Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Dankbarkeit: 19. Dezember

Hallo, Welt!

Tempus fugit – die Zeit rast! Und ich wollte schon eine Stunde im Bett sein, weil ich vergangene Nacht so schlecht geschlafen habe. Stattdessen stelle ich etwas für eine liebe Kollegin zusammen, die Samstag Geburtstag hatte. Ich habe ich eine CD/DVD von Eric Clapton und Wynton Marsalis geschenkt und zu meiner Begeisterung war sie begeistert. So macht Schenken RICHTIG Freude, wenn andere sich einfach so richtig über ein Geschenk freuen. Wunderbar, ich bin beglückt. Beglückt bin ich auch über ein Päckchen mit einer entzückenden kleinen Tasche und einem zauberhaften Kopfkissenbezug mit lauter Katzen drauf. Ach, ich werde verwöhnt! Dazu duften diese Liebesgaben auch noch nach Wildrose!

Also: Danke, dass sich die Freundin gefreut hat und Danke für die Geschenke. Danke, dass ich heil nach Hause gekommen bin. Ein Kollege hat heute die Nachricht bekommen, dass ein Mitglied seiner Familie ermordet wurde. So was sieht man doch sonst nur im Krimi, das kann doch nicht wirklich Menschen in echt passieren, nicht Menschen, die ich kenne und lieb habe! Ich bin in der dunklen Jahreszeit abends spät nicht gern allein unterwegs. Heute war alles gut.

Ich bin dankbar für die nette Mittagspause mit meinen Kumpels und für den kurzen Besuch eines früheren Kollegen. Schön, immer mal wieder Verbindung zu haben! Und jetzt werde ich dankbar ins Bett trotten, allerdings nicht ohne Euch den Jampolsky des Tages zu servieren (ist es Euch schon langweilig? Heiligabend ist Schluss damit…)


Lektion 19

Meine Beziehungen haben für mich nur noch den Sinn, Verbundenheit statt Getrenntheit zu fördern

Ja, vielen Dank auch, Herr Jampolsky. Es gibt einen Grund, warum auf meinen Bedürfniskärtchen drauf steht: Ist meine Absicht Verbindung?
Bin ich bereit, einen Weg zu finden, bei dem meine UND die die Bedürfnisse des anderen erfüllt werden? Bin ich bereit, meine bevorzugte Strategie aufzugeben?

Ja, noch steht da „aufzugeben“. In der nächsten Fassung wird dort stehen: Bin ich bereit, meine bevorzugte Strategie in Frage zu stellen?

Ich habe heute zu meinem Kummer wieder gespürt, wie meine „Rechthaberei“ der Verbindung im Weg steht. Ich finde es leicht mich mit jemandem wie Gabriel oder Corinna oder Christel oder Markus zu verbinden, weil wir alle miteinander davon ausgehen, dass jeder zu jeder Zeit sein Bestes gibt und wir sind bereit, beim anderen wunderbare Bedürfnisse zu vermuten, auch wenn wir die Strategie nicht feiern können. Aber im Gespräch damit konfrontiert zu sein, wie der andere mich bewertet, tadelt, kritisiert, die Hälfte weglässt und ich bin dann die Böse – uff. Es gelingt mir nicht, Verbundenheit zu erreichen. Dann brauche ich Schutz, Respekt und Abstand. Und wenn ich dann für mich sorge, dann bin ich mir wieder ein Stück dankbar.
Da schließt sich der Kreis, würde Dittsche jetzt sagen.

So long!

Ysabelle

Entscheidungsfreiheit

Hallo Ihr Lieben!

Eine befreundete Trainerin hat mir einen interessanten Kommentar zu meinem letzten Artikel geschrieben:

„… Und klar ist es sinnvoll sich zu entscheiden – ich frage mich nur, ob man das kann, wenn eine Quelle so heftig sprudelt?

Kann, ohne einen wesentlichen Teil von sich abzuspalten?

Wie komme ich zu freier Entscheidung darüber, wer ich sein will?“

Die Frage finde total spannend! Habe ich das überhaupt selber in der Hand? Kann ich selbst entscheiden, wer ich sein will?

In der GFK gibt es ja das Axiom, dass niemand etwas tut, für das er sich nicht entscheidet. Oder positiv formuliert, ich entscheide mich für alles, was ich tue.

Ich möchte die Einschränkung hinzufügen, dass ich mich nicht unbedingt für alles bewusst und eigenmächtig (self-empowered) entscheide, oder auch alles will, wofür ich mich entscheide.

Und an der Stelle wird es interessant. Was führt mich dazu, bewusste Entscheidungen zu treffen? Was veranlasst mich, bewusst über mein Leben nachzudenken, eine Vision von dem zu entwickeln, was ich sein will, meinen eigenen Lebensplan zu erspüren und Schritte in Richtung Freiheit und Selbstverwirklichung zu gehen?

Ich muss natürlich nichts bewusst entscheiden, ich kann mein Leben auch rein passiv leben. Dann stoßen mir die Dinge halt irgendwie zu und ich darf reagieren. Das muss noch nicht mal unangenehm sein, ich kann auf die Weise auch schlafwandlerisch alle meine Bedürfnisse erfüllt bekommen wenn es gut läuft. Ich bin mir dessen dann halt nur nicht wirklich bewusst, ich weiß dann nicht, welche Kräfte am Werk sind, was von mir kommt und was von außen, ich sammle dann wenig Erfahrung darin, mein eigenes Leben zu gestalten und in eine Richtung zu lenken die meinem Geist oder meinem Körper gefällt. Schlecht ist das nicht, sowenig wie der Kindergarten im Vergleich zur vierten Klasse schlecht ist.

Aber es ist eben nur ein Teil dessen, was das Leben für mich bereithält. Wenn ich mein Leben wirklich wach lebe kann ich die Höhen und Tiefen wesentlich aktiver genießen und auskosten. Insofern ist diese bewusste Entscheidung für mich sehr wertvoll. Um das aber überhaupt einmal zu merken brauch es oft eines Aufwachens.

Menschen wie mein leidender Kommilitone haben sich wahrscheinlich noch nicht aktiv und bewusst dafür entschieden, welche Richtung ihr Leben nehmen soll. Das verurteile ich nicht, im Gegenteil, ich habe ja selbst noch tausend blinde Flecken die ich noch nicht angeguckt habe. Und wahrscheinlich brauchen sie auch noch einiges an Empathie oder Begleitung, bis sie wirklich an ihrem Kern angekommen sind.

Ich habe allerdings bei manchen den Verdacht, dass Empathie ihnen eher hilft, ihren Zustand länger auszuhalten. Dass sie Zuhören eben nicht dafür nutzen, sich zu klären um etwas zu verändern, sondern um weiter das marode System aufrechtzuerhalten. In dem Fall halte ich Ehrlichkeit für sinnvoller, in seinem Fall vielleicht die Ehrlichkeit, dass ich mir das nicht länger anhören möchte, weil ich Bedürfnisse nach Sinnhaftigkeit und Verbindung habe, und seine Worte nicht dazu beitragen sie zu erfüllen. Und dass ich auch nicht die Kapazitäten dafür habe, ihm so zuzuhören, wie er es bräuchte. (Wahrscheinlich würde ich es anders ausdrücken)

Irgendwie bezweifle ich, dass er schon oft von irgendwem ein ehrliches Feedback bekommen hat – ehrlich im Sinne von „ich fühle und brauche“, nicht im Sinne von „du bist zu anstrengend“. Vielleicht würde es ihm helfen, wirklich mal klar zu sehen, was er da macht, und auch tatsächlich mal Empathie anzunehmen wenn sie irgendwoher kommt.

Ich möchte aber noch erwähnen, dass Empathie meiner Meinung nach nicht dazu dient, Gefühle oder Leiden „abzustellen“. Sehr oft ist es ein Resultat der Empathie, dass sich Probleme und schwierige Gefühle leichter ertragen lassen, vielleicht sogar auflösen. Und wichtig dafür ist paradoxerweise grade, die Gefühle anzunehmen und zu betrachten, ohne sie wegmachen zu wollen. Vielleicht ist es noch nicht an der Zeit, dass sich bei mir ein Schmerz auflöst, weil ich noch nicht gesehen habe, womit er zusammenhängt und was ich daraus lernen kann. Das gilt es dann erst einmal herauszufinden.

Denn vielleicht ist es sogar so, dass wir Schwierigkeiten, Probleme und Leiden in unserem Leben brauchen, um uns weiterzuentwickeln. Es gibt da diesen Witz wo sich der bisher stockstumme fünfjährige Peter plötzlich am Frühstückstisch beschwert, die Marmelade sei alle. Die Eltern sind ganz schockiert, weil sie schon alles versucht haben, um ihn zum Sprechen zu bewegen. „Bisher war doch alles perfekt“ meint Peter da nur.

So ähnlich denke ich mir manchmal das Leben. Wir kommen auf diese Welt und nehmen erst mal das, was wir vorfinden, als gegeben hin. Sind unsere Eltern religiös, Vegetarier, gewalttätig? So funktioniert das Universum halt, so funktioniert bald auch unser Denken. Als Kinder übernehmen wir erst einmal alles von unseren Bezugspersonen, nehmen sie als Orientierung ohne uns bewusst abzugrenzen. Das muss noch nicht einmal heißen, dass wir dieselbe Meinung haben wie sie. Es heißt einfach, dass wir nur einen bestimmten Ausschnitt der Realität sehen und mit der Gesamtheit verwechseln.

Das erste Mal wo wir uns selbst positionieren kommt spätestens und hoffentlich in der Pubertät, wo wir vieles ablehnen, unseren eigenen Weg gehen wollen, oft ist es ein wahres Ringen um das eigene Selbst. Aber nicht nur die Pubertät, jede Situation in unserem Leben, wo unsere erlernten Schemata nicht mehr funktionieren, ist eine Chance zur Weiterentwicklung des eigenen Selbst. Wenn wir zum Beispiel ein Buch lesen, einen Vortrag hören oder uns mit jemandem unterhalten und denken uns „so ein Quatsch“, „das ist falsch“, oder irgendso etwas, immer dann haben wir die Möglichkeit, etwas neues zu lernen. Was wir als richtig erachten kennen wir ja schon, deswegen können wir nur neues lernen, wenn wir uns auf „falsche“ Ansichten einlassen.

Auch Krankheiten, Krisen, Schicksalsschläge, Depressionen und andere psychosomatische Erkrankungen sind meiner Meinung nach gute Weckrufe, die leider viel zu häufig nicht als solches gedeutet werden. Ich habe Menschen kennengelernt, die erst drei (!) Herzinfarkte brauchten, um sich wirklich bewusst mit ihrem Leben auseinanderzusetzen. Das wünsche ich niemandem, und doch kann so etwas manchmal nötig sein, weil sonst einfach keine Veranlassung besteht, sich wach mit dem eigenem Leben auseinanderzusetzen.

Nicht umsonst kommen die meisten Menschen eher mit Konflikten als mit freudigen Ereignissen in GFK Gruppen. Ich kann mir auch Empathie holen wenn ich mich freudig erregt, dankbar, wohlig gestimmt, geborgen fühle. Auch diese Gefühle kann ich mit einfühlsamer Begleitung wesentlich intensiver erleben. Aber wie viele kommen auf den Gedanken, bei ihren Empathie Buddys anzurufen wenn es ihnen grade so richtig gut geht? (Probiert es mal aus, es lohnt sich)

🙂

Wenn wir in unserem Leben Hindernissen oder fremden Ansichten gegenüberstehen haben wir also jedes Mal die Wahl, stehenzubleiben und zu leiden oder sie zu erklimmen und zu wachsen. Das Leben hat da keine Präferenz, ich bekomme ein und dieselbe Aufgabe immer und immer wieder gestellt, bis ich mich von ihr löse, eine Lösung von ihr finde um nicht länger daran zu kleben. Aber ob das heute oder morgen oder im nächsten Leben geschieht spielt keine Rolle, es gibt keinen Highscore.

Die Frage bleibt, kann ich mich frei für das eine oder andere entscheiden?

Eine endgültige Antwort wird es auf diese Frage glaube ich nie geben. Deswegen möchte ich einfach so tun als ob und mich weiterhin an meiner Weltsicht freuen. Selbst wenn ich Unrecht haben sollte macht mir das Leben so jedenfalls wesentlich mehr Spaß 😉

>>Darum scheint mir das, was ist, gut, es scheint mir Tod wie Leben, Sünde wie Heiligkeit, Klugheit wie Torheit, alles muss so sein, alles bedarf nur meiner Zustimmung, nur meiner Willigkeit, meines liebenden Einverständnisses, so ist es für mich gut, kann mich nur fördern, kann mir nie schaden.<<

Hermann Hesse, Siddartha

PS: Diesen Artikel von Niklas finde ich dazu auch noch sehr lesenswert, da er das Thema noch von einer ganz anderen Seite beleuchtet –Können wir nicht wollen was wir wollen?

 

Dankbarkeit: 18. Dezember

Hallo, Welt!

Ich bin dankbar.
Dankbar für die SMS aus Göttingen gestern Abend, mit der drei GfK-Mädels die Weichen für eine grandiose Silvesterfeier gestellt haben. Denn das hat heute einiges an Mailverkehr verursacht und nun gibt es eine wunderbar beglückende Verabredung für den Jahreswechsel.

Dankbar bin ich meinem Sohn, der sich bei mir gemeldet hat. Ich wünsche mir, dass ich bei schwierigen Gesprächen noch besser im Giraffenmodus bleiben kann, und dem Drang mich zu erklären besser widerstehe, als es mir heute gelungen ist. Anscheinend ist der Schmerz bei mir aber einfach zu groß; mehr als ich in dem Gespräch geleistet habe, war heute nicht möglich und ich möchte mit dem zufrieden sein, was heute machbar war.

Dankbar bin ich für den zauberhaften Besuch, den ich heute hatte. Er wollte gar nicht entertained werden, sondern schien ganz zufrieden damit fernzusehen, während ich einen recht großen Korb Bügelwäsche weggefiedelt habe. Das erfüllte aufs Wunderbarste mein Bedürfnis nach Gemeinschaft, Verbindung, Austausch, Nähe, Wärme und Leichtigkeit. DANKE!

Ein Dank geht auch an mich, dass ich mir wirklich Pausen und sogar einen wenn auch späten Mittagsschlaf gegönnt habe.
Überhaupt war mein Tag heute voller Verbindung und Austausch, Wertschätzung und Unterstützung, das möchte ich feiern.

Gerald Jampolsky hat für heute im Angebot:

Lektion 18

Ich sehe keinen Wert mehr darin, daß ich
mir oder anderen Vorwürfe mache

Äh. Ja.
Super. Das hätte ich gern während des Gesprächs mit meinem Sohn vor Augen gehabt. Natürlich sehe ich da keinen Wert mehr drin. Da hat noch nie ein Wert drin gelegen. Wozu soll das (denn) gut sein, pflegte ein langjähriger Freund gern zu sagen. Zu nichts, Leute, zu nichts!!! Ich gebe mein Bestes, mein Sohn gibt mein Bestes, wir alle versuchen zu jedem Zeitpunkt nur auf unsere beste Art unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn wir es besser könnten, würden wir es besser tun…
Nach diesem Bericht auf Arte über das automatische Gehirn ist allerdings mein Vertrauen, dass die Erkenntnis von der Großhirnrinde mal da hinsickert wo eigentlich die Entscheidungen getroffen werden, deutlich geringer. Aber in dem Bericht heißt es auch, dass man neue Möglichkeiten üben kann und dass das Gehirn elastisch genug ist, um neue Lösungen zuzulassen. Also bleibt wenigstens noch ein bisschen Hoffnung.

So long!

Ysabelle

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