Kill your Darlings!
Hallo, Welt!
Dies ist ein Aufruf zur Gewalt.
Nein, natürlich nicht.
Es ist eine Einladung, sich unsere Lieblingsstrategie einmal näher anzusehen und uns gegebenenfalls davon zu verabschieden. Denn Lieblingsstrategien können unser Leben hoffnungslos und eng machen.
Eine liebe Freundin von mir litt lange darunter, ohne Partner zu leben. Bei unserem Nachspüren, was denn mit einem Partner anders wäre als allein, fand sie heraus, dass sie mit einem Partner sehr gern kulturelle Veranstaltungen besuchen würde, Theater, Kino, Lesungen, Musik, Konzerte. Daraufhin durchforstete sie ihr Adressbuch und schuf einen Kulturverteiler. Wann immer sie eine Veranstaltung entdeckte, die sie lockte, schickte sie eine Mail an die Menschen aus dem Kulturverteiler und ich erinnere mich an keinen Fall, in dem sie einsam in einer Lesung oder einem Konzert hockte. Oft ging sie sogar mit dem Kollegen ins Kino, mit dem sie am liebsten ihre Zeit verbrachte. Aber oft waren eben auch andere begeisterte Menschen dabei, die ihrerseits noch wieder kulturhungrige Menschen mitbrachten. So entstand ein bereicherndes Netzwerk mit Menschen, die die gleichen Interessen hatten.
Wer in einer Situation nur eine einzige Strategie zur Verfügung hat, läuft Gefahr, in einer Sackgasse zu landen. Das lässt sich an jedem beliebigen Problem betrachten. Mal angenommen, ich wäre mit einem Ferrari unterwegs und der bliebe mitten auf der Strecke liegen (dieses Beispiel ist mal grandios unwahrscheinlich, weil ich Ferraris so furchtbar unbequem finde und echt nur im Notfall einsteige). Wenn ich jetzt darauf fixiert bin, dass nur ein Team von Ferrari den Wagen wieder zum Laufen bringen kann, dürfte ich mich unter Umständen auf ein langes Wochenende auf dem Seitenstreifen der Autobahn gefasst machen. Aber wenn es auch der Gelbe Engel vom ADAC sein darf, steigen die Chancen, dass ich im eigenen Auto heil nach Hause komme. Vielleicht habe ich ja auch einen Freund, der selbst einen alten Ferrari fährt und in jeder freien Minute daran rumschraubt. Der könnte mir jetzt unter Umständen auch helfen. Oder ich lasse die Karre abschleppen und miete mir an der Tanke einen Smart. Wenn ich mindestens drei Strategien zur Verfügung habe, kommt Leichtigkeit in mein Leben. Gibt es in einer Situation scheinbar nur einen einzigen Ausweg, lohnt sich der tiefere Blick auf die Bedürfnisse. Worum geht es eigentlich wirklich? Und dann ergeben sich neue Strategien geradezu von selbst.
Knifflig wird dieser Blick auf die Strategien schnell in festen Beziehungen. Nehmen wir mal an, mein Bedürfnis wäre Sexualität und meine Lieblingsstrategie wäre es, diese Sexualität mit meinem Partner zu erleben. Wenn der nun aber gerade auf Geschäftsreise in Guatemala City ist, fällt diese Lieblingsstrategie ins Wasser, es sei denn, man wäre ein Fan von Telefonsex.
In diesem Fall könnte ich noch einmal genauer schauen, welche Bedürfnisse mir ein sexuelles Beisammensein erfüllt. Vielleicht geht es um Entspannung, Wärme, Intimität, Nähe, Verbindung und Spiritualität. Ich könnte nun eine ayurvedische Ganzkörpermassage (vierhändig) buchen, anschließend in die Sauna gehen, meinem Partner eine Mail schreiben, in der ich ihm etwas von meinem Innersten enthülle und ein Ritual veranstalten, dass mich mit ihm verbindet. Eine Kerze anzünden und einen alten Brief genussvoll lesen vielleicht. Einen Strandspaziergang, bei dem ich Blüten ins Meer werfe verbunden mit dem Wunsch, sie mögen nach Südamerika treiben. Ich denke mal, jeder von Euch findet da einen eigenen Zugang.
Sex ist vielleicht gerade nicht das allerbeste Beispiel, aber die Methode lässt sich auf alles andere übertragen. Nicht gern allein essen? Eine Kantine oder ein Lokal mit Mittagstisch ausfindig machen, Freunde einladen, reihum mit anderen Leuten kochen und sich gegenseitig zum Essen besuchen, etwas (ins Büro) mitnehmen und mit anderen Leuten gemeinsam verzehren, die auch etwas mitgebracht haben… Wann immer ich nur eine Strategie zur Verfügung habe, sind Depressionen garantiert. Denn dann hat mein Leben nur einen Weg, der womöglich versperrt ist. Oder mein Glück liegt in der Hand eines einzigen Menschen, der aber gerade nicht entsprechend reagiert. Zum Beispiel wenn meine Heizungsanlage ausgefallen ist und der Klempner Betriebsferien hat. Wenn es nur dieser eine Klempner sein darf, könnte ich erfroren sein, bis er aus dem Wintersport zurück ist. Habe ich habe ein Telefonbuch und ein aufgeladenes Handy, wird sich ein anderer Klempner finden. Oder ein Radiator aus dem Baumarkt. Oder ein Freund, bei dem ich Unterschlupf finde. Kill your Darlings – verabschiede dich von deiner Lieblingsstrategie, wenn sie die einzige ist. Genieße deine Freiheit!
So long!
Ysabelle
Ich war dabei, als die Idee für diesen Blogbeitrag geboren wurde. Das Endergebnis hier haut mich schlichtweg um. Diesr post wird in Zukunft meine Lieblingsstrategie zum Vermitteln des Themas „Lieblingsstrategien loslassen“ 😉
*lach* An Deinem Charme hätte sich Jopie Heesters mal ne Scheibe abschneiden können…
Y.
Vielen Dank! Liebe Ysabelle, dieser Text hat mich gerade befreit, als ich in einer „erprobten“ Strategie völlig festhing! Darling gekillt – und HURRA, das Leben ist wieder leichter und voller Freude.
Beste Grüße sendet Katharina
Gerne doch!
Das Thema ist auch bei mir gerade wieder der lebendig *grummel*
Y.