Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Unkenrufe

„Da springen die Gedanken ihm hinein,
Wie aufgeschreckte Unken in den See,
Und singen ihm betrübte Melodein.
Sie rufen übers weite Schlachtgefild
Das Unkenlied des Zweifels dumpf und wild:“

– Nikolaus Lenau: Die Albigenser

„Das geht doch nie gut…“ oder „so kann man das doch nicht machen, das funktioniert nicht!“ sind vertraute Unkenrufe. Wohl jeder von uns hat Zeiten, in denen er zweifelt, ob ein anvisiertes Ziel auf die geplante Weise erreicht werden kann. Wenn wir uns mit dem Phänomen der Schwarzseherei beschäftigen, kommen wir mit einer Fülle von Bedürfnissen in Kontakt.
Widmen wir uns zunächst dem Menschen, der Bedenken hat, der in Sorge ist, dass ein Plan nicht aufgehen wird. Welche Gefühle sind in ihm lebendig? Ich vermute, er ist besorgt, irritiert, unruhig, vielleicht angespannt, frustriert, eventuell wütend, wenn sein Rat schon öfter ausgeschlagen wurde, lustlos, sorgenvoll, unter Druck, verzweifelt, verspannt und widerwillig. Vielleicht noch das eine oder andere mehr, je nach Situation wahrscheinlich auch das eine oder andere weniger. Ist der Betroffene in der Kraft, spürt er vielleicht eher Wut, ist er in der Schwäche, spürt er vielleicht eher Verzweiflung oder Frustration.
Welche Bedürfnisse sind in uns unerfüllt, wenn wir düstere Prognosen stellen und solche Gefühle der Besorgnis oder Frustration haben? Ich vermute, Vertrauen, Verbindung, vielleicht auch Zugehörigkeit oder Beteiligung (andere schmieden Pläne, die man selbst nicht für machbar hält), Effektivität und Sicherheit sind in solchen Situationen im Mangel. Und was wir als erstes brauchen ist Einfühlung.

Wie geht es uns, wenn wir wunderbare, kühne Pläne schmieden und unser Gegenüber uns seine Bedenken schildert? Vielleicht sind wir frustriert und wütend, irritiert, bestürzt, bitter, geladen, schockiert, unbehaglich, streitlustig und verletzt. Vermutlich sind unsere Bedürfnisse nach Leichtigkeit, Vertrauen, Unterstützung, Kreativität, Verbindung, Autonomie, Wertschätzung, Verständnis und Begeisterung im Mangel.

Ist es nicht berührend festzustellen, wie beide Menschen mit so ähnlichen Gefühlen und Bedürfnissen beschäftigt sind, obwohl sie anscheinend auf verschiedenen Seiten stehen?

Kann es einen gemeinsamen Weg geben? Ich glaube schon. „Wie geht es dir, wenn du meine Bedenken hörst?“ baut eine Brücke zu unserem Nächsten. „Was brauchst du, um deine Bedenken loszulassen“, pflastert den Steg. Alle Bedürfnisse können erfüllt werden, deine und meine. Vorausgesetzt, unsere Absicht ist Verbindung.

Heute will ich in mich hineinspüren, wenn ich Bedenken und Einwände habe. Was fühle ich, was brauche ich?

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