Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Horror Vacui

Mit seinen Versuchen widerlegte Guericke auch die Hypothese des horror vacui, der „Abscheu vor der Leere“, die jahrhundertelang Philosophen und Naturforschern ein Problem war. Guericke bewies, dass Stoffe nicht vom Vakuum angesaugt werden, sondern vom Umgebungsdruck in das Vakuum gedrückt werden.
http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_von_Guericke

Hallo, Welt!
Auf das „Honig“-Posting gab es eine Resonanz hier im Blog (danke, Gabriel), und eine via Mail. Danke, liebe Autorin! In letzterer heißt es:
Liebe Ysabell, dein Satz
“Alter, der Honig kann nichts dafür… du machst es dir unnötig schwer!”

Das wäre keine Gfk gewesen, jedoch sehr lebendig und möglicherweise genau das, was ihm geholfen hätte.

Mein „Verdacht“ ist, dass manche Freunde die Empathie genießen als Aufmerksamkeit und um diese Aufmerksamkeit immer wieder zu bekommen, bleiben sie gerne in ihren alten Schleifen hängen.

Das ist doch ein Gedanke, den wir hier trefflich diskutieren können.
Neulich Nacht hatte ich einen besonders unruhigen Schlaf. Nachdem ich drei Mal die Kachelabteilung aufgesucht hatte, wurde ich um fünf wach und konnte nicht wieder einschlafen. Mir war klar, dass der Wecker um 5.45 Uhr klingelt, und diese knappe „Start-Stop-Zeit“ stand einer Entspannung im Weg. Der Mensch an meiner Seite murmelte etwas von „was ist los, kannst du nicht schlafen?“. Ich antwortete so ungefähr, „ne, mir schwirrt der Kopf mit allem, was heute noch zu erledigen ist, ich glaube ich steh auf.“ Daraufhin hörte ich: „Jeder ist für seine Verrücktheiten selber zuständig.“ Au au!!!
Es kann sein, dass ich mit fortschreitendem GfK-Gebrauch immer empfindlicher werde. Aber in dem Moment war in mir einfach eine schmerzhafte Leere. Ich habe wohl mit sarkastischem Unterton „danke“ oder ähnliches geknirscht und hatte das Glück, dass mein Mitschläfer sich sehr flott zu mir umdrehte, mich in den Arm nahm und sagte, „hey, was kreist denn da bei dir?“ Für morgens um fünf eine preiswürdige Leistung, finde ich.
Es tut so gut, einfach verstanden zu werden. „… and it feels damn‘ good…“, sagt Marshall Rosenberg, und ich kann ihm nur beipflichten. Heute sprach ich mit einer Frau, die eine Zahnarzt-Phobie hat. Als junge Frau wurden ihr drei Zähne ohne Betäubung gezogen, weil sie im sechsten Monat schwanger war. Nach dem Eingriff hat sie ihr Baby verloren. Ich denke nicht, dass es ihr gut tun würde, wenn ich ihr erzähle, wo der nächste Zahnarzt wohnt, der sich auf Angstpatienten spezialisiert hat.
Hatten wir überhaupt jemals eine einfühlsame Natur? Wir – also wir Menschheit? Wenn ja, wieso bekriegen wir uns? Warum müssen wir dann mühsam lernen, empathisch zu sein? Ich habe Trainigsjahre gebraucht, um wenigstens ab und zu zu merken, was in mir lebendig ist, wenn ich den anderen beratschlage oder ihm mal erzähle, wie die Welt aus meiner Perspektive aussieht. Ich kann das aktuell bei meinen Schülern trainieren, aber auch im Freundeskreis oder bei meiner Mutter. Die will auch nicht hören, dass sie sich nicht so anstellen soll. Ein IPad bedienen können zweijährige Kinder, also warum nicht sie… Ich glaube, wenn ich einen solchen Satz vom Stapel lasse, wird sie das keinen Millimeter dichter an die Technik führen, sondern vielmehr dafür sorgen, dass sie sich in ihren Ängsten noch weniger gesehen wahrnimmt. Zufällig weiß ich, dass ihr dieses ganze Multimediakram totale Angst macht. Sie fürchtet, das nicht zu verstehen, sie fürchtet, etwas falsch zu machen, versehentlich etwas zu löschen, Dinge loszutreten, die sie nicht versteht und nicht kontrollieren kann. Und da sie 78 Jahre ohne diese Technik klargekommen ist, sieht sie auch keine Veranlassung, sich damit anzufreunden…

Der „Honig“-Freund durfte sich natürlich zu einem späteren Zeitpunkt unseres Gesprächs mit der Frage befassen: „Dieses Verhalten erfüllt dir ja ein bestimmtes Bedürfnis. Das machst du ja nicht einfach so. Worum genau geht es dir da?“ Und wir fanden heraus, dass es Schutz war. Schutz vor Schmerz, Schutz vor Verletzung, auch Schutz vor der Macht der unerfreulichen Erinnerung.

Wenn ich merke, dass ich nicht gesehen oder nicht verstanden werde, dass mein Gegenüber nicht bei mir ist, spüre ich häufig eine schmerzhafte Leere. Ich merke auch, dass diese Leere dann aber keine Dinge ansaugt, außer vielleicht Snickers, Joghurette, Lakritzschnecken, Ritter Sport Nougat, Salmilollis oder Lünebest Nussjoghurt. Und es gibt einen Impuls, dieses Loch mit irgendetwas zu stopfen. Gern genommen: Bücher. Aber wie in dem Experiment von Guericke beschrieben kommt nicht von innen der Sog. Vielmehr ist es der Druck der Umgebung, der signalisiert: Sei nicht so wie du bist. Die von mir so geschätzte Autorin Melody Beattie schrieb dazu in der Tagesmeditation vom 5. März:

5. März – Sei so, wie du bist:

Wenn ich Menschen begegne oder eine neue Beziehung eingehe, unterwerfe ich mich vielen repressiven Einschränkungen. Ich lasse meine Gefühle nicht zu. Ich unterdrücke meine Wünsche und Bedürfnisse. Ich wehre mich gegen meine eigene Geschichte. Ich erlaube mir nicht, die Dinge zu tun, die ich tun möchte, die Gefühle zu haben, die ich spüre, oder das zu sagen, was ich sagen muss. Ich verwandle mich in einen unterdrückten, perfektionistischen Roboter, anstatt der zu sein, der ich bin: ICH.
(Anonym)

Manchmal befiehlt unsere instinktive Reaktion in einer neuen Situation: Sei nicht so, wie du bist.

Wer sonst könnten wir sein? Wer sonst möchten wir sein? Wir brauchen nicht anders zu sein, als wir sind.

Das größte Geschenk, das wir in eine Beziehung einbringen, ist: der zu sein, der wir sind.

Wir denken vielleicht, andere fänden uns nicht sympathisch. Wir haben Angst, ein Mensch könne uns verlassen oder beschämen, sobald wir loslassen und wir selbst sind. Wir machen uns Sorgen darüber, was andere von uns denken.

Die Menschen schätzen unsere Gesellschaft, wenn wir uns selbst akzeptieren und entspannt sind, nicht aber, wenn wir steif und gehemmt sind.

Wollen wir wirklich mit Menschen zusammen sein, die keinen Gefallen an uns finden? Müssen wir uns und unser Verhalten von der Meinung anderer abhängig machen?

Wenn wir uns die Freiheit nehmen zu sein, wer wir sind, üben wir damit eine heilsame Wirkung auf unsere Beziehungen aus. Der Umgangston wird entspannter. Wir entspannen uns. Der andere entspannt sich. Alle fühlen sich weniger gehemmt oder beschämt, da alle aufrichtig sind. Wir können nicht anders sein, als wir sind. So ist es uns zugedacht. So ist es gut.

Unsere Meinung über uns selbst ist wirklich das einzige, was zählt. Und wir können uns die Anerkennung zollen, die wir wünschen und brauchen.

Heute entspanne ich mich und bin in meinen Beziehungen so, wie ich bin. Ich tue das nicht in unangemessener oder herabsetzender Weise, sondern in einer Weise, die zum Ausdruck bringt, dass ich mich selbst annehme und mich als die Person schätze, die ich bin. Hilf mir, Gott, dass ich keine Angst mehr habe, ich selbst zu sein.

Mein Honig-Freund darf genau so sein, wie er ist. Wenn er sich in seinen Schleifen verstrickt, ist das sein gutes Recht. Wenn er da raus will, wird er einen Weg finden. (Ich unterstütze ihn gern, das habe ich ihm auch gesagt). Und wenn ich um fünf aufsstehe, weil ich keine Ruhe mehr finde, ist das auch in Ordnung. Das letzte, was ich brauche, ist dass mich jemand bewertet. Es bleibt die Frage: Was brauche ich? Und was brauchst Du?

Liebe Mailschreiberin,
bist Du besorgt, dass andere Menschen nicht aus ihren schädlichen Mustern aussteigen können? Ich hoffe, jeder kann sich verändern. Wenn die Zeit reif ist. Und mein Beitrag ist, ihn oder sie empathisch zu begleiten. ODER: Mich selbst auszudrücken. Mich. Und nicht etwa meins mittels Umgebungsdruck in den anderen hineinpressen. No, no!

So long!

Ysabelle

Das Glas Honig

Was es ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Quelle: Erich Fried „Es ist was es ist. Liebesgedichte, Angstgedichte, Zorngedichte“, Berlin 1996

Hallo, Welt!
Dieser Tage hatte ich Besuch zum Mittagessen. Der Freund erzählte eine Geschichte aus seinem Leben, die mich sehr nachdenklich stimmte.
Seit rund 15 Jahren ist er von seiner Frau geschieden. Die beiden haben gemeinsame Kinder. Seine betagte Mutter pflegt nach wie vor den Kontakt zur Ex-Frau, denn sie ist auch die Mutter ihrer Enkelkinder. Die Ex-Frau hat einen neuen Partner, der Hobby-Imker ist. Vor einigen Monaten bekam der Freund von seiner Mutter ein Glas Honig geschenkt. „Ich konnte den Honig nicht essen. Ich wusste, woher der kam: Vom Lebensgefährten meiner Ex-Frau. Da war einfach immer der Gedanke an die Ereignisse, die zum Ende meiner Ehe geführt hatten, an Zeiten, in denen meine Bedürfnisse nach Vertrauen, Klarheit, Schutz, Sicherheit und Ehrlichkeit vollkommen unerfüllt waren“. (Ich hab das mal in Giraffisch übersetzt).
Bald darauf bekam der Freund von einer alten Dame, mit der er seit 20 Jahren geschäftlich zu tun hat, quasi zum Jubiläum ein Glas Honig geschenkt. „Und das konnte ich essen. Das war die Würdigung von 20 Jahren guter Zusammenarbeit, es war für mich ein Zeichen von Vertrauen und Wertschätzung…“

Und ich dachte: Mein Gott… es ist ein Glas Honig! In beiden Fällen ist es nur ein Glas Honig! Wenn wir die Etiketten tauschen, du würdest es nicht merken. Das alles passiert nur in deinem Kopf! Das eine Mal löst dieses Glas Honig angstvolle, schmerzhafte Erinnerungen aus, das andere Mal sind es warme, wertschätzende Gedanken. Der Honig ist doch nur der Auslöser. Ein Brotaufstrich, ein Naturprodukt, eine klebrige süße Masse im Glas mit Schraubdeckel. Es ist, was es ist: Ein Glas Honig. Alls andere machen wir uns selbst…
Ich bin dankbar, dass es mir in der konkreten Situation gelungen ist, dem Freund einfühlend zuzuhören, ohne ihn zu belehren. Jedenfalls hoffe ich, dass mir das gelungen ist. Noch immer kostet es mich Kraft, noch immer muss ich das Bewusstsein wie einen Allradantrieb zuschalten, um nicht zu sagen, „Alter, der Honig kann nichts dafür… du machst es dir unnötig schwer!“ Ich weiß heute: In diesen Situationen brauche ICH Einfühlung, um weiterhin beim anderen sein zu können. Vielleicht greift „Einfühlung“ zu hoch. Vielleicht ist es nur eine Form der Anerkennung meiner Gedanken zu dem Thema. Und dann kann es mir auch wieder gelingen, mich dem anderen mitfühlend zur Seite zu stellen. Eine spirituelle Übung.

So long!

Ysabelle

Wer ist für meine Klarheit zuständig? … ich …

Hallo, Welt!
Ich habe heute unverhofft einen freien Abend. Und die kommenden vier Freitage auch. Klartext: Der angebotene GfK-Einsteigerkurs ist nicht zustande gekommen. Mein Beitrag daran ist, dass ich im Kopf einen Termin im Juli falsch abgespeichert habe und deshalb der Drucktermin für ein Programmheft so nah herangerückt war, dass der Kurs-Termin nicht mehr eingepflegt werden konnte. Vielleicht hätte ich in den vergangenen vier Wochen vor Ort mehr Werbung machen können, Handzettel verteilen u.ä., aber ich hatte auch Vertrauen in das Netzwerk des Bildungsträgers. OK, keine Anmeldungen. Nicht wirklich schlimm, ich langweile mich gerade überhaupt nicht.

Was mich heute wirklich aus der Bahn geworfen hat, war die Tatsache, dass ich seit Dienstag niemanden beim Bildungsträger erreichen konnte. Niemand ging ans Telefon. Ein Besuch zeigte, dass die Mitarbeiter zu einer Fortbildung waren: „Wir bitten um Ihr Verständnis“, stand auf dem Schild an der Tür. Das Telefon war abgestellt, es kam lediglich die Nachricht: Dieser Teilnehmer ist zurzeit nicht zu erreichen, bitte versuchen Sie es später noch einmal. Meine Mail von Mittwoch mit der dringenden Bitte um Klarheit und Information blieb unbeantwortet (i.e.: bei mir kam keine Antwort an…).
Gegen 11 Uhr heute Morgen erwischte mein Freund die Leiterin der Einrichtung vor der Tür. Sie sei sichtlich verlegen gewesen. Ja… keine Abmeldungen… die Fortbildung… man solle sich doch noch mal zusammensetzen… das Angebot sei ja attraktiv, Neustart im Frühling oder so…

Als die Information bei mir ankam, bin ich in Tränen ausgebrochen. Nicht etwa, weil ich so traurig bin, dass der Kurs jetzt nicht stattfindet. Vielmehr war ich frustriert, hilflos, irritiert, genervt und im Schmerz. Meine (unerfüllten) Bedürfnisse waren:
Klarheit
Verbindung
Respekt
Wertschätzung
Offenheit
Leichtigkeit und so was wie
Effizienz/Professionalität
Wirksamkeit!

Huhuhuhuhu… Alle Wölfe wieder am Start! Es kann doch nicht angehen, dass ein Bildungsträger seine Referenten bis acht Stunden vor dem Kurs nicht informiert, dass das Seminarangebot nicht stattfindet! Ich brauche Sicherheit! Gesehen werden! Einbezogen sein! ich rüttele an meinen Gitterstäben! Und in meinem Kopf sitzt ein kleines Männchen und erzählt mir, wo ich überall „unzuverlässig“ bin. Was ich schon längst alles gemacht haben wollte und nicht erledigt habe… Du bist Scheiße, ich bin Scheiße… So ein Schmerz!

Und auch dieses Thema hat etwas mit meinem gewohnten Kommunikationsverhalten zu tun. Ich warte ab. Ich bin an dieser Stelle nicht proaktiv. Ich könnte ja eine schlechte Nachricht bekommen… Dann halte ich doch lieber die Füße still. Oder wie in dem Beispiel gestern: Ich könnte ja jemanden verärgern oder abschrecken… wenn ich nichts mache, mache ich wenigstens nichts falsch… Wenn es was zu sagen gibt, wird der andere schon was sagen… Ich kümmere mich also nicht ausreichend um meine Klarheit. Wenn der Impuls nach Klarheit kommt, schiebt sich etwas anderes dazwischen. Wahrscheinlich Angst. „Fall anderen nicht auf die Nerven“. „Kannst du nicht abwarten?“ (Hört Ihr die Betonung der obergenervten Mutter?). Also: Klarheit ist mein Thema. UND: Für mich selbst und meine Bedürfnisse eintreten. Ach, Marshall… GfK ist nichts für Feiglinge…

So long!

Ysabelle

Wortschätzchen: Bloßgestellt

Hallo, Welt!
Dieser Tage las ich in einem Brief***, „du hast mich bloßgestellt“. „Ha!“, dachte ich. Endlich mal wieder ein Wortschätzchen!
Mein Wahrig Herkunftswörterbuch zeigt sich mal wieder schwach. „Bloßstellen“ gibt es gar nicht. Zu „bloß“ schreibt es a.) nackt, b.) nur. Das Adjektiv (mhd. bloz, ahd. bloz) ist verwandt mit griech. phlydaros, weich, und lat. fluere „fließen“; die ursprüngliche Bedeutung wäre demnach „aufgeweicht, nass“; über „weich, sensibel“ und „schwach“ entwickelte sich die heutige Bedeutung „unbekleidet“ (und somit schutzlos).

Etwas ergiebiger ist da schon mein Duden der sinn- und sachverwandten Wörter. Für „bloß“ bietet er mir „nackt“ und „barfüßig“ an. Aber bei „bloßstellen“ heißt es: (sich) eine Blöße geben, eine Blöße bieten, zum Gespött werden, keine gute Figur machen, sich dekolletieren, sich kompromittieren, seinen Namen, seinen Ruf, sein Ansehen aufs Spiel setzen, sich lächerlich machen, sich blamieren, seinem Namen keine Ehre machen, sich ein Armutszeugnis ausstellen; siehe: erniedrigen, kompromittieren (jmdn.), Bloßstellung, Entblößung.

Tja, und unter Bloßstellung steht: Blamage, Schande, Beschämung, Desavouierung (mein Gott, ich dachte, das gäbe es nur noch in der Operette…), Kompromittierung, Schmach, Unehre, Schimpf, Reinfall, Pleite (ugs.). Siehe Aufsehen, Beleidigung, bloßstellen, kompromittieren, anständig, beschämend, ehrlos, gemein.

So weit mal meine Quellen.

Mein Kopf liefert mir noch etwas anderes. Ich sehe eine Person am Pranger. Ich sehe Siegfried, dessen verwundbare Stelle verraten wird. ich sehe mittelalterliche Stadtbüttel, die mit ihrer Pike einer unbotmäßigen Person das Gewand aufschlitzen und diese so entblößen, also in ihrer (schambehafteten) Nacktheit zur Schau stellen. Jemand bringt also ans Licht, was aus Gründen von Takt, gutem Geschmack oder Schutz besser verborgen geblieben sein sollte.

Was empfand wohl diese Person, die in dem Brief schrieb: „Ich fühlte mich bloßgestellt“?
Mit Sicherheit mal
Scham.
Vielleicht auch Unsicherheit.
Sie fühlte sich vielleicht auch
verwirrt
besorgt
ängstlich
wütend
frustriert
einsam
enttäuscht
im Schmerz
bestürzt
geladen
entsetzt.

Und die Bedürfnisse?
Schutz springt mich als erstes an.
Autonomie (ich möchte selbst entscheiden, was über mich bekannt wird)
Vertrauen
Beteiligung
Klarheit (in diesem konkreten Fall)
und Verstehen.

Und die Bitte wäre wahrscheinlich gewesen, dass nichts davon bekannt wird, was diese betreffende Person geäußert hat, oder genauer, dass die Person sich überhaupt geäußert hat.

Bei wem liegt die Verantwortung für was? Super-Frage, oder?

… Es ist so leicht, jemand anderem die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben, was man selbst angerührt hat.

Und was ist mein Lernfeld in der beschriebenen Situation?
Ich möchte noch klarer werden, Dinge noch klarer benennen. Ich möchte noch mehr Gespür dafür entwickeln, wo gerade nicht deutlich geworden ist, worum es mir geht. Ich merke, dass ich noch immer aus Rücksicht oder Mitgefühl oder Schutz Dinge nicht ausspreche, von denen ich annehme, der andere kann sie schwer hören. Ich nenne dieses Verhalten Co-Abhängigkeit. Ich bin einen guten Schritt weiter gekommen in den vergangenen zehn Jahren. Aber da ist eindeutig noch Wachstumspotential…

So long!

Ysabelle

*** Person A hatte mir mehrere Nachrichten über Person B zukommen lassen. In Gegenwart von Person B habe ich gesagt, dass ich die Nachrichten bekommen habe ( – nichts zum Inhalt – ) und dass es Zeit, Kraft und vereinbartes Setting nicht zulassen, dass ich quasi mit Person A allein an diesem Thema arbeite, und sei es auch nur schriftlich.

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