Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Kommt der Arzt … nicht…

Hallo, Welt!
Heute also wie versprochen wieder mal eine Episode aus dem wahren Leben.
Dienstags kommt immer der Arzt zu meiner Mutter zum Hausbesuch. Wir telefonierten nachmittags noch und sie sagte zu mir, na, gleich kommt ja Dr. XY. Als wir dann gestern Morgen wieder sprachen, erzählte sie, der Arzt sei nicht gekommen.
Ich habe ihr Einfühlung gegeben: Möchtest du dich darauf verlassen, dass der Ärzt kommt? Gibt es dir Sicherheit, wenn er jeden Dienstag bei dir ist? Brauchst du Klarheit, was los ist, wenn er nicht erscheint? Was würde dich unterstützen, um diese Situation gut zu managen? Da wünschte sie sich von mir, ich möge in der Praxis anrufen und erläutern, die schwierig die Situation für sie sei… „Aber mach da keinen Ärger, ich brauch die noch…“
Ich habe mich also kurz sortiert und in der Praxis angerufen. Die Dame am Telefon kippte sofort in eine Verteidigungshaltung: Der Doktor hat Urlaub, da können wir auch nichts für, wenn er den Patienten nichts sagt… da rechnen wir doch nicht mit… das können wir doch auch gar nicht wissen, ob er nun was gesagt hat oder nicht… und dann: Schwups! Also, ich weiß gar nicht, was Ihre Mutter hat?! Wir sind doch immer für sie da! Ihre Versorgung ist doch überhaupt nicht gefährdet…
*Seufz*.

Liebe Freunde, das gesamte Gesundheitswesen braucht GfK, glaubt es mir doch endlich!
Zunächst ging mir auf, wie schnell die Frau am Telefon war. Heute habe ich den ganzen Tag mit Matthias Albers Seminarvorbereitung betrieben, und dabei sind wir auch auf Konfliktmuster zu sprechen gekommen. Das Konfliktmuster meiner Gesprächspartnerin in der Arztpraxis schwankte zwischen Angriff und Verteidigung. Und es ging so schnell! Kaum kam ich dazu auszureden! Zack, war der Arzt Schuld. Zack, war meine Mutter einfach zu empfindlich. Ich fand dieses Telefonat sehr schmerzhaft, weil überhaupt keine Verbindung zustande kam. Fast hätte ich eine Stunde später noch mal angerufen und gesagt: Mir ist was eingefallen: Es könnte ja auch sein, dass die älteren Herrschaften beim Hausbesuch des Arztes einfach nicht mitbekommen haben, dass er seinen Urlaub ankündigt. (Bei meiner Mutter nicht vorstellbar, aber immerhin…). Wie wäre es, wenn der Arzt bei seinem Rezeptblock zehn Zettelchen dabei hätte: „Dr. XY kommende Woche Urlaub. Bitte wenden Sie sich vertrauensvoll an die Praxis, wir sind für Sie da“. Dann könnte er die Nachricht hinterlassen und die Chancen, dass der Patient das mitkriegt, steigen…

Ich habe dann letztlich nicht angerufen. Ich wollte mir nicht noch von der Sprechstundenhilfe anhören: Sie brauchen mir nicht zu erklären, wie man eine Praxis organisiert… Da habe ich gemerkt, wie frustriert ich war. Frustriert, dass das Anliegen meiner Mutter nicht in einer Weise gehört wurde, wie ich es ihr gewünscht hätte. Und frustiert über eine Welt, in der es immer wieder nur zwei Optionen zu geben scheint: Du bist Scheiße oder ich bin Scheiße… Und dabei hätte ich wirklich gern einen Beitrag geleistet, dass Arztpraxis und Patient beim nächsten Urlaub stressfrei in Verbindung bleiben können…

So long!

Ysabelle

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