Giraffe im Tapetenhain
Hallo, Welt!
Unten im Zimmer steht ein Freund und versieht die Wände mit einem eleganten Gipsputz. Danach werden die Tapeten wunderbar halten und auch nicht mehr den grauen Beton durchscheinen lassen. Ich bin beglückt und könnte Stunden beim Putzen zugucken. Elegant klatscht er die Masse an die Wand und verteilt sie mit sanften Bewegungen auf der Fläche. Das hat durchaus eine zärtliche Komponente. Wir haben eben schon geflachst, dass man das als Peepshow für Heimwerker ins Netz stellen könnte.
Gestern Abend ist mir aufgegangen, dass ich in Bezug auf Tapeten an der Wand mal ein GfK-Erweckungserlebnis hatte. Habe ich das hier schon erzählt? Anfang 2008 – ich war noch in meiner ersten GfK-Jahresgruppe – wurde mein heutiges Arbeitszimmer/Studio renoviert. Die Arbeiten zogen sich und nach drei Wochen im Dreck war ich wirklich sehr verzweifelt. Ich fuhr zu einem Seminarblock nach Bremen und übte im Rollenspiel, wie ich damit umgehen könnte. Die Worte meiner Mitspieler (sie spielten den Handwerker) waren für mich harter Tobak. Autonomie, Selbstbestimmung, im eigenen Tempo vorankommen… Gleichzeitig wurde mir eins deutlich: Tapeten an der Wand sind kein Bedürfnis. Als ich nach Hause kam und es dort noch immer nach Baustelle aussah, fand ich eine Möglichkeit mich auszudrücken: Mit dem Kuttenlecker und weißer Farbe habe ich meine Bedürfnisse rausgebrüllt: Vertrauen, Verbindung, Co-Operation… Heute würde ich es noch um Schönheit und Leichtigkeit ergänzen. Ich glaube, Verbindung und Verstehen waren am stärksten im Mangel. Damals operierte ich auch noch mit Verlässlichkeit. Das Wort benutze ich heute nur noch in Ausnahmefällen. Es halt nämlich eine eingebaute Keule: Du bist unzuverlässig. Was ist schon Verlässlichkeit? Doch wohl eher eine Bewertung als ein Bedürfnis…
In meiner Erinnerung war diese Aktion im Februar 2008 das erste Mal, dass ich mich wirklich aus tiefstem Herzen bemüht habe, mich gewaltfrei, aber gewaltig auszudrücken. Das war nicht zu überlesen/überhören. Tatsächlich kam ein Dialog zustande und zehn Tage später erstrahlte der Raum in nie gekanntem Glanz.
Seither erinnere ich mich gern an dieses Beispiel und zitiere es auch immer, wenn es passt. Tapeten sind kein Bedürfnis, Urlaub auf Sardinien ist kein Bedürfnis, Fernsehen ist kein Bedürfnis…
Heute jedenfalls sind meine Bedürfnisse in Bezug auf den Tapetenhain vollstens erfüllt. Gerade stand ich noch einmal voller Glück vor zwei frisch geputzten Wänden. Die erfüllten Bedürfnisse:
Wertschätzung
Unterstützung
Wärme
Schönheit
Dankbarkeit
Geborgenheit
Harmonie
Schönheit
Vertrauen
Spiritualität
Fragt mich nicht, was das mit Gipsputz zu tun hat. Ich habe auf meine Bedürfnisliste gesehen und all diese wunderbaren Bedürfnisse klangen in mir an. Ich habe gemerkt, „Verbindung“ dürfte noch ein bisschen nachlegen, und vielleicht noch eine Prise Klarheit. Aber ansonsten bin ich gerade der glücklichste Mensch der Welt.
So long!
Ysabelle