Kraut & Rüben (12)
Hallo, Welt!
Ich bin zurück von meiner ersten Einheit als Trainer-Assistentin am Osterberg-Institut. Sagt „Scholle“ zu mir, ich bin so platt!
Gleich brauche ich mal eine Runde Selbstempathie, denn in meinen Mailunterlagen finde ich Post von Elke, die mitteilt, dass die bestellten und bezahlten Bedürfniskarten nicht angekommen sind. In mir ist Irritation und Wolf innen, denn in meinem Kopf gibt es die Erinnerung, wie ich die Karten in einen Umschlag getan habe und noch gegrübelt, wie sie frankiert werden müssen. Oder verwechsle ich das mit einer anderen Bestellung? „Wieso schreibst du dir nicht auf, wann du was rausschickst? Was ist das für eine chaotische Buchhaltung? Du musst doch Aufzeichnungen darüber haben, wann was rausgeht! Das ist eine Zumutung für Besteller…“ Jauuuuullll……“ Elke, ich check das und schicke sonst einfach noch einen Satz hinterher. Ich habe 2000 drucken lassen, wir kriegen das hin! ICH kriege das hin…
Die letzten fünf Tage haben mich sehr berührt. Ich habe wunderbare Begegnungen erlebt. Die Assistentenrolle ist noch mal etwas wirklich Neues für mich. Aus dem Beruf bin ich es gewohnt zu führen und zu gestalten. Als „Schüler“ in der GfK bin ich es gewohnt, geleitet zu werden. Und nun gab es Momente, in denen ich etwas gearbeitet, angeboten oder vorgestellt habe und die Chefs haben gecheckt und später Rückmeldungen gegeben. Zwischendurch hatte ich den Eindruck, überhaupt keinen Zugriff auf meine Kompetenzen zu haben. Ich hörte Gerhard etwas sagen und dachte bei mir, hey, das ist irgendwo auch in dir drin, wieso kannst du das nicht abrufen? Besonders aufgefallen ist mir das, wenn er den TeilnehmerInnen Gefühle und Bedürfnisse vorgeschlagen hat: „Bist du stolz auf mich und ist dir Unterstützung wichtig?“ Dann nahm ich eine imaginäre Latte und haute sie mir vor die Stirn: Ey, Ysabelle, da hättest du doch wirklich selbst darauf kommen können…“ Besonders häufig habe ich das erlebt, wenn Gerhard im Zusammenhang mit wütenden Impulsen soufliert hat. Bei mir kamen immer Aussagen wie „bist du traurig, weil du Unterstützung brauchst“ und ähnliches weichgespültes Zeugs. Und Gerhard präsentierte Kraft mit „… und ich bin schweinewütend, weil mir Unterstützung wichtig ist“, und ich spürte ganz deutlich, dass da einfach eine andere Energie dahinter sitzt. KRAFT! Dagegen spiele ich „Mäuschen, sag mal Piep…“.
Es hat viele Tränen gegeben in diesen Tagen. Und es gab viel zu feiern. Himmel, es ist „nur“ ein Seminar, und gleichzeitig war es ein wunderbarer Raum für echte Begegnung. Erschöpfung, Angst, Nähe, Respekt, Gemeinschaft, Sinn, Verbindung und Unterstützung. Gibt es einen größeren Zauber als den, wenn sich Menschen wirklich begegnen?
Durch diese Tage bin ich noch einmal sehr mit dem Text von Richard Beauvais verbunden. Ich wüsste gern, wer der Mann ist oder war, der diese Zeilen 1964 geschrieben hat:
„Wir sind hier, weil es letztlich kein Entrinnen vor uns selbst gibt. Solange der Mensch sich nicht selbst in den Augen und Herzen seiner Mitmenschen begegnet, ist er auf der Flucht.
Solange er nicht zulässt, dass seine Mitmenschen an seinem Innersten teilhaben, gibt es für ihn keine
Geborgenheit. Solange er sich fürchtet, durchschaut zu werden, kann er weder sich selbst noch andere erkennen –
er wird allein sein. Wo können wir solch einen Spiegel finden, wenn nicht in unserem Nächsten.Hier in der Gemeinschaft kann ein Mensch erst richtig klar über sich werden und sich nicht mehr als den Riesen
seiner Träume oder den Zwerg seiner Ängste sehen, sondern als Mensch, der Teil eines Ganzen zu ihrem Wohl
seinen Beitrag leistet. In solchem Boden können wir Wurzeln schlagen und wachsen. Nicht mehr allein – wie im Tod
– sondern lebendig als Mensch unter Menschen“.
(Richard Beauvais)
Es gab auch viele Anregungen zu neuen Wortschätzchen, neben „Dankbarkeit“ ja meine Lieblingsrubrik in diesem Blog. Mal sehen, was ich die nächsten Tage hier eingefiedelt kriege und wie viel Zeit mir meine heimatliche Baustelle lässt, um Euch mit „abgewatscht“ oder „benutzt“ zu verwöhnen.
So long!
Ysabelle