Bei Pauli
Hallo, Welt!
Ich habe schon ein paar Jahre gesagt, ich würde gern mal ein Spiel vom FC St. Pauli sehen. Mich fasziniert das Selbstbild der Fans, die Haltung.
Vor ein paar Tagen bekam ich die SMS eines Kollegen, er habe eine Karte für das Spiel gegen Schalke übrig, ob ich Lust hätte mitzukommen?
Gestern war es also so weit. Gegengerade, Stehplatz. Von 19.30 bis 22.30 Uhr eingepfercht zwischen Fußball-Fans. Es war ein großes Erlebnis. Als ein Schalker Spieler nach wenigen Minuten verletzt vom Platz getragen werden musste, applaudierten die Paulianer. Ich war irritiert und fragte warum. „Als Respekterweisung für den verletzten Spieler.“ Donnerwetter! Als Schalke nach Ansicht eines Fans hinter mir arg bevorzugt wurde durch den Schiedsrichter, haute er mit seinem Bier um sich und kippte es einem Schalke-Fan in den Rücken. Später hat er sich zwei Mal entschuldigt, es sei mit ihm durchgegangen und er meine keineswegs den Schalke-Fan persönlich… Unglaublich.
Das Spiel wurde in der 88. Minute abgebrochen, weil von der Tribüne ein Bierbecher geworfen worden war und den Linienrichter getroffen hatte. Da stand es 0:2 für Schalke, und der Schiedsrichter hatte einem Paulianer eine rote Karte gegeben, wo gelb auch gereicht hätte. Die Pauli-Fans waren entsetzt, ärgerlich, frustriert und traurig.
Überall Menschenmassen. das Stadion ist direkt am Dom, 24000 Menschen wälzten sich vom Millerntor über das ohnehin schon volle Heiligengeistfeld. Mir liefen die Tränen, denn mein Kollege und sein Mann begleiteten mich so fürsorglich durch die Katakomben des Stadions, über Stufen und Kabel, durch Absperrungen und Menschenmassen bis zu einem Taxenstand an der Feldstrasse. Ich habe in diesen Minuten so viel Wertschätzung, Fürsorge, Schutz, gesehen werden erlebt, ich kann mich kaum an eine andere Lebenssituation erinnern, in der mir das so deutlich geworden ist. Es war so kostbar, am liebsten wäre ich tot umgefallen und hätte dieses schone Erleben für immer bei mir behalten. Jetzt, nur einen halben Tag später, verblassen diese tiefen Gefühle der Dankbarheit und des Glücks schon wieder. Und ich schreibe die Geschichte hier auf, damit sie nicht in Vergessenheit gerät.
Und ich merke mir, dass mir diese Art von Fürsorge ganz wichtig ist (ich bin ja stark sehbehindert), und ich möchte mich mehr mit Menschen umgeben, die in dieser Weise liebevoll mit mir umgehen. Diese Wahl habe ich.
So long!
Ysabelle