Wortschätzchen: un-
Neulich erzählte ein Freund am Telefon, er habe bei einem Umzug geholfen. „Da war ich einen Moment unaufmerksam und habe mir den Kopf an der Heckklappe des Autos blutig gestoßen.“ Ich hörte mich sagen: Können wir „unaufmerksam“ übersetzen?“ Er stockte kurz und sagte dann, „in Gedanken“.
Die kleine Vorsilbe un- hat mich seitdem beschäftigt. Unsicher, ungerecht, unklar, Ungar *lach*, unwahr, ungeschickt, unüblich, unsauber… Diese Liste ließe sich sicher sehr lang fortschreiben. Und in den Beispielen, die ich gerade im Kopf habe, ist es so, dass es immer eine „richtige“ Art gibt, etwas zu tun oder zu denken, und eine falsche. Die Konnotation bei der Vorsilbe un- liegt also häufig darauf, dass etwas FALSCH ist, und zwar im Zweifelsfall mit mir oder mit meinem Gegenüber.
Diese Erkenntnis entlockt mir einen tiefen Seufzer. Je länger ich mich mit diesen Wortschätzchen beschäftige, desto stärker fällt mir auf, dass unsere Alltagssprache wirklich unglaublich tief das Denken über Richtig und Falsch widerspiegelt. „Unaufmerksam“ ist also keine Beobachtung, bei „abgelenkt“ schwingt ebenfalls gern mit, dass die Aufmerksamkeit eigentlich auf etwas anderes gerichtet sein „sollte“. An manchen Tagen erscheint es mir wie ein Kampf gegen Windmühlenflügel, die Gewalt aus meiner Sprache herauszufiltern.
Wie geht es Euch damit im Alltag?