Und dann lachst du immer so blöd…
Hallo, Welt!
Bahn fahren ist doch immer wieder eine Quelle der Inspiration. Neulich Morgen stand ich neben einer Frau und einem Mann am Bahnsteig und hörte aus ihrem Mund den Satz: Und dann lachst du immer so blöd!
Was für eine Perle am frühen Morgen! Ich kannte keine Zusammenhänge, aber mir fiel auf, dass ich die Frau im Schmerz wahrnahm. Ich schätze mal, „gekränkt“ gehört eher in die Schublade der Interpretationsgefühle, also versuche ich mal zu übersetzen, welche Gefühle und Bedürfnisse in der Frau lebendig waren.
Ich nahm sie ärgerlich wahr. Wieso steht eigentlich das fantastische Wort „unwirsch“ auf keiner dieser Gefühlslisten, nicht mal auf meiner?
Ärgerlich
Angespannt, vielleicht ein bisschen
Bitter
Einsam, definitiv!
Entrüstet
Frustriert
Genervt
Hilflos
Irritiert
Traurig
Streitlustig, eine Prise jedenfalls
Unbehaglich
Verletzt
Ich schätze, das war’s so grob.
EIN unerfülltes Bedürfnis sprang mich sofort an, als ich den Satz hörte:
*R*E*S*P*E*K*T*
http://youtu.be/EyvJlD7SJYs
Das war so offensichtlich!
Und dann vielleicht noch
Autonomie (ich möchte darauf vertrauen, dass ich meinen Weg gehen kann)
Verbindung
Integrität
Wertschätzung
Unterstützung
Vertrauen
und vielleicht Harmonie…
Ich habe ja keine Ahnung, worum es in dem Gespräch ging. Mir fiel einfach auf, dass der Satz „und dann lachst du immer so blöd“ zum einen ganz viel über den Schmerz des Sprechers verrät ( zumindest in der von mir aufgeschnappten Betonung, anders betont ist da mit Sicherheit auch andere Musik drin…), zum anderen zeigt es auf, dass wir uns häufig mit Bewertungen zur Wehr setzen, wenn wir keinen Zugang zu unseren Gefühlen haben. Und ich merke einfach im Alltag, dass dieses Verhalten leider so gut gelernt ist, dass es mir auch im sechsten GfK-Jahr immer noch schwer fällt, den Aus-Schalter zu finden.
So long!
Ysabelle
@ Oliver, nach unserem Austausch dazu musste die Mucke einfach kommen 😉
Danke für deine Beiträge. Sie bereichern regelmäßig mein Leben. Zu Respekt habe ich noch eine Frage: Ich zweifle oft daran, ob ich das als valides Bedürfnis gelten lassen kann. Was ist das eigentlich, Respekt? Wie äußert sich Respekt? Ich habe keine Probleme, mit dem Bedürfnis, in Frieden gelassen zu werden. Aber Respekt will ja mehr. Und ist das universell? Und könnte besteht nicht die Gefahr — wenn man Respekt als Bedürfnis gelten lässt —, ein Rezept zum Unglücklichsein zu verfolgen?
Das sind alles keine Fangfragen, auf deren Antworten ich dann mit einem fertigen Konzept einschlagen werde. Ich stehe da wirklich mit meiner Meinungsbildung noch ganz am Anfang. Mich würden einfach deine Gedanken interessieren.
Liebe Grüße
Oliver
Guten Morgen, Oliver!
Wenn Du schreibst, ist es immer etwas Besonderes für mich. Whow, der Große Heuler gibt sich die Ehre! Dem werde ich demnächst mal nachspüren. Danke für Deine warme Rückmeldung.
Ein interessanter Aspekt, den zu da zum Thema Respekt ansprichst. Ich kann für mich sagen, dass das Bedürfnis von ganz tief unten aus dem Bauch kommt. Ich fühle es körperlich wie eine Welle, wie das Brüllen eines Löwen, und es sagt: *R*E*S*P*E*K*T*. Es grollt wie Donner. Wenn Du Respekt aus allen Listen streichen würdest und sagen, finde was anderes, fällt mir am ehesten Gesehen/Gehört werden ein, was Gerhard ja lieber durch „Empathie“ ersetzt sehen würde. Aber für mich hat es noch eine andere Komponente.
Also: Wenn es das Wort Respekt in meiner Bedürfnisliste nicht gäbe, komme ich zu Sachen wie Akzeptanz, Autonomie, Nicht-bewertet-werden, (Shit, wie würde das Bedürfnis dafür heißen? Ich schätze mal, Respekt…). Hm. Letzteres ist mir offenbar ganz wichtig. NICHT bewertet zu werden. Ich benutze Respekt aber noch in einem anderen Zusammenhang. Ich sage es als Synonym für Hochachtung. Mein Freund Konrad Duden, der mit den sinn- und sachverwandten Worten, meint zu Respekt: Siehe Achtung; allen R.! siehe anerkennenswert (sein). Unter Achtung bietet er an: Hochachtung, Respekt, Ehrfurcht, Ehrerbietung, Anerkennung, Wertschätzung. Bewunderung, Rücksicht, Pietät, siehe Ansehen, siehe Geneigtheit, siehe Gunst, siehe Nächstenliebe, siehe Zuneigung,. Gegensatz: Nichtachtung…. vor etwas/jemandem den Hut ziehen, siehe billigen u.s.w.
Nichtachtung – das bringt mich noch auf eine Spur. Respekt hat etwas mit meinem Wert zu tun. Ich möchte nicht, dass der andere meinen Wert bestimmt. Ich muss nicht haben, dass der andere billigt im Sinne von gutheißen, was ich tue. Aber ich möchte, dass es als mein Weg akzeptiert wird.
Individualität – Einzigartigkeit. Ich möchte, dass meine Einzigartigkeit anerkannt und akzeptiert wird. Mein Weg.
Hm. Aufregende, spannende Frage. Danke dafür! Vielleicht haben die anderen ja auch noch ein paar Ideen dazu. Hilft Dir meine Stellungnahme irgendwie weiter?
So long!
Ysabelle
Ja, das hilft mir weiter. Akzeptanz, Autonomie, Nicht-bewertet-werden, Gehört werden, Empathie — all das löst keinen Argwohn bei mir aus, sondern Resonanz. Was mir jetzt durch deinen Beitrag und mein weiteres Nachspüren (dieses Wort muss bald in der GfK-Phrasentonne entsorgt werden) klar geworden ist: Respekt klingt für mich so nach einem König, der sich Ehrerbietung und Demut von seinen Untertanen wünscht. Respekt klingt für mich nach »von unten nach oben«. Und dagegen bin ich als Anarchist (Herrschaftsfreiheit) natürlich allergisch. Schön, so klar hatte ich das noch nicht herausgearbeitet. Und natürlich kann Respekt für andere Leute ganz anders aufgelöst werden. Den Respekt, den du dir wünschst, kann ich anderen Leuten gegenüber natürlich ganz bedenkenlos aufbringen.
Danke und Gruß
Oliver
Hallo, Oliver!
Ich bin ja bekennender Wikipedia-Fan. Und was die zum Thema Respekt schreiben, geht mal ganz deutlich in die Richtung, die mir am Herzen liegt. Augenhöhe, sag ich mal. Ich habe gar nicht die Assoziation, die bei Dir wach wird, bzgl. Herrschaft. Vielleicht weil ich mich nicht so intensiv mit Obrigkeitsstaat und Untertanen auseinandergesetzt habe wie Du. Es folgt das Wikipedia-Zitat zum Thema Respekt, das mich wirklich anspricht.
Ysabelle
Respekt
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Respekt (lateinisch respectus „Zurückschauen, Rücksicht, Berücksichtigung“, auch respecto „zurücksehen, berücksichtigen“) bezeichnet eine Form der Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Ehrerbietung gegenüber einem anderen Lebewesen (Respektsperson) oder einer Institution. Eine Steigerung des Respektes ist die Ehrfurcht, etwa vor einer Gottheit.
Gegenbegriffe sind Respektlosigkeit, Missachtung und gesteigert als Verachtung.
Der Begriff
Der Ausdruck wird normalerweise auf zwischenmenschliche Beziehungen angewandt, kann jedoch auch auf Tiere, Gruppen, Institutionen oder Länder bezogen werden. Respekt impliziert nicht notwendigerweise Achtung, aber eine respektvolle Haltung schließt bedenkenloses egoistisches Verhalten aus. Die Respektvorstellung ist etwas Vorausgehendes und leitet sich nicht aus einer Rechtsvorstellung ab. Aspekte des Respekts können sehr mannigfaltig sein und äußern sich in verschiedenen Gesellschaften auch unterschiedlich. Kulturell bedingte Verschiedenheiten im Verhalten, Selbst- und Außenwahrnehmung können unbeabsichtigt den Anschein von Respektlosigkeit oder gar Tabuverletzung erwecken.
Pietät
ist der Respekt, der Verstorbenen gegenüber gewahrt wird und im übertragenen Sinne euphemistisch für Einrichtungen benutzt wird, die dem Erbringen dieses Respektes dienen. Pietät ist zumeist der Respekt den Toten gegenüber. Das Wort hatte in der Antike viele Bedeutungen, die alle unter „das pflichtbewusste Benehmen gegenüber Mensch und Gott“ zusammengefasst werden können, also auch Demut, väterliche Liebe und Vaterlandsliebe.
Sprachwissenschaft
In der Sprachwissenschaft wird Respekt als deiktische grammatische Kategorie behandelt.
Theologie
„ Der Mensch muß die eigene Würde der Geschöpfe und ihrer Rhythmen respektieren; er darf nicht beliebig schalten und walten.“ (Katholischer Erwachsenen-Katechismus)
Varianten
Respekt wird oft durch Symbole ausgelöst oder verstärkt und bezieht sich auf unterschiedliche Verhaltensformen, so etwa:
* Achtung vor der anderen Person oder Höflichkeit ihr gegenüber.
„Ich behandle jeden Menschen mit Respekt.“
* Anerkennung der anderen Person gegenüber.
„Ich habe großen Respekt gegenüber dem Politiker, der einen Fehler offen zugibt.“
* Autorität der anderen Person.
„Ich habe Respekt vor meinem Vorgesetzten.“
* Toleranz gegenüber der anderen Person.
„Ich respektiere es, wenn jemand vor dem Priester nicht niederkniet.“
* Vorsicht bei Handlungen gegenüber Personen, die kränken oder Unfrieden stiften könnten.
„Aus Respekt den Eltern gegenüber würde ich – um des lieben Friedens willen – ihr Kind nicht in deren Gegenwart zurecht weisen, wenn es dauernd dazwischen quengelt.“
Pädagogische Perspektive
In der englischen Sprache sind die Konnotationen des Wortes „Respekt“ heute weitaus milder als im Deutschen. Respect steht dort nicht in erster Linie für eine quasisoldatische Unterwerfung, sondern neutraler für die Achtung, die jeder Mensch jedem anderen menschlichen Wesen entgegenbringen soll. Der Gegenbegriff zu respect ist Misshandlung (abuse). In diesem Sinne ist respect in den USA ein hoch angesehenes und universell anerkanntes Erziehungsziel.[1]
Erziehung des Kindes zu einem respektvollen Umgangston erfolgt unter anderem durch ein gutes Vorbild der Eltern, die einander, dem Kind und weiteren Personen stets ohne Herablassung oder Demütigung begegnen. Die respektvolle Behandlung des Kindes besteht z. B. darin, seine altersgemäß natürlichen Vorlieben – etwa für Süßigkeiten oder für bestimmte Fernsehsendungen – nicht lächerlich zu machen (was nicht bedeutet, dass Eltern das Naschen oder Fernsehen des Kindes unbegrenzt dulden müssen).
Also, ich bin echt fasziniert von dem, was ich im Moment in diesem Blog hier finde. Andere würden es vielleicht als „Zufall“ definieren – ich glaube das inzwischen nicht mehr wirklich…
Ich freue mich sehr über Eure Beiträge zu der Frage, ob „Respekt“ ein Bedürfnis ist. Vor ein paar Tagen habe ich genau diese Frage diskutiert. Darüberhinaus war für uns noch ein Thema, inwiefern es sich von „Gesehen Werden“ unterscheidet.
Danke für Eure Beiträge; sie haben zu meiner Klarheit beigetragen.
Wir hatten noch einen anderen Aspekt von „Respekt“, den wir von Nada gelernt haben. Ich habe mir damals aufgeschrieben: „…“respect“ means: I want to be sure that the other is caring about me and that my needs matter to him…“. Vielleicht ergänzt das den Gedankenaustausch ja noch ein bißchen?
Und für mich hat es auch noch etwas mit dem Akzeptieren von Individualität und „Anders-Sein“ zu tun – „Akzeptieren“ im Sinne von wohlwollend auf Menschen und Ereignisse gucken, die mir nicht unbedingt vertraut sind….das geht irgendwie in die gleiche Richtung wie „Nicht bewertet Werden“, oder?
Ich finde es wirklich spannend: das ist jetzt schon der zweite Beitrag, der genau die Fragen zum Thema hat, die ich hier in meinem Alltag auch diskutiert habe….ich freue mich sehr darüber, denn damit sind meine Bedürfnisse nach Verbindung und Unterstützung erfüllt. Und ich fühle mich ermutigt (…obwohl: kein Gefühl, oder?? Aber Ihr wisst schon, was ich meine ;-))
Liebe Grüße in die Runde
Anja
Mensch, Anja,
*rot_werd*
hier ist zeitweise über Wochen nichts los! Nicht weil mir nichts einfällt, sondern weil die einfach mit der Lieferung der 32-Stunden-Tage nicht nachkommen. Nada habe ich leider nur kurz auf dem IIT in der Schweiz kennen gelernt. Die Nachricht von ihrem Tod hat mich sehr betroffen gemacht. Ich glaube, dass sie für unsere Bewegung ganz kostbar war.
Ich finde übrigens, „ermutigt“ ist sehr wohl ein Gefühl. Wie siehst Du das mit „Zuversicht“? Ist das für Dich ein Gefühl oder ein Bedürfnis? An Zufälle glaube ich auch nicht. Da sind wir schon zu zweit…
So long!
Ysabelle