Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Die richtigen Worte…

Hallo, Welt!
12 Tage habe ich nichts von einer Freundin gehört, heute nun hat sie mich besucht.
Dabei habe ich Näheres erfahren, warum sie eine Beziehungspause eingelegt hat. Auslöser war ein SMS-Wechsel am Samstag vor zwei Wochen, als ich noch mit beiden Beinen in Tapete und Seminarvorbereitungen steckte.

Sie schreib:
Huhu Ysabelle, komm grad mal wieder vom Arzt, ihm gefällt das alles nicht. Ich soll in die Röhre. Er meint Bandscheibenvorfall. Flügel lahmt und schmerzt weiter. Jammer. Kommt Ihr voran? Winke, (Name der Freundin).

Ich antwortete: Blöd, dass es noch nicht besser ist. Hier ist noch nichts zu sehen.

Ich war etwa eine Stunde vor dieser SMS bei ihr zu Hause gewesen und hatte sie nicht angetroffen, aber eine Info in die Tür gesteckt. Ihre nächste SMS etwa 45 Minuten später lautete: Hatte deine Karte in der Tür, als ich grad home gekommen bin. Hast du dich zu mir verirrt?

Ich erinnere mich noch, wie ich mich über diese Formulierung geärgert hatte. Ich hatte mich nicht verirrt. Ich war bei ihr gewesen, weil ich mir Sorgen gemacht hatte und nach ihr gucken wollte. Als sei es so ungewöhnlich, dass ich zu ihr komme… Der Rest der Konversation wurde per Mini-Mails fortgesetzt, aber Verbindung bekamen wir trotzdem nicht hin. Mein Bedürfnis nach Gesehen werden (ich war bei dir und ich habe für dich mit eingekauft, damit du heute eins deiner Lieblingsessen bei mir essen kannst und nicht kochen musst) war ebenso unerfüllt wie ihre Bedürfnisse nach Fürsorge und Gesehen werden.

Heute nun haben wir versucht, diesen unglückseligen Vormittag aufzudröseln und ich bin einfach nur frustriert und traurig.
Einer meiner Wölfe meint, ich hätte wissen müssen, dass sie etwas braucht, als sie mir diese erste SMS schickte. Andere Stimmen melden sich und sagen, hey, du warst da, du hast für sie mit Essen eingekauft. Und die Tatsache, dass sie die Formulierung „Blöd, dass es noch nicht besser ist“ schwer hören kann, liegt nicht an der Formulierung, denn du weißt, mit welcher Haltung du das abgeschickt hast. Es war der Versuch, Einfühlung zu geben. Bei mir kam also ihre Nachricht mehr auf dem Sachohr an und ich habe auf dem Sachohr reagiert. Gerichtet war sie aber ans Beziehungsohr und das war wahrscheinlich gerade voll mit Tapetenkleister. Jedenfalls habe ich sie nicht auf dem Beziehungsohr wahrgenommen. Und das macht mich traurig, denn wenn mir klargewesen wäre, was die Freundin gebraucht hätte, hätte ich es ihr sicher gern gegeben.

Ich kenne vergleichbare Situationen aus meinem Leben. Jemand reagiert auf mein Gesagtes und bei mir geht das Licht aus, bildlich gesprochen. Es wird eisig kalt, ich straffe mich innerlich und werde länger und aufrechter. Und dann gehe ich aus dem Kontakt. Ein innerer Anteil sagt so etwas wie „die sind alle doof und auf die kannst du dich sowieso nicht verlassen“, und dann gürte ich innerlich mein Schwert und ziehe weiter.

ich bin ziemlich sicher, dass es sich dabei um einen unbeelterten Kindanteil handelt. Denn dieser Anteil ist es (leider) gewohnt, in schwierigen Situationen allein zurechtkommen zu müssen, keine Unterstützung zu haben. Nicht im Kindergarten, nicht auf dem Schulhof, nicht beim Elternabend. Deshalb schmerzt es besonders zu erleben, wie meine Freundin und ich es in dieser Situation vor 12 Tagen eben nicht geschafft haben, zueinander zu kommen.

Ich habe solche Eises-Situationen selbst schon eine ganze Weile nicht mehr gehabt. Wenn ich darüber nachdenke, erlebe ich sogar eher das Gegenteil. Ich glaube, es liegt daran, dass es mir heute leichter fällt, um das zu bitten, was ich brauche. Und möglichst auch an einer Stelle, an der es zu kriegen ist. Ihr erinnert Euch sicher, ich frage ja gern nach einer Klobürste im Gemüsegeschäft und bin dann frustriert, wenn der Grünhöker keine da hat. Aber zum Beispiel jetzt, als das Tapeten-Desaster bereinigt werden musste: Da konnte ich ganz konkret eine Bitte formulieren. Und sie wurde erfüllt.

Auch wenn ich merke, dass mir Einfühlung fehlt, werde ich in letzter Zeit deutlich konkreter. Ich habe mehrere FreundInnen, die ich direkt ansprechen kann, ob sie mir Empathie geben können, und es macht nichts, wenn eine(r) mal keine Zeit hat. Ich muss das nicht persönlich nehmen und ich entwickle ein Stück weit Vertrauen in das Leben. Empathie und Unterstützung werden mir zuteil. es hilft aber sie zu kriegen, wenn ich verständlich darum bitte. Und ich kann ein Nein hören, denn das Nein meines Gegenübers ist ein Ja zu etwas anderem.

Das ist eines der Geschenke der GfK.
Halleluja.

So long!

Ysabelle

Eine Bitte um Unterstützung

Hallo, Welt!
Immer noch Do-Nothing-Tag. Die Katzenklos sind gemacht, der Papiermüll ein wenig komprimiert und der aktuelle Korbinhalt noch dazugestopft. Eben habe ein paar Seminarunterlagen vom Wochenende nach unten getragen und festgestellt, dass da ganz viel zu sortieren ist. Formblätter von anderen Trainern, Infos aus dem Netz, eigene Folien etc. Jetzt gibt es dafür einen Raum und im Prinzip auch Zeit (wenn’s nicht gerade heute ist, heute tue ich ja mal nichts…).

Also: Wer von Euch, meine GfK-Freunde in der näheren Umgebung, wäre bereit, mit mir innerhalb der kommenden zwei Wochen einen halben Tag diese vielen Informationen zu sichten und zu sortieren und daraus vielleicht ein kleines Archiv zu erstellen? Wir könnten dabei diskutieren, welche Blätter wir für sinnvoll halten, welche Veränderungen wir selbst vornehmen würden und ob wir sie in unser Repertoire von Trainingsunterlagen aufnehmen wollen. Solch ein Treffen würde meine Bedürfnisse nach Gemeinschaft, Verbindung, Leichtigkeit, Wachstum, Entspannung, Sinnhaftigkeit, Ordnung, Wertschätzung, Struktur und Schönheit aufs tiefste erfüllen.
😉 Freiwillige vor!

So long!
Ysabelle

Do-Nothing-Day

Hallo, Welt!
Es ist wieder mal so weit, es gibt einen Tag ohne Eintrag im Terminkalender. Mal abgesehen von zwei Verabredungen zum Telefonieren. Gestern Abend habe ich noch verkündet, dass ich heute mal die Seele baumeln lasse, nichts tue. Vielleicht meinen wunderbaren Do-Nothing-Raum feiere, mich dort auf den Sofas lümmel, endlich in einem Buch weiter lese, das mich vor einigen Wochen sehr angesprochen hat. Eventuell die Sonnenstrahlen bei einem Spaziergang genieße…
Ich bin um kurz vor acht aufgestanden, um eine To-Do-Liste zu schreiben, weil mich das Getöse im Kopf so wuschig gemacht hat.
Also: Es sind zwei Rechnungen zu bezahlen, die Katzenklos zu machen, die Unterlagen für die Steuererklärung müssen bearbeitet werden, noch immer fehlt der Brief an meine Assessorin im Zertifizierungsverfahren, für das Programmheft eines Bildungsträgers ist ein Text zu schreiben, ein Seminarkonzept für Pflegekräfte muss erstellt werden. Im Wirtschaftsraum will ich das 80-cm-Billy-Regal gegen ein 60er austauschen. Elektroschrott muss zur Sammelstelle. Im Schlafzimmer steht eine ganze Kiste mit Papier, die durchsortiert werden muss. Das hat aber heute keinen Sinn, weil die Papiertonne zum Überlaufen voll ist. Nicht zu vergessen der Korb Bügelwäsche.

Was also tun? Do nothing? Geht das überhaupt? Ich vermute, mein innerer Erzieher ist so unglaublich besorgt, dass er Ruhe im Moment nicht erträgt, weil es dann so laut in mir brüllt, ich würde wichtige Pflichten versäumen.

Pflichten und Muss… dazu hat Marshall sich mehrfach und wiederholt geäußert. Don’t do it if it is not play/fun.
Hey, kennt Ihr jemandem, dem die Steuererklärung Spaß macht? „But I have to“… aber ich muss das doch machen…
Und dann sagt meine innere Stimme, jetzt mach das doch endlich, und hinterher freust du dich, wenn du fertig bist.
Und ein anderes, recht leises Stimmchen sagt, aber mal einen Tag nichts tun nach diesem ganzen Gehazzel der letzten Monate muss doch drin sein…
Ich merke gerade, wie ich ganz traurig werde. So ein Gehetze, so viel Druck… so viel Angst, etwas zu versäumen.

Gestern hatte ich die brüllende Idee, mit jemandem eine GmbH in Sachen GfK gründen zu wollen. Dieser Gedanke hat mich über Stunden so beschäftigt, dass ich im Geiste schon das Briefpapier und den Webauftritt gestaltet habe. Im Ergebnis habe ich zum einen bei der Realitätsüberprüfung festgestellt, dass mein Gegenüber in dieser Angelegenheit auf einem ganz anderen Planeten ist, und dass ich vergessen habe, dass ich eine feste Telefonverabredung für den Abend habe. Und so verging ein Nachmittag und ein Abend und es ist nichts Konstruktives dabei herausgekommen. Um wenigstens noch ein bisschen Gold aus diesem Gedankenspiel zu ziehen, habe ich geguckt, welche wunderbaren Bedürfnisse ich mir mit der Gründung einer GmbH erfüllen wollte. In erster Linie Sicherheit, Schutz und Unterstützung. Vielleicht auch Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit. Ok, das war dann eine Strategie, die gerade nicht dran ist. Loslassen. Loslassen und auf die dahinter liegenden Bedürfnisse schauen.

Hier gibt es heute eine Menge Dinge zum Loslassen. Vielleicht fange ich damit an.
Ich lasse los. Guck an, das gibt es sogar als Video bei Youtube.
http://youtu.be/ERmJ9eY35KU

Das Lied ist von Mark Fox und Angelika Thome. Die CD dazu heißt „Living Mantras“. Achtung, die beiden lassen 5:33 Minuten los, wenn man gerade nicht loslassen kann, ist das ganz schön lang 😉

So long!

Ysabelle

Alle haben überlebt. Ich auch.

Hallo, Welt!
An diesem Wochenende fand also mein erster Volkshochschulkurs „Einführung in die Gewaltfreie Kommunikation“ statt. An dieser Stelle *D*A*N*K*E* an alle Freundinnen und Freunde, die das Manuskript Korrektur gelesen haben. Ich konnte viele hilfreiche Änderungen einfügen. So fand Ursula einen Haufen „Neue Rechtschreibung“-Fehler, Ricarda entdeckte Formatierungspannen und Farbunterschiede in den Schriften und Friedrich fiel auf, dass ein wichtiges Kapitel gar keine Überschrift hatte. Huch!
Im Vorfeld ging so einiges schief. Unter anderem zerplatzte die Formatierung der Seminarmaterialien von Powerpoint in Pdf. Und sie zerplatzte zwischen Mac und Windoof. Alles noch mal formatieren, am anderen Rechner alle 14 Seiten checken. Und dann einmal falsch absichern und es noch mal machen… Zu guter Letzt starb mein Drucker am Freitagnachmittag und Freundin Steffi rannte um 17.35 Uhr in den nächsten Büroartikel-Laden, um noch schnell 15 Handouts zu kopieren. Mein Seminarkonzept habe ich dann nachts um halb zwölf in himmelblau und rosa ausgedruckt, schwarz verweigerte der Epson.

Sonntagmorgen stellte ich dann während des Seminars fest, dass ich zwei Mal die gleiche Übung eingeplant hatte. Einmal haben wir sie Samstag Vormittag gemacht, dann aber doch besser Sonntagmittag weggelassen. Das kommt davon, wenn man diese letzten Krümel erst abends um elf zusammen tippt, nach einer arbeitsreichen Woche. Noch dazu in einem angelegten Formular, dessen Formatierung verschwindet. Und ich mir behelfe mit „sichern unter“ und dann anscheinend nicht alles aus dem Formular vom Vortrag rausgelöscht habe. Oh ja, coole Übung, die machen wir…

Mir war vorab mitgeteilt worden, dass der Kurs 16 Stunden umfasst. Also habe ich für 16 Stunden Unterricht vorbereitet und mich gewundert, wieso von 10-17 Uhr inkl. Mittagspause 8 Stunden sein sollen? Vielleicht stimmt was mit den Seminarunterlagen nicht?

Ok, Unterrichtsstunden a 45 Minuten. Es waren dann also mal nur 12 Zeitstunden realer Unterricht. Also: Sachen weglassen. Schade!

Ich bin verblüfft festzustellen, dass die Menschen mit der Erwartung kommen, „ich mache ein Wochenend-Seminar und dann kann ich das“. Ich mach das jetzt das sechste Jahr intensivst (ich wüsste nicht, wie man das noch intensiver machen kann), und ich behaupte nicht von mir, dass ich das kann. „I grow constantly less stupid“, möchte ich Marshall zitieren.

Am Ende konnte ich dann vier Rückmeldungsbögen einsammeln. Zumindest die Menschen, die die Bögen ausgefüllt haben, scheinen zufrieden zu sein. Was noch nicht so gut geklappt hat, war das Zeitkonzept für die Gruppenarbeiten. Die Gruppen waren zum Teil sehr unterschiedlich schnell. Und eine Gruppe hat am zweiten Tag tatsächlich eine halbe Stunde rumgesessen. Bei diesen teilweise intensiven Prozessen finde ich es schwierig, vier Gruppen gleichzeitig zu betreuen. Es braucht nur einer pro Gruppe mit seinem eigenen Beispiel zu kämpfen und schon sind 10 Minuten um. Wenn ich dann in der zweiten Gruppe zu Hilfe komme, sind 20 Minuten um und die dritte Gruppe plauscht schon und stöbert per IPad im Internet. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass die Aufgabe anders gelöst wurde als von mir erwünscht. Anscheinend war ich nicht so klar in meiner Bitte, was gemacht werden soll.

Insgesamt sind wir durch die vier Schritte gekommen, wir haben einen Haufen Interpretationsgefühle gemeinsam gesammelt und als Gruppe in Gefühle übersetzt, wir haben die lebensentfremdende Kommunikation gestreift, wie Marshall sie benennt (Verantwortung leugnen, Schuld zuweisen, analysieren etc.). Ganz zum Schluss haben wir noch eine lustige Vier-Ohren-Übung gemacht. Zumindest gab es viel Gelächter. Ich hätte mir noch mehr Zeit für ein Spiel oder Nachfragen gewünscht. Und über die während des Seminars eingesammelten Selbstabwertungen hätte ich auch gern noch mehr gesagt als nur den Hinweis, „das ist Wolf innen“.
Ich bin gefragt worden, ob ich einen Fortgeschrittenen-Kurs anbiete. Und mehrere Leute haben nach der Übungsgruppe gefragt. Und jetzt bin ich einfach nur platt.

Beim nächsten derartigen Kurs würde ich gern mit jemandem zusammenarbeiten. Entweder das Seminar zu zweit anbieten oder eine Assistenz dabei haben. Und ich möchte klarer mit meinen Zeitansagen für die Gruppenarbeit werden. Und ich möchte die Aufgabenbeschreibung vorher wortwörtlich aufschreiben, vielleicht sogar einen Übungsbogen dazu herausgeben, damit es nicht zu Irritationen und Missverständnissen kommt.

Jetzt aber erst mal verschnaufen.
Die vergangenen drei Monate waren eine Herausforderung. Ich bin zufrieden damit, wie ich sie gemeistert habe. Sicher geht es immer noch „besser“, aber ich bin zufrieden. Viele Dinge haben sich geklärt, viel hat sich bewegt. Jetzt kommt die Zeit, in der Dinge sacken dürfen, Neues sich entfalten. Dienstag stelle ich mein Seminarkonzept bei einem anderen Bildungsträger vor. Und am 8. Mai habe ich ein Gespräch mit Simran K. Wester, von dem ich mir wunderbare neue Impulse verspreche. Und bis dahin einfach mal: Atmen.

So long!

Ysabelle

Kommunikations-Zauber geht online

Hallo ihr Lieben,

seit ein paar Tagen steht endlich meine eigene Internetpräsenz im Netz: Auf Kommunikations-Zauber.de erfahrt ihr einiges über mich und meine Angebote, zum Beispiel die neue Übungsgruppe in Heide.

Ich freu mich total und bin irre stolz darüber, dass ich endlich eine eigene Seite online habe!!

Ich habe vor, noch einiges an den Seiten zu ändern und hinzuzufügen, gleichzeitig haben sie jetzt einen Punkt erreicht, da ich mit ihnen zufrieden bin und mich mit ihnen nach draußen wagen möchte. 😀

Markus

Wer Gewalt sät…

Hallo, Welt!
Hier liegen drei angefangene Postings und gleichzeitig ist heute Morgen etwas anderes dran.
Über Oliver Heuler bin ich auf dieses Video aufmerksam geworden. ACHTUNG! Wer durch Gewalt oder ähnliches traumatisiert ist, sollte das eingebettete Link nicht anklicken.
Es handelt sich um einen Film, der in einer Einrichtung für Schüler entstanden ist, der Vorfall war 2002. Bislang war das Video verschwunden, jetzt wurde es als Beweismittel in einem Gericht verwandt. Die Bilder zeigen, wie ein behinderter Junge/ein junger Mann mit Elektroschocks gefoltert wird, weil er seinen Mantel nicht ausziehen wollte. Seine Mutter berichtet vor Gericht, dass ihr Sohn nach dieser „Behandlung“ nicht ansprechbar war, keine Reaktionen zeigte. Im Krankenhaus wurde dann festgestellt, dass er durch die Schocks traumatisiert worden war.
In dem Film schreit sich der Junge die Seele aus dem Leib. Und ich stelle etwas Schockierendes an mir selber fest. Ein Teil von mir ist entrüstet, entsetzt, fassungslos, möchte am liebsten sofort eingreifen. Und ein anderer Teil ist geradezu leidenschaftslos. Da wird jemand gefoltert, ein Kind. Na und? HILFE! Marshall sagt, dass wir alle von Natur aus einfühlsame Wesen sind. Was ist mit mir passiert, was habe ich mit mir gemacht, dass meine Menschlichkeit auf der Strecke geblieben ist? Wieso gibt es einen Teil von mir, der so etwas ungerührt zur Kenntnis nehmen kann? Es gibt ja mittlerweile ganze Testreihen wie das Milgram-Experiment oder das Stanford-Prison-Experiment, wo Menschen zeigen, was möglich ist, wenn sie Befehle und Anordnungen bekommen. Sie geben ihre Verantwortung ab, sie entfernen sich vom Leben. Ich bin entsetzt und traurig. Ich bin nicht besser als die Schläger (es geht doch nichts über einen schönen, vernichtenden Vergleich…).
In diesen Tagen muss sich Anders Breivik in Norwegen vor Gericht verantworten, der im vergangenen Juli 77 Menschen getötet hat. 68 Menschen erschoss er auf der Insel Utoya, die meisten von ihnen Schüler und Studenten. In einer Stellungnahme hat Breivik beteuert, er habe die westliche Welt vor dem Islam beschützen wollen. Er wähnte sich im Krieg. Spiegel online schreibt von der „Demontage des Bösen“. Nachdem ich den Artikel gelesen hatte, konnte ich mich das erste Mal mit Breivik verbinden. Für sein persönliches „Scheitern“ an so vielen Schnittstellen – Schule, Beruf, Beziehung – musste es einen Schuldigen geben. Getreu dem Motto: Du bist Scheiße oder ich bin Scheiße. Und bevor ich Scheiße bin, sollst es doch lieber du sein. Nun waren es die Moslems, die Migranten. Und mit diesem Feldzug wurde Breivig zum Helden. Jedenfalls ist das seine Sichtweise. Der Retter der westlichen Zivilisation. Es gibt tatsächlich sogar einige Leute, die das glauben.
Ich bin gerade ganz still innerlich.
Solange wir in diesem System von Richtig oder Falsch leben, solange wir vergleichen und nicht die Einzigartigkeit eines jeden Menschen feiern, wird es solche Vorkommnisse geben. Wachleute werden behinderte Jugendliche foltern, Eltern ihre Kinder schlagen, Attentäter Andersgläubige ermorden.

Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, dass dieses System irgendwann der Vergangenheit angehört. Wahrscheinlich ist es am besten, ich fange bei mir selber an. Ich verzeihe mir meine ambivalenten Reaktionen auf das Video. Und ich bereite den GfK-Volkshochschulkurs vor, den ich am Wochenende in Hamburg gebe.

So long!

Ysabelle

Kraut und Rüben (12 A)

Hallo, Welt!
Zunächst mal Neues aus dem Tapetenhain. Noch zwei volle Bahnen und ein bisschen Gestückel rund um die Heizung, dann glänzt der Palast in zartem Perlmutt. Die lange Wand ist einen Tick dunkler und ein Hauch kräftiger im Muster, ich denke, der Raum kann das ab.
Wer von Euch jemals in Erwägung ziehen sollte, ein Zimmer mit Vliestapete zu verschönern – lasst es! Es hat zwei Tage gedauert, die Wände vorzubereiten. Sie haben einen neuen Gipsputz bekommen und wurden anschließend noch gespachtelt und geschliffen. Heute hat es dann noch wieder STUNDEN gedauert, bis die Tapeten kleben blieben. Der Kleister muss wirklich sehr dick auf die Wand aufgetragen werden. Mein Tapezierkünstler ist ein Virtuose an der Bürste und am Moosgummi-Roller. Nichts für Laien, ehrlich! Heute wird es nichts mehr mit den Scheuerleisten, aber ich habe Hoffnung, dass ich Morgen Abend in diesem Raum vor dem Fernseher abhänge. Yeah! Die Fenster habe ich schon mal geputzt.

Dann, liebe Freundinnen und Freunde, möchte ich Euch mitteilen, dass es sich bei dieser Nachricht um das Posting Nummer 601 handelt. Der Blog besteht seit Ende Januar 2010, ich finde, das ist ein sehr ordentlicher Ausstoß. Im Moment kommen im Schnitt am Tag 20 Leute vorbei.

Ich habe außerdem etwas gelernt, was mich wieder einmal darin bestätigt, dass andere nur der Auslöser sind und wir uns unsere Filme selber machen. Dabei ging es um ein Geschenk, das ich jemandem gemacht habe, und derjenige wollte es nicht annehmen. Inzwischen weiß ich, warum dieser Mensch das Geschenk nicht wollte. Ich habe meinem früheren Chef etwas sehr Ähnliches geschenkt, und da er den nicht schätzt, nahm er sein Geschenk in seiner Einzigartigkeit nicht mehr wahr. Ich komme mit dieser Information sehr gut zurecht und sie macht mich auch nicht (mehr) traurig oder wütend. Vielmehr bin ich dankbar, dass ich jetzt Klarheit habe, warum mein Geschenk nicht (mehr) willkommen war.

Außerdem möchte ich feiern, dass die Gefühls-Spielkarten auf dem Weg sind. Gabriel hatte sie über Ostern fertig gemacht und ich habe heute ein Muster-Set laminiert und beschnitten. Ich kann mir vorstellen, dass man sie sehr gut für Empathiegespräche in Übungssituationen einsetzen kann. Während der eine erzählt, sucht der andere aus den 55 Karten die heraus, die ihm passend erscheinen. Es gibt zurzeit 20 Gefühle bei erfüllten Bedürfnissen und 34 bei unerfüllten. Und es sind keine Interpretationsgefühle wie „provoziert“ oder “im Stich gelassen“ dabei. Ich bin schon ganz heiß drauf, die gedruckten Exemplare in die Hand zu bekommen. Aber unsere Erfahrung mit den Bedürfniskarten lehrt, dass es sinnvoll ist, erst mal eine Weise mit den Nullnummern zu spielen und dann erst größere Stückzahlen zu drucken.

So, ich wandele jetzt noch mal in den Tapetenhain und gönne mir mit dem Künstler ein alkoholfreies Radler. So viel Spaß muss sein…

So long!

Ysabelle

Software-Update für den Navi im Kopf

Hallo, Welt!

Wenn ich bei C & A oder einem anderen großen Kaufhaus shoppen bin, mache ich mir gern einen „Spaß“. Gelegentlich kommen dort nämlich Lautsprecherdurchsagen, die mir als Nicht-Mitarbeiter unverständlich sind. „47, bitte einmal 800“. Wahrscheinlich heißt das im Klartext, Frau Schulze möge sich bei der Zentralkasse einfinden. Wenn ich so eine Ansage höre, stöhne ich gern laut und sage: Ich höre wieder Stimmen…!
Nicht wirklich lustig für Leute, die an Schizophrenie erkrankt sind und von ihren Stimmen „ferngesteuert“ werden. Aber mir ist meist ein Lacher sicher.

Tatsächlich höre ich im wirklichen Leben Stimmen, die mir sagen, was richtig und falsch ist, und ich möchte sehr aufpassen, wie ich das jetzt formuliere, damit nicht die Männer mit der weißen „Ich-hab-mich-lieb“-Jacke vor meiner Tür stehen, um mich zu einem kostenlosen Aufenthalt in einer Funny Farm einzuladen.

Irgendwann habe ich mal die Zahl aufgeschnappt, dass ein Mensch bis zum Erwachsenenleben 22000 Stunden zumeist elterliche Erziehung durchläuft. Das sind nicht mal drei volle Jahre, ich habe gerade mal den Taschenrechner bemüht. In diesen 22000 Stunden hören wir so interessante Sachen wie

  • sitz gerade
  • nein, das schöne Händchen
  • wenn du eine Fünf in Mathe nach Hause bringst, ist Papa böse
  • wenn du nicht aufisst, ist Mama traurig
  • wenn du nicht lieb bist, kommst du ins Heim
  • jetzt geb dir doch endlich mal ein bisschen Mühe

Ihr dürft diese Liste gern fortsetzen.

Kinder lernen auf diese Weise nicht nur, dass die für die Gefühle der Erwachsenen verantwortlich gemacht werden, oder dass ihr Essverhalten das morgige Wetter beeinflusst. In ihrem Kopf wird auch eine Art „Navi“ installiert, der ihrem Leben Richtung geben soll, wenn die Eltern gerade mal kein Auge auf sie haben können. Neben so sinnvollen Botschaften wie „nicht bei Rot über die Straße laufen“ wird in diesen Navi leider auch ein Haufen – Scheiß – programmiert. Und so kommt es, dass wir auch als Erwachsene mit Textansagen konfrontiert sind, die meist nur wenig Freude hervorrufen.

In der Coaching-Szene werden gern die inneren Antreiber zitiert:

Der amerikanische Transaktionsanalytiker Taibi Kahler hat fünf davon definiert, die als typisch für die Selbststeuerung von Menschen gelten:

Der „Sei stark!“-Antreiber
Der „Sei perfekt!“-Antreiber
Der „Mach es allen recht!“-Antreiber
Der „Beeil dich!“-Antreiber
Der „Streng dich an!“-Antreiber

Ich habe jahrzehntelang überhaupt nicht gemerkt, dass diese Burschen in meinem Kopf ihr Unwesen trieben. Am meisten Druck macht mir „Mach es allen recht“. Aber das ist nicht der einzige Chor, der mir schaurige Gesänge vorträgt. Schlimmer sind die kleinen Spitzen, die hinterrücks geflogen kommen:
Reiß dich zusammen…
du Versager!
pass doch auf!
… zu dumm zum Milchholen…
du bist faul
aus dir wird nichts
du kriegst kein Bein auf die Erde
du landest noch mal in der Gosse…

Ich möchte Euch allen wünschen, dass keiner von Euch jemals von seinen Innenanteilen, seinem eingebauten Navi solche Kommentare zu hören bekommt. Im Alltag erlebe ich allerdings immer wieder, dass ich damit nicht allein bin.

Zurückblickend auf mehr als 50 Jahre in dieser Gesellschaft ist mir klar, dass es die Menschen, die so mit mir sprachen, im Grunde ihres Herzens gut mit mir meinten. Wer 12 Jahre Nazi-Diktatur hinter sich hatte, hart wie Kruppstahl und zäh wie Leder sein sollte, wer der Vernichtung der jüdischen Nachbarn nichts entgegenzusetzen hatte, der fand keine Worte des Mitgefühls und der Empathie. „Reiß dich zusammen“ musste „ich seh dich“ ersetzen. „Heulsuse“ drückte das Unbehagen über Gefühlsausbrüche aus. „Stell dich nicht so an“ galt als Ermutigung, und über meine Todesangst vor dem Weihnachtsmann wurde in der Familie herzhaft gelacht. Das war nicht böse gemeint. Ich glaube, die Menschen waren von ihrer eigenen Menschlichkeit, von ihrer Bedürftigkeit so weit entfernt, dass sie nicht merkten, was sie taten.

Ich habe nicht all zu viel Hoffnung, dass zwei Generationen später alles besser ist. Im vergangenen Jahr hörte ich im Supermarkt, wie eine Frau zu einem Kind sagte: „Ich wusste gar nicht, dass du so gern von mir was auf den Pohschi haben willst!“. Ich war starr vor Entsetzen und sprach später mit einem jungen Ehepaar über diese Szene. Die junge Frau meinte missbilligend: So was sagt man nicht in der Öffentlichkeit“, und ich hätte mich am liebsten unter das nächste Auto geworfen. Ich finde nämlich, so was sagt man am besten niemals. Kennt Ihr ein Kind auf der Welt, das gern geschlagen wird?

Was also tun mit den Stimmen im Kopf, die uns antreiben, beschimpfen, zur Ordnung rufen, Druck machen, „loben“…?

Wahrnehmen, Freundinnen und Freunde! Hört ihnen zu! Nehmt zur Kenntnis, dass Ihr und die Stimmen nicht das gleiche seid. Auch wenn die Stimmen im Kopf hundert Mal am Tag wispern, du wärst ein Versager, auf dem absteigenden Ast, falsch so wie du bist, nicht gut genug, ein Mängelexemplar… Glaubt es ihnen nicht! Lasst sie reden, und wenn Ihr könnt, findet jemanden, der diesen Stimmen Einfühlung gibt. Diese Anteile brauchen so dringend Einfühlung wie unsere Eltern und Großeltern sie gebraucht hätten. Findet heraus, was ihre wirkliche Botschaft ist, und bedankt Euch bei diesem inneren Navi für seine Richtungsangabe.

Das bedeutet nicht, dass Ihr auch in diese Richtung fahren müsst. Es bedeutet nicht, dass mit Euch irgendetwas falsch ist. Es bedeutet nicht, dass ihr geradewegs in den Abgrund rauscht. Es zeigt lediglich:
Es gibt einen Persönlichkeitsanteil, der Eurer Bestes will und nicht gelernt hat, das mit Lisas Säuselstimme auszudrücken: „Fahren Sie geradeaus über den Kreisverkehr“. Wenn Ihr besser wisst, wo es langgeht, traut Eurer Erfahrung, traut Eurer Intuition, vertraut auf Euch! Der Navi ist nur so gut wie seine Programmierung. Er behauptet vielleicht, wir würden direkt im Hafenbecken landen. Aber wir können der Stimme antworten: Danke für deine intensive Warnung. Aber ich weiß, dass seit der Zeit deiner Programmierung hier eine Brücke gebaut wurde …

So long!

Ysabelle

Giraffe im Tapetenhain

Hallo, Welt!
Unten im Zimmer steht ein Freund und versieht die Wände mit einem eleganten Gipsputz. Danach werden die Tapeten wunderbar halten und auch nicht mehr den grauen Beton durchscheinen lassen. Ich bin beglückt und könnte Stunden beim Putzen zugucken. Elegant klatscht er die Masse an die Wand und verteilt sie mit sanften Bewegungen auf der Fläche. Das hat durchaus eine zärtliche Komponente. Wir haben eben schon geflachst, dass man das als Peepshow für Heimwerker ins Netz stellen könnte.

Gestern Abend ist mir aufgegangen, dass ich in Bezug auf Tapeten an der Wand mal ein GfK-Erweckungserlebnis hatte. Habe ich das hier schon erzählt? Anfang 2008 – ich war noch in meiner ersten GfK-Jahresgruppe – wurde mein heutiges Arbeitszimmer/Studio renoviert. Die Arbeiten zogen sich und nach drei Wochen im Dreck war ich wirklich sehr verzweifelt. Ich fuhr zu einem Seminarblock nach Bremen und übte im Rollenspiel, wie ich damit umgehen könnte. Die Worte meiner Mitspieler (sie spielten den Handwerker) waren für mich harter Tobak. Autonomie, Selbstbestimmung, im eigenen Tempo vorankommen… Gleichzeitig wurde mir eins deutlich: Tapeten an der Wand sind kein Bedürfnis. Als ich nach Hause kam und es dort noch immer nach Baustelle aussah, fand ich eine Möglichkeit mich auszudrücken: Mit dem Kuttenlecker und weißer Farbe habe ich meine Bedürfnisse rausgebrüllt: Vertrauen, Verbindung, Co-Operation… Heute würde ich es noch um Schönheit und Leichtigkeit ergänzen. Ich glaube, Verbindung und Verstehen waren am stärksten im Mangel. Damals operierte ich auch noch mit Verlässlichkeit. Das Wort benutze ich heute nur noch in Ausnahmefällen. Es halt nämlich eine eingebaute Keule: Du bist unzuverlässig. Was ist schon Verlässlichkeit? Doch wohl eher eine Bewertung als ein Bedürfnis…

In meiner Erinnerung war diese Aktion im Februar 2008 das erste Mal, dass ich mich wirklich aus tiefstem Herzen bemüht habe, mich gewaltfrei, aber gewaltig auszudrücken. Das war nicht zu überlesen/überhören. Tatsächlich kam ein Dialog zustande und zehn Tage später erstrahlte der Raum in nie gekanntem Glanz.
Seither erinnere ich mich gern an dieses Beispiel und zitiere es auch immer, wenn es passt. Tapeten sind kein Bedürfnis, Urlaub auf Sardinien ist kein Bedürfnis, Fernsehen ist kein Bedürfnis…
Heute jedenfalls sind meine Bedürfnisse in Bezug auf den Tapetenhain vollstens erfüllt. Gerade stand ich noch einmal voller Glück vor zwei frisch geputzten Wänden. Die erfüllten Bedürfnisse:
Wertschätzung
Unterstützung
Wärme
Schönheit
Dankbarkeit
Geborgenheit
Harmonie
Schönheit
Vertrauen
Spiritualität

Fragt mich nicht, was das mit Gipsputz zu tun hat. Ich habe auf meine Bedürfnisliste gesehen und all diese wunderbaren Bedürfnisse klangen in mir an. Ich habe gemerkt, „Verbindung“ dürfte noch ein bisschen nachlegen, und vielleicht noch eine Prise Klarheit. Aber ansonsten bin ich gerade der glücklichste Mensch der Welt.

So long!

Ysabelle

Kill your Darlings!

Hallo, Welt!

Dies ist ein Aufruf zur Gewalt.
Nein, natürlich nicht.
Es ist eine Einladung, sich unsere Lieblingsstrategie einmal näher anzusehen und uns gegebenenfalls davon zu verabschieden. Denn Lieblingsstrategien können unser Leben hoffnungslos und eng machen.

Eine liebe Freundin von mir litt lange darunter, ohne Partner zu leben. Bei unserem Nachspüren, was denn mit einem Partner anders wäre als allein, fand sie heraus, dass sie mit einem Partner sehr gern kulturelle Veranstaltungen besuchen würde, Theater, Kino, Lesungen, Musik, Konzerte. Daraufhin durchforstete sie ihr Adressbuch und schuf einen Kulturverteiler. Wann immer sie eine Veranstaltung entdeckte, die sie lockte, schickte sie eine Mail an die Menschen aus dem Kulturverteiler und ich erinnere mich an keinen Fall, in dem sie einsam in einer Lesung oder einem Konzert hockte. Oft ging sie sogar mit dem Kollegen ins Kino, mit dem sie am liebsten ihre Zeit verbrachte. Aber oft waren eben auch andere begeisterte Menschen dabei, die ihrerseits noch wieder kulturhungrige Menschen mitbrachten. So entstand ein bereicherndes Netzwerk mit Menschen, die die gleichen Interessen hatten.

Wer in einer Situation nur eine einzige Strategie zur Verfügung hat, läuft Gefahr, in einer Sackgasse zu landen. Das lässt sich an jedem beliebigen Problem betrachten. Mal angenommen, ich wäre mit einem Ferrari unterwegs und der bliebe mitten auf der Strecke liegen (dieses Beispiel ist mal grandios unwahrscheinlich, weil ich Ferraris so furchtbar unbequem finde und echt nur im Notfall einsteige). Wenn ich jetzt darauf fixiert bin, dass nur ein Team von Ferrari den Wagen wieder zum Laufen bringen kann, dürfte ich mich unter Umständen auf ein langes Wochenende auf dem Seitenstreifen der Autobahn gefasst machen. Aber wenn es auch der Gelbe Engel vom ADAC sein darf, steigen die Chancen, dass ich im eigenen Auto heil nach Hause komme. Vielleicht habe ich ja auch einen Freund, der selbst einen alten Ferrari fährt und in jeder freien Minute daran rumschraubt. Der könnte mir jetzt unter Umständen auch helfen. Oder ich lasse die Karre abschleppen und miete mir an der Tanke einen Smart. Wenn ich mindestens drei Strategien zur Verfügung habe, kommt Leichtigkeit in mein Leben. Gibt es in einer Situation scheinbar nur einen einzigen Ausweg, lohnt sich der tiefere Blick auf die Bedürfnisse. Worum geht es eigentlich wirklich? Und dann ergeben sich neue Strategien geradezu von selbst.

Knifflig wird dieser Blick auf die Strategien schnell in festen Beziehungen. Nehmen wir mal an, mein Bedürfnis wäre Sexualität und meine Lieblingsstrategie wäre es, diese Sexualität mit meinem Partner zu erleben. Wenn der nun aber gerade auf Geschäftsreise in Guatemala City ist, fällt diese Lieblingsstrategie ins Wasser, es sei denn, man wäre ein Fan von Telefonsex.
In diesem Fall könnte ich noch einmal genauer schauen, welche Bedürfnisse mir ein sexuelles Beisammensein erfüllt. Vielleicht geht es um Entspannung, Wärme, Intimität, Nähe, Verbindung und Spiritualität. Ich könnte nun eine ayurvedische Ganzkörpermassage (vierhändig) buchen, anschließend in die Sauna gehen, meinem Partner eine Mail schreiben, in der ich ihm etwas von meinem Innersten enthülle und ein Ritual veranstalten, dass mich mit ihm verbindet. Eine Kerze anzünden und einen alten Brief genussvoll lesen vielleicht. Einen Strandspaziergang, bei dem ich Blüten ins Meer werfe verbunden mit dem Wunsch, sie mögen nach Südamerika treiben. Ich denke mal, jeder von Euch findet da einen eigenen Zugang.

Sex ist vielleicht gerade nicht das allerbeste Beispiel, aber die Methode lässt sich auf alles andere übertragen. Nicht gern allein essen? Eine Kantine oder ein Lokal mit Mittagstisch ausfindig machen, Freunde einladen, reihum mit anderen Leuten kochen und sich gegenseitig zum Essen besuchen, etwas (ins Büro) mitnehmen und mit anderen Leuten gemeinsam verzehren, die auch etwas mitgebracht haben… Wann immer ich nur eine Strategie zur Verfügung habe, sind Depressionen garantiert. Denn dann hat mein Leben nur einen Weg, der womöglich versperrt ist. Oder mein Glück liegt in der Hand eines einzigen Menschen, der aber gerade nicht entsprechend reagiert. Zum Beispiel wenn meine Heizungsanlage ausgefallen ist und der Klempner Betriebsferien hat. Wenn es nur dieser eine Klempner sein darf, könnte ich erfroren sein, bis er aus dem Wintersport zurück ist. Habe ich habe ein Telefonbuch und ein aufgeladenes Handy, wird sich ein anderer Klempner finden. Oder ein Radiator aus dem Baumarkt. Oder ein Freund, bei dem ich Unterschlupf finde. Kill your Darlings – verabschiede dich von deiner Lieblingsstrategie, wenn sie die einzige ist. Genieße deine Freiheit!

So long!

Ysabelle

Keine Kompromisse!

Hallo, Welt!

Heute hatte ich ein interessantes Telefonat mit einem spirituell aktiven Menschen. Er beschrieb ein wenig seine Weltsicht und brachte schließlich zum Ausdruck, dass man manchmal einen Kompromiss finden müsse. Oder dass es gut sei, einen Kompromiss zu finden.

Wikipedia schreibt:

Ein Kompromiss ist die Lösung eines Konfliktes durch gegenseitige freiwillige Übereinkunft, unter beiderseitigem Verzicht auf Teile der jeweils gestellten Forderungen.

Na, Freunde, Forderungen hören wir ja sowieso nicht, höchstens unerfüllte Bedürfnisse. Und Verzichten – das kann ich schon mal gar nicht gut hören.
Ich habe ja kürzlich in Bremen die Mediationsausbildung angefangen und bin dort noch einmal mit Win-Win in Kontakt gekommen:

Eine Win-win-Strategie (englisch win für „Gewinn“), auch als Doppelsieg-Strategie bekannt, ist das Ziel einer Strategie, bei der beide Beteiligten einen für sie akzeptablen Nutzen erzielen. Jeder Verhandlungspartner formuliert hier vor Beginn der Verhandlungen nicht nur, wie allgemein üblich, seine eigenen Interessen (Ziel: Gewinnoptimierung (Gewinn – Verlust/win – lose), sondern respektiert auch seinen Partner und versucht, dessen Interessen ausreichend zu berücksichtigen. Es wird dann sozusagen von gleichwertigen Partnern um einen für beide Seiten positiven Interessenausgleich gerungen.

Das trifft es besser, ist aber auch noch nicht perfekt.
In mir gibt es einen wunderbaren Glauben, dass es Lösungen gibt, die eben kein Kompromiss sind, die nicht dazu führen, dass man auf etwas verzichten muss. Vielmehr gibt es Strategien, die die Bedürfnisse aller Beteiligten würdigen und berücksichtigen. Wenn ich nur lang genug auf den Gefühlen und Bedürfnissen herumkaue, werden sich Lösungen ergeben, die genau das können, das ist meine tiefe Überzeugung.

Mein Gesprächspartner sagte ob meines vehementen Widerspruchs sinngemäß, „ich merke schon, das Wort Kompromiss magst du nicht so sehr…“. Aber darum geht es gar nicht. Mir geht es darum, dass niemand etwas aufgeben muss, damit es eine gute Lösung gibt. Es ist kein Bedürfnis, am Meer oder in den Bergen Urlaub zu machen; beides steht nicht auf meinen Bedürfniskärtchen. Wäre es eine gute Lösung, ein Jahr in den Bergen und ein Jahr am Meer Urlaub zu machen? Ich glaube nicht! Denn es bedeutet, dass der einzelne womöglich nur in jedem zweiten Jahr seine Bedürfnisse erfüllt bekommt, wenn ich nur diese beiden Strategien zur Verfügung habe. Die Beziehung zahlt dafür. Das ist es wohl, was für mich die Begrifflichkeit „Kompromiss“ so unakzeptabel macht. Denn je nach Machtverhältnis zwischen den Beteiligten kann die gefundene Lösung dann auch ein winziges Zugeständnis an die „schwächere“ Partei darstellen, die sich quasi mit den Brosamen abfinden muss. Wieso, ich habe doch auch nachgegeben… jetzt sei aber mal zufrieden… Holla, das geht gar nicht!

Also: Ich fordere die Abschaffung aller Kompromisse und die Einführung von Lösungen, die den Bedürfnissen von allen Beteiligten Rechnung trägt.

So long!

Ysabelle

Wolf im Tapetenhain

Hallo, Welt!
Gestern Abend bin ich nach einem Osterausflug zu GfK-Freunden wieder nach Hause gekommen, voller Vorfreude auf mein Wohnzimmer, das in der Zwischenzeit einen neuen Fußboden und neue Tapeten bekommen hat. Nun also endlich einräumen, putzen und genießen, dachte ich.

Doch so weit ist es noch nicht.
Was ist die Beobachtung? Der Fußboden sieht wunderbar aus und erfüllt mein Herz mit Freude.
Die Tapete löst sich an manchen Stellen, vor allem an den Nähten, und ist teilweise mit 3 cm Überlappung geklebt. Im Zimmer gibt es einen Balken in der Wand, der bisher frei war und auch frei bleiben sollte. Er ist nun entgegen der Absprache übertapeziert und die Struktur der Tapete ist durch den anderen Untergrund (Holz statt Wand) an dieser Stelle ganz anders. Ich spüre so deutlich in mir, dass ich so nicht in das Zimmer einziehen möchte und gleichzeitig habe ich Wertschätzung für den Handwerker, der mit Sicherheit sein Bestes gegeben hat.
Canis lupus ist völlig orientierungslos und beißt daher in bewährter Manier mich.

  • Du hast den Handwerker nicht klar genug gebrieft.
  • Du hast doch gemerkt, dass er sich mit dieser Art von Tapete nicht auskennt, wieso hast du ihm trotzdem den Auftrag gegeben?
  • Du bist kleinlich.
  • Du bist zu pingelig, hänge ein Bild drüber und vergiss es. Da stehen sowieso Schränke davor…
  • Es steht dir nicht zu, da so eine Welle drum zu machen.
  • Sei dankbar, dass du überhaupt Tapeten an der Wand hast.

Diesen Reigen könnte ich noch ein bisschen fortsetzen, und ich merke, dass diese Selbstbeschimpfungen dazu beitragen, dass ich nicht in die Auseinandersetzung mit dem Handwerker gehe. Es könnte ihn verärgern. Es wird ihn verärgern… Verdammt, deshalb habe ich ursprünglich mit GfK angefangen, um in solchen Situationen ein besseres Rüstzeug zu haben. Und jetzt merke ich wieder einmal, dass die Technik eben nur ein kleiner Teil ist. Es geht um die Haltung, und die Haltung beinhaltet erstaunlicherweise auch, dass ich für MEINS gehe, dass ich mich für MEINS einsetze. GfK ist nichts für Feiglinge, sagt Marshall. Schade. Wo ich doch gerade so ängstlich bin, eine Auseinandersetzung über die ordnungsgemäße Anbringung von Vliestapete zu führen. Ich habe einem Freund, der Maler gelernt hat, die Bilder geschickt mit der Frage: Bin ich zu pingelig, und er antwortete:

Entscheidend ist Deine Frage im Betreff dieser mail –
und die würde ich einfach mal mit „Ja, Nee.“ beantworten.
Wenn’s dir nicht zusagt, dann ist das so und wird seinen berechtigten Grund haben.

Und da kommen wir der Sache schon näher. Bin ich berechtigt? Was ist berechtigt? Reicht es, wenn ich sage, so gefällt es mir nicht? Vor allem, wenn ich doch weiß, dass sich der andere so viel Mühe gegeben hat? Darf ich das?

Ha, wenn ich mit jemandem eine Einzelarbeit zu diesem Thema machen würde, würde ich im Brustton der Überzeugung verkünden, natürlich darfst du das! Ich könnte ja einmal einen Blick darauf werfen, was genau das mit mir macht.

ich habe Angst, dass die Beziehung zu diesem wirklich hilfsbereiten und unterstützenden Handwerker leidet, wenn ich seine Arbeit kritisiere.
Also, hier geht es mal um

Verbindung
Authentizität (aber es gefällt mir doch so nun mal nicht…)
Echtheit
Beteiligung (der Balken sollte nicht übertapeziert werden! ich möchte dann wenigstens gefragt werden.)
Vertrauen
Wertschätzung
Sinnhaftigkeit und
Effizienz

würde ich mal so im ersten Wurf sagen. Hm. Klingt so, als bräuchte ich Empathie.

Hallo, ist da draußen jemand?

So long!

Ysabelle

Kraut & Rüben (12)

Hallo, Welt!

Ich bin zurück von meiner ersten Einheit als Trainer-Assistentin am Osterberg-Institut. Sagt „Scholle“ zu mir, ich bin so platt!
Gleich brauche ich mal eine Runde Selbstempathie, denn in meinen Mailunterlagen finde ich Post von Elke, die mitteilt, dass die bestellten und bezahlten Bedürfniskarten nicht angekommen sind. In mir ist Irritation und Wolf innen, denn in meinem Kopf gibt es die Erinnerung, wie ich die Karten in einen Umschlag getan habe und noch gegrübelt, wie sie frankiert werden müssen. Oder verwechsle ich das mit einer anderen Bestellung? „Wieso schreibst du dir nicht auf, wann du was rausschickst? Was ist das für eine chaotische Buchhaltung? Du musst doch Aufzeichnungen darüber haben, wann was rausgeht! Das ist eine Zumutung für Besteller…“ Jauuuuullll……“ Elke, ich check das und schicke sonst einfach noch einen Satz hinterher. Ich habe 2000 drucken lassen, wir kriegen das hin! ICH kriege das hin…

Die letzten fünf Tage haben mich sehr berührt. Ich habe wunderbare Begegnungen erlebt. Die Assistentenrolle ist noch mal etwas wirklich Neues für mich. Aus dem Beruf bin ich es gewohnt zu führen und zu gestalten. Als „Schüler“ in der GfK bin ich es gewohnt, geleitet zu werden. Und nun gab es Momente, in denen ich etwas gearbeitet, angeboten oder vorgestellt habe und die Chefs haben gecheckt und später Rückmeldungen gegeben. Zwischendurch hatte ich den Eindruck, überhaupt keinen Zugriff auf meine Kompetenzen zu haben. Ich hörte Gerhard etwas sagen und dachte bei mir, hey, das ist irgendwo auch in dir drin, wieso kannst du das nicht abrufen? Besonders aufgefallen ist mir das, wenn er den TeilnehmerInnen Gefühle und Bedürfnisse vorgeschlagen hat: „Bist du stolz auf mich und ist dir Unterstützung wichtig?“ Dann nahm ich eine imaginäre Latte und haute sie mir vor die Stirn: Ey, Ysabelle, da hättest du doch wirklich selbst darauf kommen können…“ Besonders häufig habe ich das erlebt, wenn Gerhard im Zusammenhang mit wütenden Impulsen soufliert hat. Bei mir kamen immer Aussagen wie „bist du traurig, weil du Unterstützung brauchst“ und ähnliches weichgespültes Zeugs. Und Gerhard präsentierte Kraft mit „… und ich bin schweinewütend, weil mir Unterstützung wichtig ist“, und ich spürte ganz deutlich, dass da einfach eine andere Energie dahinter sitzt. KRAFT! Dagegen spiele ich „Mäuschen, sag mal Piep…“.

Es hat viele Tränen gegeben in diesen Tagen. Und es gab viel zu feiern. Himmel, es ist „nur“ ein Seminar, und gleichzeitig war es ein wunderbarer Raum für echte Begegnung. Erschöpfung, Angst, Nähe, Respekt, Gemeinschaft, Sinn, Verbindung und Unterstützung. Gibt es einen größeren Zauber als den, wenn sich Menschen wirklich begegnen?

Durch diese Tage bin ich noch einmal sehr mit dem Text von Richard Beauvais verbunden. Ich wüsste gern, wer der Mann ist oder war, der diese Zeilen 1964 geschrieben hat:

„Wir sind hier, weil es letztlich kein Entrinnen vor uns selbst gibt. Solange der Mensch sich nicht selbst in den Augen und Herzen seiner Mitmenschen begegnet, ist er auf der Flucht.

Solange er nicht zulässt, dass seine Mitmenschen an seinem Innersten teilhaben, gibt es für ihn keine
Geborgenheit. Solange er sich fürchtet, durchschaut zu werden, kann er weder sich selbst noch andere erkennen –
er wird allein sein. Wo können wir solch einen Spiegel finden, wenn nicht in unserem Nächsten.

Hier in der Gemeinschaft kann ein Mensch erst richtig klar über sich werden und sich nicht mehr als den Riesen
seiner Träume oder den Zwerg seiner Ängste sehen, sondern als Mensch, der Teil eines Ganzen zu ihrem Wohl
seinen Beitrag leistet. In solchem Boden können wir Wurzeln schlagen und wachsen. Nicht mehr allein – wie im Tod
– sondern lebendig als Mensch unter Menschen“.
(Richard Beauvais)

Es gab auch viele Anregungen zu neuen Wortschätzchen, neben „Dankbarkeit“ ja meine Lieblingsrubrik in diesem Blog. Mal sehen, was ich die nächsten Tage hier eingefiedelt kriege und wie viel Zeit mir meine heimatliche Baustelle lässt, um Euch mit „abgewatscht“ oder „benutzt“ zu verwöhnen.

So long!

Ysabelle

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