Von Herzen ja sagen
„Aber das Leben ist kurz und die Wahrheit wirkt ferner und lange: Sagen wir die Wahrheit.“ – Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Vorrede zur ersten Auflage
Wie oft sagen wir ja, ohne es wirklich zu meinen? Wir sagen Ja zu Lebensumständen, die uns nicht glücklich machen, wir sagen ja zu Aufgaben, zu denen wir eigentlich keine Lust haben. Manche antworten auf die Frage „hat es geschmeckt?“ auch dann mit ja, wenn sie das Essen überhaupt nicht mochten. Doch welche Bedürfnisse erfüllen wir uns damit, wenn wir ja sagen, obwohl wir eigentlich nein meinen?
Häufig ist es so, dass wir uns gar nicht bewusst sind, dass unsere Antwort eigentlich bestensfalls ein „ich weiß nicht“ ist. Wir antworten automatisch mit ja und haben keine Verbindung mit unseren Gefühlen.
Oder wir sagen ja, weil es sich so gehört, weil wir den anderen nicht verärgern wollen, die Partnerin, den Chef, den Kellner. In diesem Fall ist uns vielleicht Harmonie wichtiger als Ehrlichkeit, oder es geht um Unterstützung, Gemeinschaft, Friede.
Doch jedes Ja, das eigentlich ein Nein ist, hat fatale Folgen für die Beziehung. „Jeder der Beteiligten wird dafür bezahlen“, sagt Marshall Rosenberg und lädt dazu ein, wirklich nur ja zu sagen, wenn es von Herzen kommt.
Ich habe es schon häufig erlebt, dass ich für ein Ja bezahlt habe. Mein Gegenüber kann nicht wissen, was wirklich in mir lebendig ist. Und er hat das Recht, mein Ja für bare Münze zu nehmen. „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.“ heißt es bei Matthäus 5,37 im Neuen Testament. Da ist kein Platz für Herumlavieren, Tricksen oder Verbiegen.
Doch was können wir tun, wenn uns partout kein Nein von den Lippen kommen will, wenn andere, wunderbare Bedürfnisse uns daran hindern, das nein so herauszuschmettern, wie es sich eigentlich im Inneren anfühlt? Dann gibt es einen wunderbaren Satz, der einen neuen Ansatz für die Schleife der Verbindung ermöglicht: Dazu kann ich so nicht ja sagen!
Heute will ich genau nachspüren, ob mein Ja auch wirklich ein Ja ist.