Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Wortschätzchen: Verraten

Heute habe ich wieder eine richtige Bombe am Wickel. Verraten heißt das Wort, das mir dieser Tage über den Weg lief. Und dabei dachte ich nicht an die Bedeutung:

„Verrätst du mir, was ich zu Weihnachten kriege?“.

Vielmehr habe ich  über mein eigenes Verhalten nachgedacht und mich gefragt, ob es mit meinen Werten übereinstimmt oder ob ich eine Sache oder eine Person „verraten“ habe. Der Wolf hob nur einmal müde den Kopf.

Starten wir mit der Bibel. Judas hat Jesus verraten. Logischerweise war das etwas Schlimmes, denn so war Judas SCHULD am Tod von Jesus. Logisch, oder?
Wenn mich meine Bibelkenntnisse nicht im Stich lassen, ging es darum, dass die Obrigkeit nicht wusste, welcher aus dieser Horde von Langhaarigen nun der Messias war, und Judas hat es ihnen gesagt, für 50 Silberlinge. Genauer gesagt hat er Jesus geküsst und auf diese Weise seine Identität preisgegeben.

Wikipedia schreibt:

Während sich in den Paulusbriefen und anderen Episteln kein Hinweis auf Judas Ischariot findet, führen ihn alle Evangelien als Apostel ein und stellen seine Rolle in Jesu Passion heraus. Sein Name erscheint bei den Synoptikern (Markus, Matthäus, Lukas) erstmals jeweils in den Jüngerlisten, die die zwölf erstberufenen Jünger Jesu aufzählen. In Mk 3, 19 EU, dem Mt 10, 4 EU und Lk 6, 19 EU fast wörtlich folgen, wird nur beim Namen Judas sofort auf dessen künftige Rolle in der Passionsgeschichte Jesu hingewiesen: …der ihn später verriet.

Dieses Tun wird durchgängig mit dem griechischen Verb para-didomi benannt,[1] was allgemein „hingeben“, „übergeben“ bedeutet. Das Wort umfasst das Bedeutungsspektrum zwischen dem „Überliefern“ einer Sache (auch von Lehren), dem „Ausliefern“ von Personen an Gericht und Strafverfolgung bis hin zur „Preisgabe“ an die Feinde.[2] Moderne Bibelübersetzungen wie die Einheitsübersetzung und die 1984 revidierte Lutherbibel übersetzen den Ausdruck an den Stellen, die das Judashandeln erwähnen, meist mit „ausliefern“ oder „verraten“, die Elberfelder Bibel mit „überliefern“. Dabei geht es im jeweiligen Kontext um Jesu Übergabe an seine Richter, Feinde oder zur Hinrichtung. Die Evangelien stellen Judas also nicht als bloßen Vermittler einer unabhängig von ihm vollzogenen Tötungsprozedur, sondern als aktiven Initiator der Passionsgeschichte dar. Deshalb heben sie sein zukünftiges Handeln schon bei seiner Berufung hervor.

Nach der Jüngerberufung gehört Judas bei den Synoptikern jedoch ganz selbstverständlich zu denen, die Jesus als „Brüder“ anspricht (Mk 3, 34 EU) mit der Begründung: Alle, die Gottes Willen ausführten, seien seine nächsten Verwandten. Auch in der Aussendungsrede gehört Judas zu den Jüngern, von denen es heißt (Mk 6, 13 EU):

„Und sie gingen aus und predigten, man solle Buße tun, und trieben viele böse Geister aus und salbten viele Kranke mit Öl und machten sie gesund.“

Er wird auch in der weiteren Darstellung nirgends als einer der Jünger hervorgehoben, die Zweifel äußerten oder Fragen an Jesu Sendung stellten.

Erst nach dem Tötungsplan der Tempelpriester und Schriftlehrer (Mk 14, 1f EU), das heißt, der im Sanhedrin vertretenen jüdischen Führungsgruppen, wird Judas als der genannt, der Jesus an diese seine Feinde verraten habe, wofür sie ihm Geld versprochen hätten (Mk 14, 10f EU). Das Matthäusevangelium führt diese Notiz weiter aus. Nach Mt 26, 15 EU soll Judas unmittelbar nach der Salbung in Bethanien die Hohenpriester aufgesucht und von sich aus um Lohn für seinen Verrat ersucht haben: Was wollt ihr mir geben? Ich will ihn euch verraten. Daraufhin hätten sie ihm 30 Denare – etwa den damaligen Monatslohn eines Handwerkers – dafür angeboten. Dies habe ihn motiviert, eine Gelegenheit für den Verrat zu suchen. So erscheinen die Jerusalemer Sadduzäer bei Matthäus als Hauptgegner Jesu.

Das Lukasevangelium gibt dagegen als Grund für Judas‘ Handeln an, dass der Satan von ihm Besitz ergriffen habe (Lk 22, 3 EU). Wie bei Markus bieten auch bei Lukas die Hohenpriester eine Bezahlung für die Dienste des Judas an, ohne dass er dies verlangt hätte.

Im Bericht vom letzten Mahl (Mk 14, 12-26 EU) kündigt Jesus selbst an, dass einer seiner Tischgäste den Verrat begehen werde, ohne Judas beim Namen zu nennen. Er weist dabei in Gegenwart aller Jünger auf Gottes Vorherbestimmung seines wie des Verräters Weges hin:

„Der Menschensohn muss zwar seinen Weg gehen, wie die Schrift über ihn sagt. Doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre.“

Judas verkörpert demnach die Möglichkeit des Verrats inmitten der Jüngerschar, die Jesus angesichts seiner Festnahme verließen und wie Petrus verleugneten. Aber Jesu Austeilung von Brot und Wein gibt ihnen allen, auch Judas, vorweg Anteil an Jesu Lebenshingabe, die nach Mt 26, 28 EU und 1_Kor 15, 3 EU Sündenvergebung beinhaltet: Und sie tranken alle daraus, nämlich aus dem Kelch, den Jesus als „Blut des neuen Bundes“ deutete (v. 23).
Cappella degli Scrovegni (Padua): Der Judaskuss von Giotto

Danach führte Judas nach allen Evangelien die jüdische Tempelwache und römische Soldatenschar zu Jesu Aufenthaltsort im Garten Gethsemane und identifizierte ihn für sie mit einem Kuss. Nach Mt 27, 3ff EU soll er seine Tat später bereut haben, darüber verzweifelt sein und sich nach Jesu Verurteilung erhängt haben. Apg 1, 18 EU zufolge barst er mitten entzwei, und alle seine Eingeweide traten heraus.

Also: ein Mensch, der einen anderen verrät, ist schlecht und böse.
Ein Verräter ist jemand, der ein Geheimnis nicht bewahren kann. Ein Verräter ist jemand, der seinen eigenen Interessen eine höhere Priorität einräumt als dem Gemeinwohl.

Jetzt wenden wir uns einer spannenden Frage zu.

Welche Gefühle sind in einem Menschen lebendig, der glaubt: du hast mich verraten!

Ich vermute, der Mensch spürt Schmerz, Verzweiflung, Angst, Hilflosigkeit und Ohnmacht.

Ein Blick auf meine schlaue Liste und ich ergänze:

angstvoll

ausgelaugt

beklommen

bestürzt

bitter

durcheinander

elend

erschüttert

erstarrt

furchtsam

in Panik

mutlos

traurig

schockiert

sorgenvoll

überwältigt

verzweifelt

und die Bedürfnisse, die vermutlich im Mangel sind, sind:

Sicherheit

Schutz

Autonomie (ich möchte selbst entscheiden, wer was über mich weiß)

Integrität

Ehrlichkeit

Zugehörigkeit

Unterstützung

Wertschätzung

Respekt

Vertrauen

Leichtigkeit (ich möchte nicht lange abwägen, wem ich vertrauen kann…)

Ja, so geht es mir vermutlich, wenn ich den Gedanken habe, ich sei verraten worden. Irgendwie hat „verraten“ auf diesem Weg ein bisschen den Stachel verloren. Es schmerzt noch immer, aber die Gefühle haben sich verändert.

Vielleicht mag jemand ergänzen, was vielleicht in  demjenigen lebendig ist, der mit seinem Verhalten der Auslöser für so eine Bewertung war?

Ich möchte gerade an dieser Stelle noch einmal sagen, wie viel Freude mir die Wortschätzchen machen, und dass ich hoffe, dass sie Euch auch etwas bringen. Mir tut es so gut, Worte mit einer Bewertung in Gefühle und Bedürfnisse zu übersetzen. Ich werde im Alltag munter dafür, wenn Bewertungen unterwegs sind, und ich übe, sie zu übersetzen.

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