Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Wortschätzchen: Intolerant

„Im Namen der Toleranz sollten wir uns das Recht vorbehalten, die Intoleranz nicht zu tolerieren.“
Karl Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde

Heute erzählte ich einer Bekannten von einem GfK-Workshop, in dem auch mehrere Kinder durch den Raum wuselten. „Hätten die Eltern die Kinder nicht anderweitig betreuen lassen können?“, fragte sie. „Was Kinder und Lernen angeht, bin ich echt intolerant.“

Im Gespräch stellte sich dann heraus, dass sie zwei Jahre als Au-Pair-Mädchen bei dreijährigen Zwillingsjungs in Arizona gejobbt hatte. „Ohne Kindergarten, weil weg von allem, was einen unterstützen könnte…“ Meinem Einwand, „intolerant“ sei eine Bewertung, und zwar keine besonders freundliche, stimmte sie schließlich zu. Jetzt will ich doch einmal nachspüren, was sie wohl für Gefühle gemeint haben mag, als sie sagte, sie sei da intolerant.

Vermutlich fühlte sie sich bei dem Gedanken an Kinder in einem Seminar
unbehaglich
irritiert
angespannt
besorgt
entrüstet
erschöpft
frustriert
genervt
kribbelig
lustlos
sauer
streitlustig
unbehaglich
ungeduldig
und verspannt.

Und in meiner Fantasie sind in so einem Fall bei ihr die Bedürfnisse nach
Lernen/Wachstum
Leichtigkeit
Verstehen (ganz praktisch, von „Hören“)
vielleicht auch von Schutz und Beteiligung im Mangel.
Ich möchte gefragt werden, ob ich lernen kann, wenn Kinder im Raum sind.
Vielleicht sehnte sie sich auch nach Unterstützung, weil die Anwesenheit der Kinder sie an die Zeit erinnerte, in der sie selbst so gern Unterstützung erlebt oder erfahren hätte. Also fühlte sie sich vielleicht auch einsam. Ich werde sie fragen, wenn ich sie das nächste Mal sehe.

Bei mir selber merke ich, dass meine „Intoleranz“ nachlässt. Ich kann andere Menschen in ihrer Andersartigkeit besser sehen und wertschätzen. Das heißt aber nicht, dass ich alles toleriere, was andere Leute tun… Wie ist es bei Euch? Mögt Ihr diese Überlegungen ergänzen?

3 Reaktionen zu “Wortschätzchen: Intolerant”

  1. Gabriel

    Bei dem Wort Toleranz muss ich immer an mein altes Studentenwohnheim denken. Bevor ich dort einzog, hielt ich mich Ausländern gegenüber für sehr tolerant und aufgeschlossen. Als ich dort auszog, hatte sich das drastisch geändert. Vielen Dank für diesen interessanten Denkanstoß, der mir dabei hilft, mein Selbstbild in etwas hübscheren Farben zu malen: ich brauche mich jetzt nicht mehr als intolerant zu sehen, sondern einfach nur in der damaligen Situation nicht fähig, meinen Bedürfnissen nach Rückzug, Hygiene, Harmonie, Gemeinschaft, und Rücksichtnahme so Ausdruck zu verleihen, dass sie gehört und verstanden werden. Gerade wenn Menschen buchstäblich unterschiedliche Sprachen sprechen, und deshalb vielleicht sogar Bedürfnisworte unterschiedliche innere Bilder erzeugen, wird erfolgreiche Kommunikation, gewaltfreie oder nicht, noch herausfordernder.

  2. Ysabelle Wolfe

    Moin, Gabriel,
    Deine Betrachtungen bringen mich auf das nächste Wortschätzchen. Vielleicht übermorgen, für morgen wird es vermutlich ein bisschen knapp,
    Grüße aus der Bahn!
    Yssabelle

  3. Ysabelle Wolfe

    Auf Spiegel Online fand ich eben einen Artikel von Henryk M. Broder und zitiere hier gern:
    >>
    Dabei geht es nicht um Toleranz, denn Toleranz ist ein Gnadenakt, der ebenso schnell widerrufen werden kann, wie er gewährt wurde. Den meisten Deutschen ist es egal, ob ein Politiker Homo, Hetero, Vegetarier oder Radfahrer ist; Guido Westerwelle wurde nicht zum Außenminister gewählt, weil er schwul ist, auch nicht, obwohl er schwul ist. Seine sexuelle Disposition war den Wählern einfach wurscht. Und daran wird sich – hoffentlich – nichts ändern, bis er eines Tages aus seinem Amt wieder rausgewählt wird.

    Doch nun hat sich Westerwelle geoutet, nicht als Schwuler, sondern als Diplomat. Er hat erklärt, er werde bei Reisen in Staaten, in denen Homosexualität strafbar ist, seinen Lebensgefährten nicht mitnehmen. Denn: „Wir wollen den Gedanken der Toleranz in der Welt befördern. Aber wir wollen auch nicht das Gegenteil erreichen, indem wir uns unüberlegt verhalten.“

    Man muss diesen Satz nicht zweimal lesen, um zu begreifen, was in ihm steckt: Toleranz ist eine feine Sache, aber wir sollten es mit ihr nicht zu weit treiben. Das ist mehr als eine der üblichen Politiker-Sprechblasen, es ist moralisches Harakiri in Zeitlupe, eine Schande. <<

    Ist doch mal spannend, oder?

    Ysabelle

Einen Kommentar schreiben

Hinweise zur Kommentarabonnements und Hinweise zum Widerrufsrecht finden sich in der Datenschutzerklärung.

Copyright © 2024 by: Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren! • Template by: BlogPimp Lizenz: Creative Commons BY-NC-SA.