Sprachhygiene
Der Arzt und Psychotherapeut Bernd Frederich in einem Interview mit der Wiener Zeitung über die Gefährlichkeit des Verliebens und den Zusammenhang von Gesundheit und Familie
Nützlicher Idiot erwählt Prinzessin
Von Gerald Schmickl
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„W. Z.“: Vorausgesetzt, man bleibt gesund. Wie stellt man das am besten an?
Frederich: Wie sich gezeigt hat, kommen die größten medizinischen Erfolge aus dem Bereich der Prävention. Wenn es also vor hundert Jahren darum ging, die körperliche Hygiene einzuführen, wäre es jetzt höchst an der Zeit, mit der psychischen Hygiene zu beginnen, sprich: mit einer sauberen Kommunikation.
„W. Z.“: Nach dem Motto: Nicht der Patient ist krank, sondern die Beziehung, in der er lebt.
Frederich: Genau. In Patientenfamilien werden meiner Erfahrung nach viel zu viele Feindseligkeiten ausgetauscht, wobei den Leuten gar kein Vorwurf zu machen ist, weil es ihnen nicht einmal bewußt ist. So wie den Menschen vor hundert Jahren nicht bewußt war, daß wenn man mit schmutzigen Händen in eine Wunde greift, die in der Folge zu eitern beginnt. Daher würde ich mir wünschen, daß Kommunizieren alsbald ein Schulstoff ist. Man muß systematisch lernen, miteinander zu reden.
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Kommunikation als Schulstoff – ist das nicht ein Traum, für den es sich zu kämpfen lohnt? Je länger ich mich mit der GfK befasse, desto mehr erreicht mich die Gewalttätigkeit in unserer Sprache, unseren Konzepten, unseren Introjekten, der Art. wie wir unsere Kinder erziehen. Heute sprach ich mit einer GfK-Anfängerin über die Aussage: „Bist du beunruhigt, weil dir das Funktionieren der Gruppe so kostbar ist?“ Sie berichtete, dass sie es ganz schwer hören kann, wenn ihr jemand etwas zuschreibt. „Du bist ja so und so…“ Wie kann jemand anderes wissen, was ich bin, oder was ich fühle?
Ich kann diesen Aufruhr gut verstehen. Marshall zitiert einen Kinderreim zu diesem Thema:
Sticks and stones can break my bones but words can never hurt me!
(Stöcke und Steine können meine Knochen brechen, aber Worte können mich niemals verletzen).
Die Kinder, die das rufen, wissen intuitiv mehr von Leben als ich auf meine alten Tage. Ich spüre immer noch großen Schmerz, wenn mir jemand sagt, wie ich bin. Inzwischen kann ich auch Komplimente schlecht hören und wenn immer es möglich ist, frage ich nach: Welches Bedürfnis von Dir wurde durch mein Verhalten erfüllt? Ganz schwer ist es für mich zu hören, wie Menschen sich selbst runterputzen. Heute hörte ich, wie jemand sagte, ich bin ja so faul! Wir vergessen dabei: Unser Unterbewusstsein hat keinen Sinn für Humor. Es gibt einen Teil von uns, der glaubt diese gewalttätigen Urteile, die wir von uns haben. Und Sprachhygiene darf gern bei uns selbst anfangen.
Heute will ich darauf achten, wie ich mit mir selber spreche. Ich werde meine Worte aufmerksam übersetzen, wenn ich nicht liebevoll mit mir umgehe.