Verantwortung für unsere Gefühle
„Mit demselben Gefühle, mit welchem du bei dem Abendmahle das Brot nimmst aus der Hand des Priesters, mit demselben Gefühle, sage ich, erwürgt der Mexikaner seinen Bruder vor dem Altare seines Götzen.“ – Heinrich von Kleist, An Wilhelmine von Zenge, 13.-18. September 1800
Es sagt sich so einfach und es lebt sich so schwer. Ich bin für meine Gefühle verantwortlich, nicht du. im Moment wird mir diese Lektion geradezu eingebläut, sowohl als aktiv Beteiligte als auch als Zuhörerin.
Ich bekam eine Mail, die mich sehr amüsiert hat und sich mit den fahnengeschmückten Autos beschäftigt. Obwohl ich sehr unter Zeitstress war, habe ich sie weiter geleitet an einen Haufen Freunde, von denen ich annahm, sie hätten ebenfalls Spaß daran. Dann kommt die Antwort von der ersten Freundin:
Liebe ysabelle,
sehe ich: mail von ‚ysabelle, freue ich mich, aha, eine Entwicklung bezüglich Sommer ist im Gang. Dann lese ich was über Fahnen- könnte witzig sein, trifft aber nicht mein Bedürfnis nach Nähe und Verständigung mit dir, sondern frustriert mich…
und wenige Stunden später kommt die Antwort einer anderen Freundin:
Liebe Ysabelle,
vielen Dank für diese Information 😀
(… und ein wenig Info zu einem anderen Thema. )
Die Ausgangslage war jeweils die gleiche, beide Frauen haben die gleiche Mail bekommen.
Während die eine Antwort bei mir sofort ein schlechtes Gewissen auslöste – oh, jetzt ist sie ärgerlich… war die zweite Antwort bei mir Auslöser von Erleichterung und Entlastung.
Ich bin gern bereit mir selbst immer wieder zu sagen, ich bin nicht verantwortlich für die Gefühle, die ich bei anderen auslöse, ich bin verantwortlich für meine Handlungen.
Aber es fällt mir unendlich viel schwerer zu akzeptieren: Andere sind nicht für meine Gefühle verantwortlich. Wenn ich mich zum Handeln oder Unterlassen entscheide, ist das ausschließlich meine Verantwortung. Das betrifft „Kleinigkeiten“ wie ausbleibende Telefonanrufe ebenso wie Großigkeiten, was immer sie für mich sein mögen.
Heute will ich mich darauf besinnen, dass ich für meine Gefühle verantwortlich bin. Ich bin auch verantwortlich für meine Handlungen, die durch meine Gefühle angestoßen werden.
Also, ich fands witzig und habe die mail mit wehenden Fahnen gleich weitergetragen 🙂
-Das jeder von uns für seine Gefühle selbst verantwortlich ist, ist (eigentlich) Basiswissen.
Nur mit der Umsetzung hapert es bei mir selbst. Ich habe eine aktuelle sehr stressige Situation und mir sind die Sicherungen durchgebrannt. Die waren meinem Adrenalin-Stromstoß nicht gewachsen.
Nun sitze ich in meinem stillen Kämmerlein, überlege mir eine Strategie, wie ich mit dem Konflikt umgehen will, und mache Kopfkino: Auf dem grünen Tisch funktioniert das alles, nur, was dann passiert, wenn ich den Leuten gegenüber stehe, weiß ich nicht. Ich glaube, ich versuche es mal mit Selbstempathie, denn von der anderen Seite gibt es jedenfalls keine Empathie. Und ich glaube, dass ist auch der Bereich, wo es dann gescheppert hat: Das Adrenalin war schneller als meine Bemühungen um mein seelisches Wohlbefinden.
Offensichtlich gibt es da eine echte Aufgabe für mich.– Ich erzähl später, wie das ausgegangen ist,
LG erstmal, von Friedrich
Hallo, Friedrich,
ich bin ganz berührt, dass Du Dein Erlebnis hier teilst.
Was würde Dich unterstützen, Dein seelisches Gleichgewicht wieder zu finden?
Ysabelle