Loslassen
The most exquisite paradox — as soon as you give it all up, you can have it all. As long as you want power, you can’t have it. The minute you don’t want power, you’ll have more than you ever dreamed possible.
Ram Dass
Immer wieder entdecke ich bei mir den Gedanken, wenn ich etwas nur schön GfK formuliere, dann wird meine dahinter liegende Bitte auch erfüllt. Marshall erzählt auf einer seiner CD’s von einer Mutter, die bei ihm einen Kurs besuchte und am zweiten Tag mit den Worten wieder kam: „Marshall, es funktioniert nicht!“ Er fragte nach, was sie meinte, und sie erzählte, sie sei abends nach Hause gekommen und habe ihren Sohn angesprochen, etwas Bestimmtes zu erledigen. Wenn ich sehe… fühle ich mich… weil mir … wichtig ist. Wärest du bereit, … zu tun?
Als der Sohn dazu nicht bereit war, wurde sie wütend und frustriert (und beschimpfte ihn).
GfK ist keine Zauberformel, um von anderen zu bekommen, was wir wollen. Im Gegenteil. Die Haltung, die wir mit der GfK verbinden, schenkt ja gerade uns und unserem Gegenüber die Freiheit, nach den eigenen Bedürfnissen zu handeln. Aber: Eines der stärksten menschlichen Bedürfnisse ist das Bedürfnis beizutragen. Wenn wir die Freiheit des andern genau so hoch schätzen wie unsere eigenen Wünsche, erhöhen wir die Chance, dass wir genau das kriegen, was wir uns wünschen.
Vor 14 Tagen hatte meine Mutter Geburtstag. Wir trafen uns zu einem gemütlichen Abendessen und ich hatte mein IPad mit, um ihnen die Fotos von der Hochzeit ihres Enkels zu zeigen (und weil ich so verliebt in die Flunder bin, dass ich ohne sie sowieso nicht aus dem Haus gehe). Bei der Anreise merkte ich, wie sehr ich mir wünschte, meine hochbetagten Eltern würden sich ein wenig für die digitale Technik öffnen. Es wäre so viel leichter, mit ihnen per Mail Kontakt zu halten. Im Zug gab ich mir Empathie für diese Wünsche nach Leichtigkeit, Verbindung, Beitragen, Autonomie (für meine Eltern, die aus gesundheitlichen Gründen kaum aus dem Haus kommen), Beteiligung, Vertrauen, Begeisterung, Spaß und gesehen und gehört werden.
Dann rief ich mir in Erinnerung, warum ich im Zug saß. Ich wollte mit meiner Mutter ihren Geburtstag feiern, und nicht etwa ihr meinen Willen aufzwingen.
Wir verbrachten einige schöne Stunden miteinander. Mein Vater spielte ein bisschen mit dem IPad, bewunderte die Fotos und staunte über einzelne kleine Programme. Meine Mutter erzählte, dass sie bis vor wenigen Monaten eine eifrige Nutzerin von Videotext war, aber es mit dem neuen Fernseher noch nicht ausprobiert hatte. Ich war überrascht es zu hören und berührt, als sie davon sprach, wie anstrengend manche Dinge zur Zeit für sie seien und wie schwierig, sich auf Neues einzustellen.
Im Zug habe ich mir gratuliert, meine Klappe gehalten zu haben. Ich hatte viel Neues über meine Eltern erfahren, wie es ihnen geht, was sie bewegt. Und ich war dankbar, dass wir eine echte Verbindung gefunden hatten.
Gestern rief mich mein Vater im Büro an. Wir wollen ein IPad! Wie sieht es aus, kannst Du uns eins besorgen?
Heute will ich mich daran erinnern, dass im Loslassen unseres eigenen Willens ein wunderbarer Zauber innewohnen kann. Ich gewinne eine neue Freiheit, indem ich meinem Gegenüber die Freiheit schenke, sich nach seinen Bedürfnissen zu entscheiden.