Vom Umgang mit Scham
„Trifft man das Richtige, so werde man nicht eingebildet, trifft man daneben, so schäme man sich nicht.“
Lü Bu We, (ca. 300 v.Chr. – ca. 235 v.Chr.), chinesischer Kaufmann, Politiker und Philosoph
Scham ist ein Gefühl der Verlegenheit oder der Bloßstellung, das sowohl durch Verletzung der Intimsphäre auftreten als auch auf dem Bewusstsein beruhen kann, durch unehrenhafte, unanständige oder erfolglose Handlungen sozialen Erwartungen oder Normen nicht entsprochen zu haben. Das Schamgefühl ist häufig von vegetativen Erscheinungen wie Erröten oder Herzklopfen (Palpitation) begleitet und kann durch typische Reaktionen wie das Senken des Blickes ausgedrückt werden. Die Intensität der Empfindung reicht von der flüchtigen Anwandlung bis zur tiefsten Beklommenheit und geradezu tödlichen Scham.
So beginnt Wikipedia seine Information über die Scham. Ich habe vor ein paar Monaten noch eine andere Deutung gehört, die mich seitdem immer wieder beschäftigt. Empfinde ich Scham, glaube ich, dass mir MIR etwas falsch ist. Damit ist Scham ein GfK-Thema par excellence.
Scham kann unendlich viele Auslöser haben. Ich glaube, dass dabei immer eine Bewertung im Spiel ist. Ich bin nicht so, wie ich sein SOLLTE. Es gibt also in diesem Moment einen Bewertungsmaßstab, der angelegt wird, und auf dessen Skala rangiere ich als „ungenügend“.
Ein beliebter Auslöser für Scham kann sein, dass ich etwas getan oder unterlassen habe, von dem ich in der Rückschau der Ansicht bin, das dieses Verhalten bestimmte Bedürfnisse unerfüllt lässt,
In der Welt von Richtig oder Falsch stimmt also etwas nicht mit mir, weil ich zum Beispiel „einen Fehler gemacht“ habe. Eine liebe Freundin von mir vergeht vor Scham, wenn sie sich „zumutet“, wenn sie andere um einen Gefallen bittet. Eine andere Freundin empfindet Scham, weil es ihr nicht gelingt abzunehmen. Ich selber war kürzlich krank und empfand Scham, die Kollegen mit der Arbeit allein zu lassen. In einem aktuellen Beispiel habe ich mich in einer bestimmten Situation eingemischt und erfuhr anschließend, dass mein Verhalten der Auslöser für einen tiefen Schmerz bei jemand anderem war.
Meine Wölfe waren sehr besorgt um mich und heulten laut, um mich auf einen guten Weg zu bringen. „Aus dir wird nie ein vernünftiger GfK-Trainer! Wie kann man nur so unsensibel sein! Du bist wie eine Dampfwalze, immer bügelst du über die Bedürfnisse anderer hinweg!“ Welche Bedürfnisse (meiner wohlmeinenden Wölfe) waren hier unerfüllt? Ganz offensichtlich das Bedürfnis nach Respekt und Wertschätzung, nach Beitragen, Verbindung und Vertrauen.
Es ist noch immer eine schwierige Übung für mich, der Auslöser für den Schmerz eines anderen Menschen zu sein, und dabei gleichzeitig meine Selbstachtung zu behalten, nicht vor Scham und Schmerz im Boden zu versinken. Und wenn die Scham mich niederdrücken will, hilft es mir, an Marshalls Worte zu denken. Mit jeder meiner Handlungen versuche ich mir ein wundervolles Bedürfnis zu erfüllen. Manchmal führt das dazu, dass andere Bedürfnisse wie etwa Beitragen, Verbindung oder Schutz dabei unerfüllt bleiben. Doch auch wenn das der Fall ist, ist nichts falsch mit mir. Ich brauche keine Angst davor zu haben, Fehler zu machen. Ich bin ein wunderbares Geschöpf Gottes, dazu bestimmt glücklich zu sein und zu wachsen.
Hier noch einmal die Botschaft dazu von Marianne Williamson:
Unsere tiefste Angst ist es nicht, ungenügend zu sein,
unsere tiefste Angst ist es, daß wir über alle Maßen
kraftvoll sind.
Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit,
was wir am meisten fürchten.
Wir fragen uns, wer bin ich denn,
um von mir zu glauben,
daß ich brillant, großartig, begabt und einzigartig bin?
Aber genau darum geht es,
warum solltest du es nicht sein?
Du bist ein Kind Gottes.
Dich klein zu machen nützt der Welt nicht.
Es zeugt nicht von Erleuchtung, sich zurückzunehmen,
nur damit sich andere Menschen um Dich herum
nicht verunsichert fühlen.
Wir alle sind aufgefordert, wie die Kinder zu strahlen.
Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes,
die in uns liegt, auf die Welt zu bringen.
Sie ist nicht in einigen von uns,
sie ist in jedem.
Und indem wir unser eigenes Licht scheinen lassen,
geben wir anderen Menschen unbewußt die Erlaubnis,
das Gleiche zu tun.
Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind,
befreit unser Dasein automatisch die anderen.
Wie kann ich liebevoll mit mir umgehen, wenn mich die Scham im Griff hat? Was brauche ich in solchen Zeiten besonders? Ich kann mich aufrichten und Kontakt zu Menschen suchen, die mir bestätigen: Mit mir ist nichts falsch. Ich mag etwas getan haben, was manche Bedürfnisse von mir unerfüllt lässt. Ich kann das bedauern, betrauern, ich kann mich um Verbindung oder Wiedergutmachung bemühen. Zuerst jedoch kann ich mich selber annehmen und mir vergewissern: Ich bin ein Kind Gottes. Ich bin bestimmt, mein Licht scheinen zu lassen.
Heute will ich mich daran erinnern, dass nichts an mir falsch ist. Das gilt auch gerade dann, wenn ich etwas getan habe, was ich zu einem späteren Zeitpunkt bedaure.