Ist nicht alles umsonst?
Diese Geschichte fand ich auf der Seite von GfK-Trainerin Serena Rust.
Ist nicht alles umsonst?
Am Rande der Wüste lebte ein Eremit. Eines Tages besuchte ihn ein Jüngling und klagte ihm sein Leid. „Ich lese so viel heilige Texte“, sagte er. „Ich studiere in den Büchern und vertiefe mich in die Schönheit der Worte. Ich möchte sie behalten und als einen Widerschein der ewigen Wahrheit in mir bewahren. Aber es gelingt mir nicht. Alles vergesse ich! Ist die mühevolle Arbeit des Lesens und Studierens umsonst?“ Der Eremit hörte ihm gut zu. Als er fertig war mit dem Sprechen, gab er ihm einen Binsenkorb. „Hol mir aus dem Brunnen dort drüben Wasser“, sagte er zu dem Jüngling. „Hat er meine Frage nicht verstanden?“ fragte sich dieser. Widerwillig nahm er den vom Staub verschmutzten Korb auf und schöpfte Wasser, das längst herausgelaufen war, als er zurückkehrte. „Geh noch einmal“, sagte der Eremit. Der junge Mann gehorchte. Immer wieder füllte er Wasser in den Korb, immer wieder rann es zu Boden. Nach dem zehnten Mal konnte er aufhören. „Sieh den Korb an“, sagte der Eremit. „Er ist ganz blank geworden. So geht es dir mit den Worten, die du liest und bedenkst. Du kannst sie nicht festhalten, sie gehen durch dich hindurch, und du hältst die Mühe für vergeblich. Aber, ohne dass du es merkst, klären sich deine Gedanken und machen dein Herz rein.“
aus: Barbara und Hans Hug, „Blätter, die uns durch das Jahr begleiten“, Kreuz Verlag