Endlich gewaltfrei golfen
„Ich habe mit Golf angefangen, spiele Tennis und jogge. Das muss ich auch, weil der Schneider nix mehr rauslassen kann.“ – Heribert Fassbender im Stern Nr. 35/2008 vom 21. August 2008, S. 154
Bei keiner anderen Beschäftigung zeigt sich mein inneres Team so lebendig wie beim Golfen. Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich in den vergangenen Jahren in den Boden gehackt habe, natürlich stets begleitet von hämischen inneren Kommentaren. Gern von der Güte: Komm, geb’s auf, du lernst es nicht mehr!
Ganz anders, wenn plötzlich ein Ball abhebt und genau in die Richtung geht, die ich haben wollte. Das hat fast einen spirituellen Touch. Wenn dann der nächste Schlag wieder einen Klumpen Erde in die Luft jagt, zitiert mein innerer Gutachter gern den kürzesten Golfer-Witz: „Ich kann’s…“
Golf spielen ist also für mich eine Einladung, meine Wölfe willkommen zu heißen. Andere mögen diese Einladung beim Strümpfe stricken hören, doch das gelingt mir inzwischen ziemlich gut. Ich vermute, jeder von uns hat eine Herausforderung, bei der es wieder und wieder nicht klappt. Zehn Finger blind schreiben ist so eine Sache für mich, oder ein gerades Loch mit einer Bohrmaschine drillen.
Golfen ist für mich eine Tätigkeit mit Nebenwirkung. Aus irgend einem Grund scheinen meine Gutachter dabei ganz dicht unter der Oberfläche zu sein, und ihre Kommentare kommen zu schnell, um noch maskiert zu sein. Sie argumentieren harsch und direkt. Keiner der Trainer, die versucht haben, mir das Spielen beizubringen, hatte je so einen Ton am Leib. Ich hätte mich wahrscheinlich auch auf der Stelle umgedreht und hätte den Platz verlassen, wie ich es einmal bei einem österreichischen Skilehrer getan habe: „Jo, Ysabelle, wo foahrst dann hi?“, wo hi wohl? Ins Tal!
Es ist schmerzhaft zu erkennen, wie ich mit mir selbst umgehe. Es ist schwer zu hören, in welchem Ton ich mich runterputze. Und es macht mich traurig, weil ich weiß: Beim Golfen sind die Stimmen ganz deutlich zu verstehen. Aber in dutzenden anderen Situationen am Tag sind diese Stimmen ebenfalls da, nur ich nehme sie gar nicht wahr, weil ich nicht in so einer klar fokussierten Situation bin. Im Lärm des Alltags gehen die Stimmen vermeintlich unter. Es steht allerdings zu befürchten, dass mein Unterbewusstsein sehr wohl zuhört und sich unter diesen Schlägen duckt.Wenn ich also diesen Gutachtern während des Golfspielens Einfühlung gebe, habe ich eine Chance, dass mein Gehirn in anderen Situationen ebenfalls lernt: Uuups! Der Wolf will ja nur, dass ich mein Ziel nicht aus den Augen verliere… er will mich ja nur davor schützen, in meinem Eifer nachzulassen. Er will doch nur sicher stellen, dass ich noch lange Freude an diesem Spiel habe… Schade nur, dass er (noch) kein Giraffisch spricht!
Heute will ich sorgfältig darauf achten, wenn Wölfe, Richter und Lehrer ihre Stimme erheben. Ich kann ihre Worte übersetzen und mich daran erfreuen, dass sie von ganzem Herzen mein Bestes wollen.