Näher zu Dir…
„Sie sagte sich: Mit ihm schlafen, ja – aber nur keine Intimität!“
Karl Kraus, Fackel 202 2; Sprüche und Widersprüche
Als Teilnehmer des International Intensive Training (IIT) wurden uns Unmengen von Papier ausgehändigt. Wir mussten unseren Hausarzt angeben, Erkrankungen, wer im Todesfall (!) zu benachrichtigen ist, so erinnere ich den Fragebogen. Als wir darüber meuterten, für so viele Eventualitäten Angaben machen zu müssen, sagte eine der Trainerinnen, „das ist doch noch gar nichts! Für die IIT’s in Amerika musste man sogar unterschreiben, dass man sich der Gefahr bewusst ist. die von Empathie ausgeht.“ So wollte man sicher stellen, dass nicht eventuell ein Ehemann später die Veranstalter verklagt, falls die Partnerin zu einem anderen Teilnehmer tiefe Gefühle entwickelt.
Empathie birgt einen Zauber, der sich nicht auf ersten Blick erkennen lässt. Empathie schafft Intimität. Wikipedia unterscheidet hier zwischen körperlicher Intimität, emotionaler körperlicher Intimität und sexueller Intimität, und eine kleine Umfrage von mir in den vergangenen drei Tagen hat gezeigt, dass Intimität eine eigene Qualität hat, die tiefer geht als Nähe, und weiter gefasst ist als Sexualität.
Wenn ich ein Bedürfnis nach Intimität habe, geht das oft zusammen mit den Bedürfnissen nach Verbindung und Gesehen werden, mit Respekt, Sicherheit, Authentizität und Vertrauen und nicht so sehr mit Sexualität und Lusterfüllung. Wobei es ein Freund auf den Punkt brachte:
Ich kann mich an genau ein Mal erinnern, als ich Sex ohne Intimität hatte und das war für mich im wahrsten Sinne des Wortes „unbefriedigend“ . Und eine befreundete Sexualberaterin schrieb mir auf meine Anfrage: „Sex ist auch ohne Intimität möglich, da, wo ich innerlich nicht wirklich dabei bin, mich nicht wirklich öffne…“
Die Gebrauchsanleitung für eine erfüllte Beziehung könnte also lauten: Empathie erzeugt Intimität und Intimität ist die Voraussetzung für eine beglückende Sexualität. Damit kann ich Empathie und Intimität als Strategien für eine erfüllte Sexualiät betrachten. Der Vorteil ist: man kann beides leben und genießen, auch wenn kein Sexualpartner vorhanden ist. Denn es wird sicher jemanden geben, der bereit ist, Empathie zu geben.
Heute werde ich mich an der Nähe und Intimität freuen, die durch Empathie entsteht.
Im Kundalini-Yoga sagt man, dass Frau und Mann sich am besten 72 Stunden Zeit nehmen sollen, um sich auf die Liebe einzustimmen. Dabei ist nicht gemeint, dass man 72 Stunden aufeinander hängt. Sondern, dass man sich füreinander öffnet – in Gesprächen, mit Berührungen, mit Blicken…
Buchtipp: Sexuality and Spirituality: With the Kundalini Yoga Sets and Meditations of Yogi Bhajan. Von Dr. Gururattan Kaur Khalsa