Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Ewigkeit

Weinend kommen wir auf die Welt, während alle um uns herum lächeln. Wir sollten so leben, dass wir lächelnd aus dieser Welt scheiden, während alle um uns herum weinen.
Persisches Sprichwort

 

Gestern zappte ich durch die Programme, um ein bisschen Unterhaltung während des Bügelns zu haben. Dabei landete ich auf einem Info-Kanal, auf dem gerade eine BBC-Produktion über das Leben auf der Erde in 100 oder 200 Millionen Jahren lief. Danach gibt es in 200 Millionen Jahren einen Haufen neuer Arten, einen einzigen Großkontinent, an dessen Westseite es nass und grün und an der Ostseite trocken und bergig ist. Im Meer überleben nur die Haie und die Tintenfischartigen. Dazu kommen dann viele neue Arten, über die man heute nur spekulieren kann.
Es dauerte eine Weile, bis ich realisierte: 200 Millionen Jahre.
Ich werde vielleicht 90 (High hopes, sag ich mal…). Das Fossil von Ida, einem lemurengroßen Primaten aus der Grube Messel, ist 47 Millionen Jahre alt. Da gab es schon keine Saurier mehr. Und von der Menschheit im engeren Sinne waren wir noch 46,9 Millionen Jahre entfernt. Das alles sind Dimensionen, die sind für mich nicht mehr vorstellbar.
Was hat es dann auf sich mit Stuttgart 21? Lohnt es sich, sich über die Endlagerung von Atommüll aufzuregen? Sind wir nicht auch nur ein Intermezzo im ewigen Zyklus von Werden und Vergehen? 100000 Jahre – was ist das schon?
Ich werde den Lauf der Welt nicht aufhalten können. Das Driften der Kontinente, der Einschlag von Kometen. der Ausbruch von Vulkanen – das alles kann ich nicht aufhalten. Aber es gibt etwas, das ich beeinflussen kann: Mein Leben und meine Gedanken. Nach welchen Werten möchte ich leben? Mit wem möchte ich mich verbinden? Wie kann ich mir selber treu sein? Ja, wer bin ich überhaupt? Meine irdische Realität wie ich sie heute erlebe wird eines Tages enden. Einen Einfluss auf die nächsten 200 Millionen Jahre habe ich nicht, selbst wenn ich auf die Idee käme, das nächstgelegene Kernkraftwerk in die Luft zu sprengen. Aber wie ich heute in der Welt bin, das kann ich in jeder Minute neu entscheiden.

Heute will ich mir bewusst machen: Dieser Augenblick ist die einzige Zeit, die es gibt und die ich gestalten kann.

2 Reaktionen zu “Ewigkeit”

  1. Gabriel

    Beim Lesen des Artikels dachte ich erst, er würde auf ein fatalistisches „Wir sind nur ein winziges, unwichtiges Staubkorn im riesigen Universum“ hinauslaufen (Monty Pythons „Der Sinn des Lebens“ lässt grüßen). Um so mehr erfreute mich, dass du es geschafft hast, dem Ganzen noch eine hoffnungsfrohe und ermächtigende Wende gegeben hast.

  2. Ysabelle Wolfe

    Yep! Da halte ich es mit Robert Betz, der vorschlägt, der Sinnhaftigkeit eine Chance zu geben.

    Y.

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