Im Kreuzverhör
Hallo, Welt!
Gestern Nachmittag habe ich eine Tasche voller Kompaktbriefe zur Post geschleppt. Der Inhalt: Flyer, die auf das anstehende IIT im Mai aufmerksam machen. Heute sind sie hoffentlich bei 25 Trainern in Deutschland im Briefkasten.
Auf dem Weg kam ich an drei Menschen vorbei, die miteinander – nun – interagierten. Nennen wir es mal so. Da stand ein junger männlicher Mensch mit einem Fahrrad. Rechts von ihm ein Paar, das in meiner Erinnerung älter als 40 Jahre war. Während ich auf diese Gruppe zuging, schnappte ich ein paar Wortfetzen auf und dachte sofort: „Blog“.
Die Stimme der Frau wirkte auf mich irgendwie scharf. Ich hörte sie sagen: Und wie läuft es in der Schule? Und dann hörte ich die Frage: Wie alt bist du jetzt eigentlich? 12?
Dann war ich an der kleinen Gruppe vorbei und es gruselte mich.
Wenn das Verbindung sein soll, dann hätte ich lieber keine! In meiner Wahrnehmung wirkte der junge Mensch unbehaglich. Und wie ein Wasserfall brachen Erinnerungen aus meiner Kindheit hervor. Freunde meiner Großeltern, die mich auf diese Weise befragten. Oder Nachbarn. Für mich hat das mehr von Kreuzverhör als von echtem Austausch und genuinem Interesse.
Wiktionary: Bedeutungen genuin:
[1] Medizin: angeboren
[2] ursprünglich, original
– Mir fiel gerade kein deutsches Wort für das ein, was ich ausdrücken möchte… –
Warum ist mir so unbehaglich bei dieser kleinen Szene? Ähnliches spielt sich doch sicher tagtäglich tausendfach auf unseren Straßen, Plätzen, Gehwegen ab. In diesem Moment vermute ich, dass es etwas mit der Energie zu tun hat. Unterstellen wir mal, das Paar (oder besser: Mann und Frau, die nebeneinander standen) war wirklich interessiert an Austausch und Verbindung mit dem jungen Menschen. Dann erfüllt es mich mit Trauer, dass sie dafür keine Sprache haben, die Verbindung schafft. Und sie stellen dazu die gleichen Fragen wie vor 100 Jahren (ok, ich bin noch nicht ganz 100, aber schon als ich die Fragen in meiner Kindheit hörte, dachte ich, sie wären alt und hätten irgendwie nichts mit mir zu tun). Die Energie, mit der die Fragen präsentiert wurden, hatten für mich etwas Unverbundenes, Kontrollierendes. Gäbe es Gewürze in der Sprache, wäre hier sicherlich eine große Prise „Richtig und Falsch“ mit verkocht worden. Die Sprecherin schien etwas prüfen zu wollen. Was soll ich denn auf der Straße antworten auf die Frage: Wie läuft es in der Schule? „Super“, ist das einzige, was mir einfällt. Ist genau so wie die Frage: Wie geht’s? Hey, Klasse! Verdammt! Wenn du dich wirklich für mich interessierst, nimm mich nicht ins Kreuzverhör. Lass mich teilhaben an dem, was du denkst, was du fühlst! Bist du überrascht, mich zu sehen? Bist du erstaunt, wie sehr ich mich verändert habe? Hattest du ernsthaft geglaubt, ich bliebe immer 1,20 m. groß und würde immer weiße Strickstrumpfhosen tragen? Siehst du mich überhaupt?
Bis gestern hatte ich diesen Kommunikationsstil ohne nachzudenken in der Generation meiner Großeltern verortet. Das „Paar“ gestern war aber vermutlich jünger als ich. Und dabei merke ich: Ich möchte dazu beitragen, dass Menschen sich IN ECHT begegnen können. Es ist mir ein tiefes Anliegen, dass wir erkennen, was wir fühlen und wie unsere Gefühle unser Denken und Handeln beeinflussen. Was kann ich denn tun, um dazu einen Beitrag zu leisten? Soll ich mich mit einem Schild um den Hals auf den Wochenmarkt stellen: Erst fühlen, dann reden!
Coole Idee.
Ich glaube, dazu mache ich mal einen Sticker, eine Anstecknadel. Die biete ich dann im Shop an. Nehme Vorbestellungen entgegen!
So long!
Ysabelle