg sie nannte trägt die Heilung mit sich, und das Beste, was ich tun kann ist, das demütig anzuerkennen und mein Ego aus der Gleichung rauszunehmen.

Ich heile nicht. Manchmal wird mir das Geschenk gegeben, das durch mich Heilenergie fließt. Aber ich möchte nicht dem Irrtum verfallen, ich könnte das willentlich hervorbringen oder erzwingen. Ich möchte einfach lernen, alles anzunehmen was da kommt, zu folgen, ohne einen Weg im Kopf vorgezeichnet zu haben und neugierig zu sein, auf das, was da kommt. Vielleicht bekomme ich dann ein Geschenk…

“ Auf dem Bauch liegend zog [Artréju] sich weiter, dann hob er langsam den Blick und sah einen spiegelblanken, elfenbeinernen Bergkegel und auf dessen Spitze den blendend weißen Magnolienpavillon. Kein Weg führte hinauf, keine Treppe.

Artréju ließ den Kopf auf die Arme sinken.

Niemand, der je dort hinaufgelang ist und noch hinaufgelangen wird, kann sagen, wie er dies letzte Stück wegs zurückgelegt hat. Es muß einem geschenkt werden.“

Michael Ende, Die unendliche Geschichte

Markus

 

Ist das wirklich ein Bedürfnis?

Hallo Ihr Lieben!

Eine beliebte Beschäftigung in GFK Kreisen scheint die Beschäftigung mit Bedürfniswörtern zu sein. Ist Sex ein Bedürfnis? Sicherheit? Wie steht es mit Effektivität?

Ich finde die Unterscheidung zwischen Strategie und Bedürfnis sehr wichtig für Klärung und Wachstum. Wenn ich wirklich an die Wurzel komme eröffnen sich mir viele neue Möglichkeiten.

Ich glaube allerdings, dass ich diese Unterscheidung nur für mich selbst treffen kann. Kein anderer Mensch kann mir sagen, ob ich Sicherheit brauche. Es kommt einerseits darauf an, wie gut ich mich und mein Leben kenne, ob ich hinter der Sicherheit noch andere Bedürfnisse sehen kann, für die Sicherheit eine Strategie darstellt. Und andererseits auch, was ich mit dem Begriff verbinde, welche gefühlsmäßigen Qualitäten und Konnotationen hinter dem Wort stehen.

Einer der Grundgedanken hinter der GFK Philosophie ist, den Blick nach innen zu wenden, aufs innere Erleben zu schauen statt auf äußere Autoritäten. Marshall maßt sich zum Beispiel in seinen Büchern nie an zu schreiben „das ist falsch“ oder „Das ist kein Bedürfnis“, er schreibt „ich bin derselben/anderer Meinung“. Und das finde ich wichtig! Denn ich kann 100mal anderer Meinung sein, wenn ich weiß, dass es keine richtige oder falsche Meinung gibt kann das zu fruchtbarem Austausch führen. Wenn ich mich daran erinnere dann kann ich das Rechthaber-Spiel in der Ecke verstauben lassen und mich viel interessanteren Fragen zuwenden, wie zum Beispiel:

„Was bedeutet Effektivität für dich?“

„Woran erkennst du, dass dein Bedürfnis nach Sicherheit erfüllt ist?“

„Wie fühlt sich das an, wenn dein Bedürfnis nach Abstand erfüllt ist?“

„In welchen Lebensbereichen ist dir Selbstentfaltung besonders wichtig?“

 

Markus

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