Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Man hört nur mit dem Herzen gut

„Das Herz hat die Eigenschaft des Wissens, die Leber des Gefühls, die Lunge des Blattes (der Veränderlichkeit, Beweglichkeit?), der Mund dient der Vernunft als Weg, ein Sprachrohr für das, was der Mensch vorträgt, und eine Aufnahme der Erfrischungen des Körpers; und er spricht, hört aber nicht, während das Ohr hört, aber nicht spricht.“ – Die Schöpfung Adams; Hildegard von Bingen (1098-1179) deutsche Heilkundige, Nonne und Mystikerin

Marshall Rosenberg erzählt davon, wie er einmal mit 23 Psychotherapeuten eine Übung machte. Er gab ihnen den Satz „ich bin total deprimiert und weiß nicht mehr weiter“ und bat sie, ihre Antwort dem Patienten gegenüber auf einen Zettel zu schreiben. Dann sammelte er die Zettel ein. Nun bat er die Therapeuten sich vorzustellen, sie selber seien ein Patient und wurden sagen: „ich bin total deprimiert und weiß nicht mehr weiter“ . Dann las er den Therapeuten ihre eigenen Antworten vor. Nur in drei von 23 Fällen fühlten sich die Menschen verstanden. Auf den meisten Zetteln stand übrigens: Wann hat das angefangen?

Es gibt viele Dinge, die einer einfühlsamen Kommunikation im Wege stehen. Ich selber habe viele Jahre Details nachgefragt. Was hat das gekostet? Warum hast du das gemacht? Warst du da schon geschieden? Ich hatte geglaubt, diese Fakten wissen zu müssen, um den anderen wirklich zu verstehen. Heute weiß ich, dass es sich dabei um ein intellektuelles Verstehen – oder eben oft auch um mein eigenes Unverständnis handelte. Rückblickend habe ich nicht wirklich verstanden, worum es ging, auch wenn ich alle Fakten säuberlich zusammengetragen hatte. Und mir war damals auch nicht klar, dass auch in meinen Rückfragen eine Bewertung lag. „Warst du beim Arzt?“ konnte eben auch den Beigeschmack haben: Du solltest wirklich zum Arzt gehen. Oder auch: Wegen so einer Kleinigkeit rennst du zum Arzt?

Joachim Bauer beschreibt in seinem Buch „Warum ich fühle was du fühlst“ wie in unserem Kopf die Spiegelneuronen dafür sorgen, dass wir andere Menschen verstehen. Dabei wird auch deutlich, dass wir häufig unbewusst Signale aussenden, die etwas darüber aussagen, wie es uns mit dem Gesagten oder Gehörten geht. Verantwortlich dafür sind eben besagte Spiegelzellen, die in unserem Gehrin auch dann feuern, wenn wir beim anderen etwas sehen oder hören, was wir aus eigener Erfahrung kennen. Wenn sich jemand anderes den Kopf stößt, sagen wir oft automatisch „aua“, obwohl wir uns selbst nicht verletzt haben. Dieses Prinzip der Spiegelung funktioniert auch in der Kommunikation. Wir reagieren auf das, was wir sehen oder hören.
Wenn wir einen intelllektuellen Zugang zu dem Gehörten haben, kann es schwierig sein, eine echte Verbindung zu unserem Gegenüber herzustellen. Wir sind im Kopf, haken imaginäre Fragebögen ab, überprüfen, ob wir alle notwendigen Informationen haben. Einfühlsames Zuhören braucht das nicht. Wir können uns bewusst dafür entscheiden, nur auf die Gefühle und Bedürfnisse unseres Gesprächspartners zu achten.

Ich stelle immer wieder fest, wie bereichernd es ist, einfach nur beim anderen zu sein, seine Worte zu reflektieren. Und ich merke, wie sehr ich es genieße, wenn andere mir dieses Geschenk machen. Das Zauberwort heißt Empathie.

Heute will ich mir die Erlaubnis geben, in Gesprächen einfach nur präsent zu sein. Ich leere meinen Kopf von allen Fragen und Urteilen und lausche nur auf die Gefühle und Bedürfnisse meines Gegenübers.

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