Was ich sage, was andere hören…
„Das Ohr ist stumm, der Mund ist taub; aber das Auge vernimmt und spricht. In ihm spiegelt sich von außen die Welt, von innen der Mensch.“
Johann Wolfgang von Goethe, Farbenlehre
Zwei Dinge erlebe ich im Zusammenhang mit der Gewaltfreien Kommunikation als besonders schmerzhaft. Zum einen ist es die fehlende Giraffengemeinschaft im Alltag, die Einsamkeit in einem Kosmos, in dem es eben nicht um Richtig oder Falsch geht. Zum zweiten spüre ich meine tiefe Verzweiflung, wenn meine Entscheidung, dieser Wolfswelt nicht mehr anzugehören, Blüten trägt, die so nie gewollt waren. Im konkreten Fall gibt es jemanden, der mein Insistieren auf Gefühle und Bedürfnisse als so schmerzhaft empfunden hat, dass die Person den Kontakt zu mir abgebrochen hat.
Marshall Rosenberg sagt gern, „die ersten 30 Jahre sind die schwersten“, und erntet damit viele Lacher. Ich finde es schwierig empathisch zu bleiben (mit mir und mit anderen…), wenn Menschen in meinem engeren Umfeld reagieren als sei ich einer Sekte beigetreten. „Ich will nicht wieder hören, dass ich zu blöd bin um das mit den Bedürfnissen zu kapieren!“, hörte ich jetzt sinngemäß. Ja, das kann ich von ganzem Herzen verstehen. Niemand möchte sich selbst als blöd ansehen. Es sind unsere Wölfe, die uns so verurteilen, die uns Vorwürfe machen, wenn wir vermeintlich nicht perfekt sind. Und auch das ist unsere eigene Einschätzung, die wir von uns annehmen oder uns dagegen wehren. Das Entscheidende ist, dass ich weder sage oder auch nur denke, du bist zu blöd, sondern dass andere in ihrem Kopf aus meinen Worten filtern, „ich bin zu blöd…“. Gefangen im Kosmos, entweder bin ich Scheisse (oder zu blöd…) oder du bist Scheisse, und dann hab ich lieber keinen Kontakt mehr mit Dir, bevor ich so etwas Schmerzhaftes über mich denke. Und eben das erfüllt mich mit tiefer Verzweiflung. Es geht doch gerade darum, aus diesem Weltbild auszusteigen. Und nun führt mein Beitragen wollen dazu, dass das Imperium im Kopf zurückschlägt.
Ach, Marshall, noch 26 Jahre, bis ich mit solchen Aussagen umgehen kann? Noch 26 Jahre, bis ich in der Lage bin, dann empathisch auf mein Gegenüber zuzugehen, die Herzen (wieder) zu öffnen? An Tagen wie heute zweifle ich, ob ich das jemals schaffe. Doch in meiner Giraffengemeinschaft, umgeben von meinen Freunden, die die gleiche Sprache sprechen, merke ich: Ich bin nicht allein. Und gemeinsam schaffen wir es.
Heute will ich mir ins Gedächtnis rufen, dass ich nicht allein bin. Wir sind viele, die um die Haltung ringen. Und ein unterstützendes Gespräch ist immer nur einen Anruf entfernt.