Die unausgesprochenen Worte (3)
Hallo, Welt!
Sagt Bescheid, wenn Euch die Workshop-Infos langweilig werden. Mich beflügeln sie noch immer und sausen durch mein Hirn. Gestern ging es um den Satz „Wer wärest du ohne diese deine Geschichte?“ Dazu fand ich eine Ergänzung, die lautet: Was ist der Pakt, den du mit XY hast?
Ich sehe auf die Buchstaben und merke, wie es in mir vibriert. Dieser Gedanke war mir wirklich nie zuvor gekommen. Es ist ein Pakt. Und unter Umständen zu einer Zeit abgeschlossen, als ich noch gar nicht geschäftsfähig war, nämlich als sehr kleines Kind.
Beim Nachspüren kommt mir ein Pakt in den Sinn, den ich bewusst noch nie so formuliert habe. Er lautet: Ich darf nicht gut sein.
Ich denke dabei speziell an meinen letzten Chef. Er hatte sicher viele Qualitäten. Ich möchte ihn nicht mies machen, das ist nicht die Botschaft. Was aber schwierig wurde, war wenn ich mit meiner Kompetenz strahlte. Immerhin hatte ich diesen speziellen Job rund 20 Jahre gemacht, davon die vergangenen sechs Jahre vor seiner Einstellung quasi alleinverantwortlich. Also: Bloß nichts tun, was beim Chef den Anschein erweckt, ich würde mit ihm in Konkurrenz treten. Also lautete der unausgesprochene Pakt: Ich tue nichts, was deine Position gefährdet und verteidige gegenüber den Mitarbeitern auch Entscheidungen, die ich für komplett schwachsinnig halte, damit du mich nicht feuerst.
Es hat mehrere Situationen gegeben, in denen ich seine Entscheidungen extra behutsam und gfk-like angezweifelt habe, und die Reaktion hat mich jedes Mal geschüttelt. An dieser Stelle gucke ich direkt mal in die Gefühlsliste, denn ich merke, dass ich nur zusammengerechnete Gefühle und Bewertungen dazu im Kopf habe. Wie habe ich meinen Chef wahrgenommen, wenn ich seine Entscheidungen angezweifelt habe?
Ärgerlich
alarmiert
entrüstet (manchmal)
genervt
kalt
sauer
streitlustig
ungeduldig
widerwillig
Ich glaube, das war’s im Wesentlichen. Schon das fühlt sich in mir ganz anders an als mein „Zusamengerechnetes“, was ich noch vor drei Minuten im Kopf hatte. Und seine Bedürfnisse waren vielleicht
Respekt
Effizienz
Autonomie
Selbstvertrauen (das ist mal ein Schuss ins Blaue)
Anerkennung
Harmonie
an einem Strang ziehen
Und JETZT wird mir gerade ganz deutlich, dass ich mich mit all diesen Bedürfnissen total verbinden kann. Der unausgesprochene Pakt, mit dem ich unterwegs war, war wohl, dass ich dafür zuständig bin, all diese Bedürfnisse zu erfüllen. Weil du XY brauchst, muss ich dir das geben… Ich bin verantwortlich, ich bin zuständig… na, das kommt mir aber bekannt vor…
Seid Ihr mal durch eine Brombeerhecke gegangen? Gefühlt habe ich meine Kindheit mit Brombeeren suchen verbracht. Die Ranken kleben mit kleinen Dornen an den Klamotten oder an der Haut. Und so geht es mir auch mit solchen Geschichten. Ich bin „gefangen“oder „eingesponnen“ in solche Pakte. Im Alltag merke ich das oft nicht. Und dann lande ich bei einem weiteren Satz von Arnina: Verstehen und Akzeptieren (Mitgefühl mit mir selbst) ermöglichen die Veränderung. Ich treffe die Wahl, aus meinem Automatismus auszusteigen. WOW! Und da steht auch: Wir machen den anderen zum Grund für unser Gefängnis. Wie wahr…
Vielleicht hätte ich die Flipcharts doch nicht Matthias mitgeben sollen, sondern hier damit meine Hütte tapezieren. Aber ich habe sie alle als PDF und kann darauf zurückgreifen, wenn mir die Dinge aus dem Bewusstsein rutschen.
So long!
Ysabelle