Beitragen ist angeboren
Caring is a reflex. Someone slips, your arm goes out. A car is in the ditch, you join the others and push. You live, you help.
(Sich kümmern/sorgen um ist ein Reflex. Jemand rutscht aus, dein Arm streckt sich aus. Ein Auto ist stecken geblieben, du schließt dich den anderen an und schiebst. Du lebst, du hilfst).
Ram Dass
Ist das nicht eine wunderbare Vorstellung? Beitragen ist uns Menschen eingebaut. Wenn ich mich umsehe in meiner Welt, habe ich an manchen Tagen den Eindruck, dass einige Menschen in meiner Umgebung hart daran gearbeitet haben, sich diesen Reflex abzutrainieren. Als ich ein Schulkind war, wurde selbstverständlich erwartet, dass ich für Ältere im Bus aufstehe. Der Schönheitsfehler war, dass ich es nicht gemacht habe, um zum Wohl des älteren Menschen beizutragen. Ich tat es, um zu vermeiden, dass die Nachbarin beobachtet, dass ich sitzen bleibe, und es anschließend meiner Oma steckt. Und diese würde dann strafen, weil sie keine andere Alternative sah, mir beizubringen, was sie für gesellschaftlich erwünscht hielt. Aufstehen war richtig, sitzen bleiben war falsch. Falsches wurde bestraft…
In meiner Familie gab es einen Großonkel, den ich vielleicht ein Dutzend Mal im Verlauf von ein paar Jahren gesehen habe. Er starb bevor ich zehn Jahre alt war. Bei jeder Begegnung sollte ich diesen fremden alten Mann küssen, und zwischendurch wurde von mir erwartet, dass ich ihm schreibe. „Das gehört sich so, und du kriegst auch was dafür!“ Das Traurige an der Geschichte: auch hier ging es nicht wirklich um Verbindung, sondern um „bezahlte“ Dienstleistung. Den eigenen Bedürfnissen nach Autonomie, Respekt und Schutz folgen war falsch und wurde kritisiert, das widerwillige Küssen oder Schreiben wurde belohnt…
Gehorsam, Pflicht, Benehmen, Anstand – nach diesem Muster funktionieren wir bis heute. Ich sehe mich heute noch täglich mit diesen Anforderungen konfrontiert. Wer von uns Lernenden kennt schon wirklich seine eigenen Bedürfnisse und traut sich, danach zu leben?
Die Giraffensprache kann uns helfen, unser mitfühlendes Wesen neu zu entdecken. Die Stimme des Herzens, unsere mitfühlende Seele findet nur schwer Gehör. Und diese Stimme kann eben auch sagen: Ich möchte den fremden Mann nicht küssen. Und ich bin selber müde! Meine Bedürfnisse zählen ebenso wie deine, und deshalb bleibe ich im Bus sitzen. Oder wir können uns den Platz teilen…
Heute will ich daher versuchen, die Stimme meines Herzens zu hören und ihr zu folgen.