Empathie und Spiegelneuronen
Früher glaubte man, Spiegelneuronen würden nur auf Bewegungen ansprechen. Nun konnte der Biopsychologe Christian Keysers vom Neuro-Imaging Center im niederländischen Groningen nachweisen, dass die Nachahmerzellen auch dann feuern, wenn Berührungen oder Emotionen wie Ekel betrachtet werden. Wer beim Anblick der Vogelspinne auf James Bonds Brust eine Gänsehaut bekommt und angewidert erstarrt, in dessen Hirn führen die Spiegelneuronen Regie. Der Unterschied zwischen Fiktion und Wirklichkeit ist nur eine Frage der Quantität. Während beim Fühlen einer echten Spinne Tausende von Haut-Sinneszellen aktiviert werden, feuern beim Zusehen nur wenige Spiegelneuronen. Entdeckt wurden die Gehirnzellen mit dem Drang zur Imitation 1991 in einem Versuchslabor im italienischen Parma. Eigentlich wollte der Neurologe Vittorio Gallese damals nur testen, wie das Gehirn eines Affen arbeitet, wenn das Tier nach einer Erdnuss greift. Mit Elektroden zapfte er einzelne Hirnzellen an und untersuchte ihre Reaktion. Zu Galleses Überraschung feuerten bestimmte Neuronen im Affenhirn nicht nur dann, wenn der Makake zugriff – sondern auch, als der Forscher die Hand nach der Erdnuss ausstreckte.
Aus „Zeit online“
Millionen Gehirnzellen sind daran beteiligt, wenn wir denken, fühlen, handeln, nach einer Erdnuss greifen. In allen Menschen (von denen, die einen anderen Gehirnaufbau haben, einmal abgesehen) funktioniert das Gehirn nach dem gleichen Muster. Wir können mitfühlen, weil in unserem Gehirn bestimmte Zellen aktiviert werden, wenn wir etwas sehen.Das ist das Geheimnis der Empathie: Ich fühle, was du fühlst. Wir sind also hirnorganisch dazu bestimmt, mitfühlende Wesen zu sein.
Trotzdem sind nicht all unsere Gespräche von Mitgefühl bestimmt. „Wann hat das angefangen?“ fragt der Arzt, wenn wir über Herzbeschwerden reden. „Wie konntest du nur…!“, mahnt die Mutter, wenn das Kind in ihren Augen etwas falsch gemacht hat. „Das haben Sie mal gut hingekriegt“, sagt der Chef. Was haben diese Äußerungen gemeinsam? Sie sind weit weg von Empathie. Sie sind gesteuert vom Intellekt. Fast scheint es so, als können wir uns in der Welt von Richtig oder Falsch abkoppeln von unserer mitfühlenden Seele und auf einen Beurteilungsmodus schalten. Als wählten wir einen anderen Gang im Auto.
Es scheint uns natürlich, Dinge einzuordnen in Richtig oder Falsch. Du bist falsch oder ich bin falsch. Eine andere Möglichkeit sieht dieses System nicht vor. Wir sind völlig entkoppelt von unserer Empathie. Wie können wir auch empathisch zuhören, wenn der andere sagt: „Was du tust, tut mir so weh!“ Wie können wir empathisch bleiben, wenn wir hören: „Du bist zu dumm zum Milch holen“. Unsere Empathie bleibt auf der Strecke, wenn jemand zu uns sagt: „Das liegt in deinem Charakter, dass du immer so übergriffig bist. Das solltest du mal ändern…“
Zu den schwersten Übungen in der Gewaltfreien Kommunikation gehört für mich das empathische Zuhören, das empathische Aufnehmen von solchen Aussagen. Ich arbeite viel mit einer kleinen eingeschweißten Liste, auf der Gefühle und Bedürfnisse stehen. Wenn es möglich ist, greife ich zu der Liste und versuche abzuhaken, welche Gefühle und Bedürfnisse ich beim anderen wahrnehme. Sie ist ein Hilfsmittel, ein Instrument, das mich darin unterstützt, beim anderen zu sein.
Und immer öfter greife ich nach der Liste, um zu gucken: Wie geht es mir, wenn ich das höre? Was brauche ich, wenn jemand so mit mir spricht?
Heute will ich mich daran erinnern, dass ich in erster Linie dafür zuständig bin, mich um mich zu kümmern. Wenn ich anderen Empathie entgegen bringen will, brauche ich eine verlässliche Beziehung zu mir selbst, um mir in jedem Moment treu sein zu können.
Jetzt hätte ich natürlich gerne mal ein Blick auf die Liste geworfen. Oder steht sie hier schon in irgendeinem Beitrag?
Gruß Oliver
Hallo, Oliver,
Ich dachte, ich hätte Dir eine gegeben, als wir uns im Osterberg getroffen haben. Guck mal auf das Posting, ich habe ein Foto von Vorder- und Rückseite eingebaut. Wenn Du keine hast, Mail mir Deine Adresse, dann schicke ich Euch zwei.
So Long!
Ysabelle