Glück zu zweit…
Dass gemeinsames Glück am haltbarsten ist, wenn sich jeder Partner Freiräume bewahren kann, wissen Paartherapeuten: Unglückliche Paare streben häufig ein Leben nach der „Amefi“-Formel an („Alles mit einem für immer“). Die übersteigerte Erwartung, in einer Partnerschaft Erfüllung in allen Lebensbereichen zu finden, produziert Enttäuschungen, die sich mit mehr Realismus wohl vermeiden lassen.
Spiegel vom Mai 2012
Hallo, Welt!
Nachdem ich ja vorgestern diese seltsame Begegnung hatte, berührt mich das Thema „glückliche Beziehung“ noch einmal besonders, denn ich erinnere mich daran, wie „AMEFI“ ich mich damals gefühlt habe, in den paar kurzen Wochen, die ich mit diesem Mann verbracht habe.
Und dank Arnina Kashtan merke ich, was ich mir selbst so alles erzähle zu diesem Thema.
Der heutige Mann meines Herzens wohnt ja nur zu bestimmten Zeiten bei mir und hat ansonsten sein Zuhause auf Lummerland, einer Insel. In den nächsten Monaten werden wir uns wenig sehen. Damit er bei mir Platz zum Arbeiten hat, haben wir vor einem Vierteljahr für ihn eine schlanke Kommode, einen Stuhl und einen Tisch gekauft und alles ins „Do-nothing“-Zimmer implementiert. Nun sind meine Räume alle sehr klein, und drei zusätzliche Möbelstücke machen 11,5 qm dann schon recht – voll. Vor einigen Tagen habe ich daher den Tisch rausgeräumt, in den Schuppen gestellt und mit Wachstuch abgedeckt. Mein Gehirn meldete: Warum soll die nächsten drei Monate das Zimmer so voll gestellt sein, dass man nur schwierig durch die Terrassentür rein und raus kommt, wenn der Arbeitsplatz sowieso höchstens sporadisch genutzt wird?
Hohoho!
Da gibt es aber noch ganz andere Stimmen! „Das ist ein kalter Rauswurf, jetzt hat er gar keinen Platz mehr im Haus!“ höre ich. Und: „Du bist egoistisch“. Na, den Vorwurf kenne ich doch irgendwoher… Also: Anteile von mir möchten, dass ich auch die Interessen meines Gegenübers im Auge behalte (Arnina Kashtan: „Schuldgefühle erinnern mich als Stammeswesen daran, dass meine Handlungen Auswirkungen auf andere haben.“).
Ok, die Kommode steht nach wie vor im Do nothing, und der Stuhl auch. Sein Fach im Schrank und im Badezimmer sind unberührt. Sein Lieblingsmüsli steht ebenso in der Küche wie die Konserven mit Fisch in Tomatensauce. Da meint wohl ein Teil des Gehirns, immer müsse alles für den einen bereit sein. Seufz.
Ich habe noch ein paar andere Beispiele für einschränkende Glaubenssätze: Mann 1996 sagte zum Beispiel, er habe noch eine Konzertkarte für die Musikhalle am XY Tag. Ich hätte gern nachgefragt, ob wir zusammen hingehen wollen. „Darfst du nicht“, sagte es in mir. Wenn du mit einem Mann zusammen bist, darfst du nicht mit einem anderen ins Konzert gehen. Wa? Das ist alt und für die aktuelle Situation neu. Denn natürlich bin ich in den vergangenen zehn Jahren mit anderen Männern ins Konzert gegangen, allein schon weil meiner gar nicht immer von Lummerland wegkam. Also: Mit Peter und Paul darf ich ins Konzert, nicht aber mit Bigfoot. Weil… Bigfoot das falsch verstehen könnte und der Lummerländer auch. Ach Leute… erzählen wir in unseren Seminaren nicht immer, dass wir für die Reaktion anderer Leute nicht verantwortlich sind?
Sagen wollte ich eigentlich: Wir überfrachten die Partnerschaft, wenn wir vom Gegenüber die Erfüllung all unserer Bedürfnisse erwarten. Und es gilt zu gucken, wie wir für unsere Bedürfnisse die Verantwortung übernehmen und welche Schritte wir dazu gehen. Dazu gehört auch, uns an andere Menschen zu wenden und um Empathie zu bitten, um die Begleitung zu einem Shopping-Bummel, in den kitschigen Liebesfilm im Kino, zum Volkshochschulkurs „Klöppeln für Einsteiger“. Im Gegenzug muss ich dafür nicht mit zum Fußball oder zum Angeln oder in „Die Hard XIII“. In der Theorie alles perfekt gelernt. Im praktischen Leben: I grow constantly less stupid“, möchte ich Marshall zitieren. ich werde fortschreitend weniger dumm…
So long!
Ysabelle
Hallo Ysabelle,
ein spannendes Forschungsfeld auf das du dich da begibst!
Da sind ja nicht nur die persöhnlichen Wölfe aktiv, meistens sind Beziehungen zu anderen Menschen ja auch beladen mit gesellschaftlichen Vorstellungen, oft auch noch so transparent dass man sie gar nicht als solche erkennt oder alte Verletzungen melden sich und verzerren den klaren Blick…
Ich bin selber immer wieder überrascht, wieviel ich über mich selbst lerne, wenn ich mich wirklich auf einen anderen Menschen einlasse. Mit jedem Schritt, den ich auf ihn oder sie zumache kämpfe ich mich ein Stück aus meiner dämpfenden Schale heraus und bin immer wieder überrascht, wer da eigentlich zum Vorschein kommt.
Ich wünsche dir noch viele Schritte auf dem Weg zu less stupidity 🙂
Lieber Gruß,
Markus