Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Wortschätzchen: Kontrollieren

„Bei der Schleierfahndung machen wir gerade keine willkürlichen Kontrollen. Ich sage es einmal salopp: Wir kontrollieren diejenigen, die danach ausschauen, als ob sie einer Kontrolle dringend bedürften.“

CSU-Politiker Günther Bechstein im Bayerischer Landtag, Plenarprotokoll 15/62 v. 07.03.2006, S. 4662

„Ich fühle mich kontrolliert“, schnappte ich heute auf. Juchu! Zu meinem Glück sagte es jemand, der mit dee GfK ganz gut vertraut ist, und so konnte er auch meine Frage „welche Gefühle hast du, wenn du dich kontrolliert fühlst?“ gut hören. Wir haben kurz darüber nachgedacht und sind aber zunächst nur auf „irritiert“ gekommen.
Aus dem Zusammenhang wurde aber klar, dass mein Gegenüber Druck verspürte und ich machte mir im Geiste einen Knoten ins Ohr: Achtung, Wortschätzchen!

Was ist bei mir los, wenn ich mich kontrolliert fühle? Ich vermute, dass dann die Bewertungsmaschine im Kopf eine Einschätzung abliefert, die ganz viel mit RICHTIG oder FALSCH zu tun haben könnte. Beliebte Fragen, die das Interpretationsgefühl „kontrolliert“ auslösen können, sind zum Beispiel „wo warst du?“ oder „warum hast du das (nicht) gemacht/erledigt?“ Unsere Bewertungsmaschine interpretiert diese Fragen nicht etwa sachlich, sondern hört: du solltest etwas so und so machen, und du musst schon gute Gründe haben, wenn du es anders machst, sonst gibt es Ärger!
Es könnte also gut sein, dass die Person, die denkt, sie werde kontroliert, dabei folgende Gefühle hegt:
ärgerlich
alarmiert
einsam
entrüstet
genervt
irritiert
sauer
streitlustig
unbehaglich
widerwillig

Bei der Suche nach passenden Gefühlen kam mir noch ein spannender Gedanke. Manchmal ist es so, dass es in uns selbst einen Anteil gibt, der sagt, „du müsstest und du solltest…“. Wenn dann jemand anderes eine Frage stellt a la „warum hast du dich da so entschieden und nicht anders?“, aktiviert das den Persönlichkeitsanteil, der eben auch genau dieser Ansicht war. Und die anderen Persönlichkeitsanteile wehren sich dagegen. Das klingt sehr theoretisch, fürchte ich. Ich versuche es an dem Beispiel „kontrolliert“ einmal aufzuzeigen.
Ausgangslage ist: XY hatte einen Plan und hat ihn im Verlaufe des Tages geändert. Darum fuhr die Person nicht wie ursprünglich besprochen nach Dingsbums. In XY gab es eine innere Stimme, die sagte, „du hättest da hinfahren sollen. Es wäre besser,wenn du vor Ort bist!“ Nun fragt also jemand von außen, „du wolltest doch da hin fahren, warum hast du das nicht gemacht?“ Und zack! Da meldet sich irgendwo im Inneren das schlechte Gewissen, „du hättest doch und du solltest…“ und das muss nun abgewehrt und zum Svhweigen gebracht werden, indem ich meinem Gegenüber Dinge sage, die wölfisch vielleicht lauten: ich fühle mich kontrolliert, oder kümmere dich um deine Angelegenheiten, oder das geht dich nichts an. Wie an der Tischtennisplatte schmettern wir den Ball zurück in das Feld des „Gegners“.

[ich bitte um Rückmeldungen, ob dieses Beispiel verständlich ist.]

Welche Bedürfnisse sind gerade bei uns unerfüllt, wenn wir denken, wir würden kontrolliert? Sofort springt mich das Bedürfnis nach Autonomie an. ich möchte selbe entscheiden können, wann ich was mache, und was für mich richtig ist.
Bestimmt hat es auch etwas mit Vertrauen zu tun. Ich möchte darauf vertrauen, das meine Entscheidungen für mich richtig und stimmig sind, und ich möchte auch, dass mein Gegenüber darauf vertraut.
Vielleicht ist auch mein Selbstvertrauen im Mangel. Mir fehlt die innere Zuversicht, die „richtige“ Entschjeidung getroffen zu haben.
Unte Umständen sind auch Verständnis und Harmonie im Mangel, wenn ich denke, dass meine Entscheidungen in Zweifel gezogen werde. Mit großer Wahrscheinlichkeit fehlt mir auch Leichtigkeit. Mögt Ihr diese Überlegungen ergänzen?

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