Erntezeit
Hallo, Welt!
Vor 15 Jahren hätte ich wahrscheinlich von mir selber behauptet, ich wäre konfliktfreudig. Denn als ich ein Kind war, wurde mir oft gesagt, ich wolle immer mit dem Kopf durch die Wand. Aufsässig und frech nannte man mich. Erst im Verlauf der letzten Jahre habe ich erkannt, dass ich keineswegs so offen und freudvoll in Auseinandsetzungen ging, wie ich von mir selber dachte. Im Gegenteil. Ich erlebte mich als harmoniesüchtig und indifferent, das Wort „nein“ gehörte nur in seltensten Fällen zu meinem Sprachschatz. Bloß den anderen nicht erzürnen…
An der GfK hat mich auch entzückt, dass sie mir eine Möglichkeit zu bieten schien, mich selbst auszudrücken, auch wenn es um kontroverse Sachverhalte/unterschiedliche Bedürfnisse ging. Und obwohl ich jetzt schon das sechste Jahr übe, finde ich es noch immer schwierig, offen zu bleiben und meine Bedürfnisse zu akzeptieren, mich dafür einzusetzen und den anderen trotzdem einfühlend wahrzunehmen und wertzuschätzen.
Seit fast vier Wochen doktere ich jetzt schon an einem Konflikt herum. Es gab zwei sehr lange Telefongespräche, ein paar kurze Abstimmungsmails, einige SMS und heute schließlich ein Treffen. Es mag total bekloppt klingen, aber ich fange an, den Konflikt zu genießen.
Gemeinsam versuchen wir, unser Problem mithilfe der GfK zu lösen. Zum x-ten Mal kehren wir zu Gefühlen und Bedürfnissen zurück. Gemeinsam übersetzen wir Wölfe, versuchen herauszufinden, was wirklich hinter einem Satz steckt der beispielsweise lautet: „wenn sich einer nur zurücklehnt und konsumiert, muss er sich nicht wundern, wenn ihm die Dinge aus der Hand gleiten.“ Wir kraulen die Wölfe und geben uns gegenseitig Einfühlung. Was für eine himmlische Art, Konflikte zu lösen! Dabei sind wir konkret noch keinen Schritt weiter, haben noch immer kein Konzept gefunden. Aber ich merke, wie gegenseitiger Respekt und Vertrauen wachsen.
In mir wächst auch immer stärker das Vertrauen in den Prozess. Bisher war es oft so, dass ich rein verstandesgemäß entschieden habe, mich auf diesen Prozess einzulassen. Diesmal erlebe ich es so, dass es mir einfach so natürlich, organisch, verbindend erscheint, mich auf diese Weise auseinanderzusetzen. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann so eine ernste Auseinandersetzung bei mir einmal nicht tiefe Ängste ausgelöst hat. Jetzt kann ich ernten, was durch die GfK gesät wurde. Ich kann mich und meine Bedürfnisse ausdrücken und kann hören und wertschätzen, was mein Gegenüber zu sagen hat. Wir sind keine Feinde, sondern zwei Menschen, die sich bemühen, gemeinsam neue Strategien zu entwickeln. Das erste Mal im Leben fange ich an, einen Konflikt zu wertzuschätzen als Form der Auseinandersetzung, in dem beide Seiten gehört werden, es keinen Sieger und keinen Unterlegenen gibt. Wie grandios ist das denn!?
So long!
Ysabelle
Wow,
das geht grade ganz tief runter bei mir….
Freu mich sehr für dich!
Markus