Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Beziehungsproben

„Die Entwicklungschancen einer Beziehung sind um so größer, je mehr Chancen wir ihrer Entwicklung geben.“
Ernst Ferstl „einfach kompliziert einfach“, Wien-Klosterneuburg, EDITION VA BENE, Ausgabe 1995


Beziehungen können durch GfK eine neue Tiefe gewinnen. Doch der Weg dorthin ist durchaus nicht immer einfach oder gerade.
In einer Auseinandersetzung sagte der Mann, der Verzweiflung und Wut in sich aufsteigen fühlte, ich brauche jetzt mal meine Ruhe. Er verließ den Raum, um ein bisschen Abstand herzustellen. Doch seine Gefährtin folgte ihm. Du gehst jetzt nicht. Wir klären das jetzt! Schließlich fand sich der Mann am Ende einer Treppe wieder, eine Sackgasse. Und die Gefährtin hinter ihm, ein Gespräch einfordernd. Ich glaube, es braucht nicht viel Fantasie um zu ahnen, was sich als nächstes abspielte. Am Ende trug ein Mensch das Etikett „Gewalttäter“.

Labeling, das Abstempeln des Gegenübers als „gewalttätig“ oder „rücksichtslos“ macht eine friedliche Lösung von Konflikten schwierig. Als der Mann durch das Haus flüchtete, wollte er sich einige wunderbare Bedürfnisse erfüllen. Es ging ihm um Schutz für sich und seine Partnerin, um Ehrlichkeit, Authentizität, vielleicht auch um Klarheit und Autonomie.
Als die Frau ihm durch das ganze Haus folgte, ging es ihr um die Erfüllung von wundervollen Bedürfnissen. Sie suchte Verbindung, Zugehörigkeit, Anerkennung, gesehen und gehört werden. Da beide in ihren alten Mustern gefangen waren, gab es keinen Weg zueinander.

Vielleicht wäre es nicht zu Gewalt gekommen – und jemanden durchs ganze Haus zu verfolgen ist auch eine Form von Gewalt – wenn der Mann in der Lage gewesen wäre zu sagen: Ich fühle mich gerade völlig überwältigt und brauche unbedingt eine Stunde für mich. Ich gehe jetzt um den Block und komme wieder.

Vielleicht wäre Gewalt verhindert worden, wenn die Frau in der Lage gewesen wäre dem Mann zu sagen, ich bin verzweifelt und brauche Verbindung zu dir. Wann können wir dieses Gespräch fortsetzen und was brauchst du dazu?

Gelingt es uns, in schwierigen Situationen noch miteinander in Beziehung zu bleiben, sind die Chancen auf eine friedvolle Lösung unendlich größer als wenn wir mit dem Finger auf den anderen zeigen. Du bist mir nachgekommen, du bist weggelaufen. Du hast mich bedrängt, du hast mich geschlagen…

Was braucht es, damit wir diesen Balanceakt schaffen können? Zunächst einmal eine gute Verbindung zu uns selbst! Die erste Frage lautet: Was brauche ich? Und erst frühestens die zweite Frage kann lauten: Und was brauchst du?

Heute bin ich bereit in Konfliktsituationen nicht nach dem Schuldigen zu suchen, sondern mich zu fragen: Was brauche ich?

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