Drum prüfe, wer sich ewig bindet…
„Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet.“
Friedrich Schiller, Das Lied von der Glocke
„Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht etwas bessres findet.“
Verballhornung von Friedrich Schiller, Das Lied von der Glocke
Gerade an diesem Wochenende hatten wir eine Märchenhochzeit in Schweden. Kronprinzessin Victoria heiratete ihren früheren Fitnesstrainer Daniel Westing. Es war beiden anzusehen, dass sie sich von Herzen zugetan sind, doch darum soll es heute nicht gehen. Heute möchte ich einen Blick auf die oben zitierte Verballhornung des Schiller-Zitats werfen: Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht etwas bessres findet.
Was ist etwas Besseres? Um etwas Besseres zu finden, muss ich vergleichen. Und dann komme ich zu solchen Ergebnissen wie „der Mann verdient mehr“, und „die Frau sieht besser aus“. Wenn wir nach diesen Standards gehen, sind wir auf dem besten Weg, an unserem eigenen Unglück ein paar Henkel anzuschweißen.
Marshall erläutert nicht ohne Grund immer wieder, dass sich mit anderen zu vergleichen eine der einfachsten und prächtigsten Möglichkeiten ist, sich wirklich elend zu fühlen. Dabei geht es darum, was ich nicht habe, wohl aber aber andere:
Welche Qualitäten Mozart im Alter von acht Jahren aufzuweisen hatte im Gegensatz zu mir, zum Beispiel. Ich kann nicht mal Klavier spielen.
Es gibt mit Sicherheit Nobelpreisträger, die jünger sind als ich, und Ex-Top-Models, die besser aussehen als das, was ich morgens im Spiegel sehe.
Eine unserer Kernfragen lautet also:
Bin ich gut genug?
Und ich antworte mit einer Gegenfrage: Wofür?
Wer setzt die Maßstäbe dafür, ob es zum Beispiel „etwas Besseres“ als mich gibt? Wie ist jemand, der „besser“ ist als ich? In welchen Wettbewerb soll ich da eintreten? Wie viele Disziplinen werden ausgetragen? Kochen, Putzen, Stricken, Blogeinträge verfassen, Auto waschen, Bücher schnell lesen?
Das kriege ich alles hin. Französisch sprechen, Fußball spielen, Gehirnoperationen vornehmen, einen HTML-Code für saubere Blog-Ränder erkennen, Crepes auf der heißen Platte wenden, einen Wasserrohrbruch reparieren, einen Fahrradreifen wechseln – Fehlanzeige. Bin ich deshalb ein schadhaftes Modell? Bin ich deshalb ungenügend? Brauche ich ein Selbstverbesserungsprogramm, um Maßstäben gerecht zu werden, die ich nicht einmal kenne? Überprüfe ich mich selbst an dem Qualitätsprogramm, das mir unsere Kultur eingebaut hat? Die Träume meiner Eltern? Kind, aus dir soll mal etwas Besseres werden?
Was brauche ich wirklich?
Ich glaube heute, zuerst brauche ich wirklich Selbstliebe.
Wenn ich mich selbst liebe, muss ich keine Angst mehr haben, die Liebe eines anderen zu verlieren, weil ich nicht gut genug bin, weil er etwas Besseres findet. Vielleicht findet er oder sie einen anderen Menschen, mit dem er (oder sie) mehr von seinen (oder ihren) Bedürfnissen erfüllen kann. Aber das sagt nichts über meine Qualitäten aus. So wie ich bin, bin ich richtig und liebenswert.
Heute will ich mein Herz für mich selbst entdecken und festhalten.