Gnade
Hallo Ihr Lieben!
Ich hatte neulich beim GFK-Netzwerk Treffen eine interessante Unterhaltung über Gnade. Bei dem Wort stellen sich mir normalerweise sofort die Nackenhaare auf. Gnade, unverdiente Güte, all das wurde in dem christlichen Kontext in dem ich groß geworden bin ungefähr so interpretiert:
>>Wir Menschen sind sündig, fehlerhaft, haben eigentlich überhaupt keine Daseinsberechtigung. Dass Gott uns duldet und vielleicht, ganz vielleicht leben lässt kommt nur durch seine Gnade zustande, verdient hätten wir es nicht.<< Na, Hallelujah!
Meine Partnerin in unserer Übung verstand das Wort ganz anders, freundlicher, liebevoller, positiver. Ich glaube ich kann es nicht mehr exakt wiedergeben, so wie sie es mir beschrieben hat. Und gleichzeitig hat es meine Sicht auf Gnade geändert:
Etwas geschenkt bekommen kommt mir jetzt in den Sinn.
Manchmal ist es doch so: Wir können Seminare besuchen, üben bis der Arzt kommt, meterweise Bücher lesen, die GFK immer besser verinnerlichen – wenn es drauf ankommt, Verbindung zu erzeugen, können wir nichts erzwingen. Die letzten Meter müssen einem geschenkt werden.
Besonders in der Heilungsarbeit wird mir das immer wieder bewusst, ob ich nun selber im Prozess bin oder jemanden begleite spielt dabei keine Rolle. Ich kann zwar meine Fähigkeiten einbringen, Methoden benutzen, einen Rahmen schaffen, den Raum halten, was auch immer – tiefe Verbindung, Heilung durch Empathie ist nichts was Ich zuwege bringe. Die „geliebte göttliche Energie“ wie Rosenberg sie nannte trägt die Heilung mit sich, und das Beste, was ich tun kann ist, das demütig anzuerkennen und mein Ego aus der Gleichung rauszunehmen.
Ich heile nicht. Manchmal wird mir das Geschenk gegeben, das durch mich Heilenergie fließt. Aber ich möchte nicht dem Irrtum verfallen, ich könnte das willentlich hervorbringen oder erzwingen. Ich möchte einfach lernen, alles anzunehmen was da kommt, zu folgen, ohne einen Weg im Kopf vorgezeichnet zu haben und neugierig zu sein, auf das, was da kommt. Vielleicht bekomme ich dann ein Geschenk…
“ Auf dem Bauch liegend zog [Artréju] sich weiter, dann hob er langsam den Blick und sah einen spiegelblanken, elfenbeinernen Bergkegel und auf dessen Spitze den blendend weißen Magnolienpavillon. Kein Weg führte hinauf, keine Treppe.
Artréju ließ den Kopf auf die Arme sinken.
Niemand, der je dort hinaufgelang ist und noch hinaufgelangen wird, kann sagen, wie er dies letzte Stück wegs zurückgelegt hat. Es muß einem geschenkt werden.“
Michael Ende, Die unendliche Geschichte
Markus
Hallo, Markus,
der Satz
Die letzten Meter müssen einem geschenkt werden
hat mich besonders angesprochen. Für mich gehört dazu, dass ich dem Prozess vertraue. Und Demut. Demut finde ich besonders klasse. Dabei denke ich nicht von mir, ich wäre ein nutzloser Wurm. Sondern mir ist einfach nur klar, dass ich nicht Gott bin. In meiner Selbsthilfe-Organisation grassiert der schöne Spruch:
Es sind nur zwei Dinge, die du über die Höhere Macht wissen musst:
1. Es gibt sie.
2. Du bist es nicht.
Und mit der Demut, nicht im Leben anderer Menschen Gott spielen zu wollen, mir nicht einzubilden, ich wüsste, wie sie ihr Leben zu leben oder ihr Leiden zu heilen habe, geht es mir gut. SEIN reicht.
Mehr muss ich nicht tun.
Der Rest ist Gnade 😉
So long!
Ysabelle