Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Guten Appetit!

Hallo, Welt!
Zurzeit habe ich Besuch, der sich seit einiger Zeit mit GfK beschäftigt. Heute nun hat dieser Mitbewohner einen Auswärtstermin und meldete sich um kurz vor eins: Jetzt sei das Gespräch beendet und er komme zurück. Ich entgegnete noch so was wie „Lass dir Zeit“, und wollte damit zum Ausdruck bringen, er möge bitte nicht extra aufs Gas drücken, um herzukommen. Um 14.33 Uhr, ich erwartete ihn jede Minute, kam eine SMS: „Ich lege noch einen Zwischenstop bei XY ein“. Hm. Ich antwortete: „Oh… ich habe dich jeden Moment hier erwartet“. Dann kam die Antwort, die ich mit dem „Giraffenohr des Tages“ auszeichnen möchte. „Ich sollte mir Zeit lassen. – Bringt dich das konzeptionell durcheinander?“ Ich antwortete: „Ein bisschen. Ich hatte gedacht, wir essen zusammen.
Mit Zeit lassen meinte ich eher so was wie „fahr nicht wie ein Henker“ ;-).

Ich mach mir was Obstiges.“ Und er antwortete: „Dann bitte ich dich, nicht mit dem Essen auf mich zu warten.“
Ich dachte irritiert, ey, so spricht kein Mensch! Und dann wanderten meine Gedanken herum…
Es gibt eine Geschichte, die Marshall gern erzählt über eine Frau die zu ihrem Mann sagt: Ich wünschte, du würdest nicht so viel arbeiten. Ein paar Tage später erzählt er ihr freudestrahlend, er habe sich zu einem Golfturnier angemeldet. Entgegen seiner Erwartung war sie keineswegs begeistert. Denn statt „du sollst weniger arbeiten“ wollte sie eigentlich zum Ausdruck bringen, „ich möchte mehr Zeit mit Dir verbringen. Falls sie nicht gerade sein Caddy ist, könnte das schwierig werden, wenn er ein Turnier spielen will…
Dann kaute ich „warte nicht mit dem Essen auf mich“ herum. Leute, das macht was mit mir. Gefühle: Unbehaglich, verwirrt, traurig, einsam. Bedürfnisse: Verbindung (an allererster Stelle), Wertschätzung, Gemeinschaft, Klarheit. Irgendwie kommt das bei mir wie eine Strafe an. Spannend. Da ist bestimmt ein Kind-Anteil am Start. Dann ging mir auf, dass da ja auch eine Du-Botschaft enthalten ist: Es heißt nicht etwa, ich komme später, oder ich habe schon gegessen, sondern DU sollst oder brauchst nicht zu warten. Es beinhaltet auch die Aussage: Ich werde zur geplanten Zeit nicht da sein, oder vielleicht Ich habe keinen Hunger, deshalb werde ich nicht mit dir essen…

Letzten Endes habe ich für mich erkannt, dass es ein Thema ist, das für mich etwas mit Selbstfürsorge zu tun hat, wie es in dem nachfolgenden Text von Melody Beattie so schön beschrieben ist.
Und ganz in diesem Sinne habe ich mir einen grandiosen Obstsalat in Mascarponeschaum gemacht. Leute, wer den auslässt, verdient es nicht besser!
😉

Selbstverantwortung
Aus „Die Sucht gebraucht zu werden“ von Melody Beattie
Selbstfürsorge ist ein Verhalten uns selbst und
unserem Leben gegenüber, das besagt: Ich bin
verantwortlich für mich selbst.
Ich bin verantwortlich dafür, ob ich lebe oder
nicht lebe. Ich bin verantwortlich dafür, nach
meinem geistigen, emotionalen, körperlichen
und finanziellen Wohlergehen zu streben.
Ich bin verantwortlich dafür, meine Bedürfnisse zu erkennen
und zu befriedigen. Ich bin verantwortlich
dafür, meine Probleme zu lösen oder mit
meinen Problemen leben zu lernen, die ich nicht
lösen kann. Ich bin verantwortlich für meine Entscheidungen.
Ich bin verantwortlich dafür, was ich gebe oder empfange.
Ich bin auch dafür verantwortlich,
mir Ziele zu setzen und sie zu erreichen.
Ich bin verantwortlich dafür, wie sehr ich
das Leben genieße, wie viel Freude ich an täglichen
Aktivitäten finde. Ich bin verantwortlich
dafür, wen ich liebe und wie ich mich entscheide,
diese Liebe auszudrücken. Ich bin verantwortlich
dafür, was ich anderen antue und dafür, was ich
anderen erlaube mir anzutun.
Ich bin verantwortlich für mein Wollen und meine
Wünsche. Alles an mir, jeder Aspekt meines
Seins, ist wichtig. Ich bewerte angemessen. Ich
begutachte meine Wünsche und Bedürfnisse. Ich
verdiene weder Missachtung noch ständige
Misshandlung und toleriere sie nicht. Ich habe
Rechte, und es liegt in meiner Verantwortung,
diese Rechte zu verfechten.
Die Entscheidungen, die ich treffe, und die Art,
wie ich mich verhalte, spiegeln meine Selbstachtung
wider. Meine Entscheidungen tragen meinen
Verpflichtungen Rechnung. Meine Entscheidungen
tragen auch meinen Verpflichtungen
anderen Menschen gegenüber Rechnung –
meinem Partner, meinem Kind, meinen Verwandten
und meinen Freunden. Ich untersuche und
entscheide genau, wie diese Verpflichtungen beschaffen
sind, bevor ich meine Entscheidungen
treffe. Ich berücksichtige auch die Rechte meiner
Mitmenschen – das Recht, ihr Leben so zu leben,
wie es ihnen passt. Ich darf das Recht anderer
nicht beschneiden, ihr Leben nach ihren Vorstellungen
zu leben. Und sie dürfen mir meine Rechte
nicht beschneiden.
Selbstfürsorge ist ein Verhalten gegenseitiger
Achtung. Das bedeutet, unser Leben verantwortungsbewusst
leben zu lernen. Das bedeutet, anderen zu erlauben,
ihr Leben nach ihrer Wahl zu leben,
solange sie nicht unsere Entscheidung stören,
nämlich so zu leben, wie wir es wollen.
Sich um uns selbst zu kümmern, ist nicht so egoistisch,
wie manche Menschen annehmen, aber
es ist auch nicht so selbstlos, wie manche andere glauben.

So long!

Ysabelle

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