Hirnen
Daß wir die Übel, die wir haben, lieber
Ertragen als zu unbekannten fliehn.
So macht Bewußtsein Feige aus uns allen;
Der angebornen Farbe der Entschließung
Wird des Gedankens Blässe angekränkelt;
Und Unternehmen, hochgezielt und wertvoll,
Durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt,
Verlieren so der Handlung Namen. – Still!
Die reizende Ophelia! – Nymphe, schließ
In dein Gebet all meine Sünden ein!
Aus: Hamlet, von William Shakespeare
Heute Morgen hatte ich ein wunderbares und bereicherndes Telefonat mit einer GfK-Freundin, die gerade sehr mit ihren inneren Stimmen ringt. Was ist richtig, was ist falsch? Wir hatten Begriffe wie herzlos oder im Stich gelassen am Wickel, haben Wölfe eingefangen und innere Richter übersetzt. Mir bereitet das eine tiefe Freude, auf diese Weise zu kommunizieren. Es bringt mich in Verbindung mit dem Leben und mit einer Höheren Macht, für die es kein Richtig und kein Falsch gibt. Gott sitzt nicht mit einer Excel-Tabelle bewaffnet auf einem Berg und notiert sich unsere Sünden. Und wenn er es nicht tut, brauchen wir es auch nicht zu tun, weder mit unseren eigenen noch mit denen anderer.
In dem Gespräch ist mir erneut eingefallen, wie viel Zeit unseres Lebens wir mit „Hirnen“ verbringen. Das Wort habe ich von einer Bekannten im Breisgau aufgeschnappt und ich finde es wunderbar! Hirnen ist die Zusammenfassung für all den Kram, den wir im Kopf haben, und der uns weder weiterbringt noch glücklich macht. Urteile gehören in die Kategorie Hirnen. Was wäre wenn… ist hirnen, die Interpretationsgefühle gehören in diese Tüte. Wenn es uns gelingt aufzuhören zu hirnen, Dinge wiederzukäuen, unseren Kopf damit zu verstopfen, was andere denken, warum wir nicht kriegen, was wir wollen oder brauchen, dann steht unserem Glück nichts im Weg. Das Bewusstsein macht uns feige, sagt Hamlet. Ich denke, hirnen raubt uns Kraft und Lebensfreude. Es reicht, einfach zu akzeptieren was gerade ist.
Heute will ich aufmerksam sein, wenn ich mich in endlosen Gedanken verstricke. Ich nutze meine Kraft dafür, meinem Leben die Richtung zu geben, die ich mir wünsche.