Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Spiegelbilder

Hallo, Welt!

Gestern habe ich versucht, einen Freund mit Giraffenohren zu unterstützen. Er hatte einen Dialog mit seiner Partnerin, in deren Verlauf sie sagte, sie habe immer um seine Liebe gekämpft und erlebe die aktuelle Situation als ihr Scheitern. Als sie sinngemäß meinte, nun fühle sie sich wieder wie die kleine fette hässliche dumme Frau, die nur aus Gnade oder Mitleid mal für ein paar Wochen das Gefühl haben durfte, wie es sich anfühlen könnte, geliebt zu werden, bin ich fast ausgerastet. In mir braust ein mächtiger Gefühlssturm bei diesen Worten. Und dabei wurde mir deutlich, dass ich selber in dieser Angelegenheit dringend Empathie brauche.
Was fühle ich, wenn ich diese Worte von ihr höre?
Ich bin ärgerlich
Alarmiert
Aufgeregt
Entsetzt
Genervt
Hilflos (hm, das habe ich gestern nicht gemerkt)
Kalt
Sauer
Schockiert
Streitlustig
Unwohl
Wütend

Und meine unerfüllten Bedürfnisse sind
Respekt
Wertschätzung
Schutz (für meinen Freund)
Selbstvertrauen
Verbindung
Leichtigkeit

Und jetzt, da ich Gefühle und Bedürfnisse mit meiner Taschenliste überprüfe, merke ich wieder einmal, dass ich wie beim berühmten und hier schon mehrmals zitierten Vexierbild mich immer einmal mit ihr und einmal mit ihm identifiziere. Und mir fällt auf, dass ich schon gestern nicht in der Lage war, Mitgefühl für sie zu finden – ein sicherer Beweis dafür, dass ICH Empathie brauche.
Jetzt gerade spüre ich, dass unter meiner Wut ganz viel Ohnmacht und Verzweiflung liegen. Auch Trauer, wie sich jemand so einschätzen kann. Schmerz, Tränen und Verzweiflung, die ich im ersten Anlauf nicht spüren konnte. Am liebsten würde ich mit Byron Katies „The Work“ unterm Arm losmarschieren und sie fragen: ist das wirklich wahr? Kannst Du hundertprozentig sicher sein, dass das wahr ist?
Gleichzeitig löst der Schmerz der Frau auch bei mir schmerzhafte Erinnerungen aus. Noch vor wenigen Wochen hatte ich eine Rückmeldung in GfK-Angelegenheiten bekommen, die mich so in Kummer und Verzweiflung abrutschen ließ, dass ich allen Ernstes überlegt habe umzusatteln, weil ich anscheinend eh nicht gut genug war, um auf diesem Weg weiter zu machen. Dieses „nicht gut genug sein“ als Gedanke ist auch mir sehr vertraut und ich lehne diesen Gedanken an mir ab. Eigentlich logisch, dass ich ihn auch an der Bekannten ablehne.
Und nun?
Ich glaube, ich werde versuchen, heute ein bisschen Zeit dafür freizuschlagen, mir selbst Empathie zu geben für all die Schmerzen, die dieses „nicht gut genug sein“ in mir auslöst. Und vielleicht bin ich dann auch in der Lage, der Freundin meines Freundes tiefe Empathie zu geben. Ich merke schon, wie es anfängt in meinem Herzen zu glucksen…

So long!

Ysabelle

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