Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Göttlich

„Die einen sagen, dass Gott existiert, die andern, dass Gott nicht existiert. Die Wahrheit wird, wie so oft, in der Mitte liegen.“ –
Matthias Beltz, Eigenes Konto

Ich habe ja schon einmal den folgenden Spruch zitiert:
Es gibt nur zwei Dinge, die du über Gott wissen musst:
1. Es gibt ihn.
2. Du bist es nicht.

Dieser Tage sind ein paar neue Gedanken über das Göttliche dazu gekommen. Am Wochenende war ich beim Treffen einer Selbsthilfe-Gruppe und hörte in vielen Wortbeiträgen, wie Menschen über sich selber urteilten. Sie sprachen von ihren „Mängeln“ und „Charakterfehlern“ und je länger ich ihnen zuhörte, desto unbehaglicher wurde mir zumute. Ist der Mensch ein Mängelexemplar? Dient es unserem Wohlbefinden, bei uns Fehler zu diagnostizieren? Heißt es nicht in der Bibel, „richtet nicht auf dass Ihr nicht gerichtet werdet“ und „Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde“? Wie kann etwas mit uns falsch sein, wenn wir nach Gottes Bild geschaffen sind?
In der Vorstellung vieler Menschen sitzt Gott mit einer Excel-Tabelle auf einer Wolke und macht Striche für Sünden. Solch einen Gott kannte ich in meiner Kindheit auch. „Der liebe Gott sieht alles“ wurde da gedroht. Das wäre ja an sich nichts Schlimmes, aber nach Aussagen der Erwachsenen sieht Gott nicht nur alles, sondern urteilt im Handumdrehen. „Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort“, hieß es dann.
So erscheint mir dieser Gott heute wie der verlängerte Arm eines auf Dominanz ausgerichteten Staatssystems. Ein drohender, strafender Gott, eine höhere Macht, die mit Belohnung und Verdammnis operiert, hilft Menschen zu kontrollieren und in Schach zu halten.

Eine Frau sagte von sich selbst: „Wir haben das schlampig vorbereitet!“ Wie kann so eine Selbstbezichtigung dem Leben dienen? Wie können wir Dinge verändern, wenn wir nicht mit dem Leben verbunden sind? Welchen Nutzen hat so eine Selbstgeißelung?Ich glaube: Wenn wir uns selbst als fehlerhaft und Mangelexemplar betrachten, spielen wir Gott. Wir setzen damit das System von Strafe und Belohnung fort, das dazu dient, Menschen zu disziplinieren.

Heute bin ich bereit, alle Urteile über mich selbst und andere loszulassen.

3 Reaktionen zu “Göttlich”

  1. Gabriel

    Wenn das ein öffentlicher Wortbeitrag gewesen wäre, dann bekämest Du von mir jetzt lang anhaltenden Applaus und ekstatische Rufe der Wertschätzung. Ich freue mich so, dass Du zu ähnlichen Erkenntnissen über Gott gelangt bist wie ich, das erfüllt wunderbar mein Bedürfnis nach Gemeinschaft und Sinn.

  2. Ysabelle Wolfe

    Oh, Gabriel – du siehst mich ganz erstaunt und berührt. Ich war sehr zögerlich, überhaupt über Gott zu schreiben. Gleichzeitig hat mich das übe Wochenende so betroffen gemacht, wie sich die Menschen selbst angeklagt haben und ständig nach Verbesserung suchten… Danke für Deine Rückmeldung, sie erfüllt mein Bedürfnis nach Sicherheit, Gemeinschaft, Zugehörigkeit und Wärme!

    Y.

  3. Tabasco

    Danke für diese „göttliche“ Betrachtung.
    Auch in mir setzt sich dieses Vertrauen an einen liebenden Gott immer tiefer durch.
    Ich fühle mich Dir sehr nah, wenn ich Deine Worte lese.
    T.

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