Fleischwölfe in den Ruhestand!
„Ein wirklich unvoreingenommenes Urteil kann man nur über Dinge abgeben, die einen nicht interessieren, und das ist zweifellos der Grund, dass unvoreingenommene Urteile immer wertlos sind.“ – Oscar Wilde, Der Kritiker als Künstler, Szene 2 / Gilbert
Was geschieht mit unseren Gefühlen? Was passiert, wenn wir Schmerz, Trauer, Wut oder andere Gefühle wahrnehmen? Ganz häufig ist es so, dass wir eben nicht einfach zur Kenntnis nehmen: Ah, solche Gefühle werden bei mir ausgelöst! Offensichtlich gibt es unerfüllte Bedürfnisse bei mir. Welche könnten es denn sein?
Häufig landen die Gefühle im Kopf, und dort ist schon der Fleischwolf installiert.
Oben werden die Gefühle eingespeist und unten kommt eine Bewertung raus. Der Fleischwolf ist eine unerschöpfliche Quelle für Urteile, Interpretationen und so genannte Opfergefühle. Wenn wir uns als angegriffen, ausgenutzt, manipuliert missbraucht, missverstanden, hintergangen, ignoriert, niedergemacht, provoziert, verarscht oder vernachlässigt wahrnehmen, können wir sicher sein, dass der Fleischwolf ganze Arbeit geleistet hat. Er vermengt das ursprüngliche Gefühl mit einem Glaubenssatz, einer Bewertung, einem Urteil, und heraus kommt ein so genanntes Interpretationsgefühl.
Wie gut, dass wir in der gewaltfreien Kommunikation lernen, diese aktive Maschine im Kopf abzuschalten, in den Ruhestand zu versetzen. Wir können uns fragen: Was fühle ich, wenn mein Kopf meldet: du wirst manipuliert…. fühle ich mich unsicher, irritiert und besorgt, weil mir Klarheit und Ehrlichkeit wichtig sind? Was fühle ich wirklich, wenn ich die „Fehlermeldung“ erhalte: du wirst angegriffen… Fühle ich mich dann unter Druck, ängstlich, entsetzt? Sind vielleicht meine Bedürfnisse nach Respekt, Schutz, Selbstständigkeit und Beteiligung im Mangel?
Wenn ich ganz bei mir angekommen bin und weiß, was ich brauche, gibt es vielleicht sogar schon Raum zu hören, was mein Gegenüber mir wirklich sagen möchte. Und vielleicht können wir es jetzt hören, ohne dass der Fleischwolf im Kopf anspringt…
Heute will ich mir vergegenwärtigen, dass Opfergefühle durch mein Denken entstehen, nicht durch die Handlungen anderer.