Alle Bedürfnisse zählen
Hallo, Welt!
Am Wochenende hatten wir Seminar und es war großartig und bereichernd. Unter anderem haben wir Transformation von Wut und Ärger gemacht und eine teilnehmende Person hat auf dem Tanzparkett entdeckt, dass sie auch nach 40 Jahren dem Vater nicht sagen kann, was ihr wichtig ist, wichtig gewesen wäre in einer bestimmten Situation. Einfühlung ging nicht und ehrlicher Selbstausdruck ging auch nicht.
Für mich war diese Übung noch mal ein Schlüsselerlebnis. Ja, meine Überzeugung ist, dass alle Bedürfnisse zählen. Heute Morgen sagte jemand zu mir, das höre sich dogmatisch an.
Unter einem Dogma (altgr. δόγμα, dógma, „Meinung, Lehrsatz; Beschluss, Verordnung“[1]) versteht man eine feststehende Definition oder eine grundlegende, normative (Lehr-)Meinung, deren Wahrheitsanspruch als unumstößlich festgestellt wird.
Insbesondere in der christlichen Theologie wird der Begriff Dogma wertneutral für einen Lehrsatz gebraucht, der, unter Berufung auf göttliche Offenbarung, die Autorität der kirchlichen Gemeinschaft bzw. des kirchlichen Lehramts oder auf besondere Erkenntnisse als wahr und relevant gilt. Die systematische Entfaltung und Interpretation der Dogmen wird Dogmatik genannt.
Hingegen wird der Begriff vor allem als Adjektiv (dogmatisch) pejorativ gebraucht von Personen, die die entsprechenden Lehrsätze als nicht hinreichend fundiert ansehen, zum Beispiel weil sie die Lehrautorität der Kirche nicht anerkennen oder weil sie Weltanschauungen und Wertvorstellungen prinzipiell skeptisch gegenüberstehen, die den Anspruch erheben, als allein wahr, allgemeingültig oder verbindlich zu gelten oder gar für alle Zeit gültig zu sein.
Für mich fühlt sich das absolut grundsätzlich an. Ich möchte in einer Welt leben, in der alle Bedürfnisse zählen. Wenn mein Gegenüber nein sagt, ist das ein Nein zur Strategie, nicht zu meinem Bedürfnis. So unterrichten wir es in unseren Seminaren, so möchte ich es auch leben. Es kann Situationen geben, wo eine bestimmte Strategie bei meinem Gegenüber auf ein klares Nein stößt. Und jetzt wird es spannend. Mal angenommen, es geht ums Abendbrot. Ich will unbedingt Pizza essen, mein Mitbewohner hat darauf partout keine Lust. Normalerweise würde ich dann vorschlagen, ok, du kriegst das, worauf du Lust hast und ich kann Pizza essen. Was aber nun, wenn der andere sagt, ich will in meinem Zuhause überhaupt keine Pizza haben? Ist dann die einzige Strategie, die mir bleibt,dass ich nur noch beim Italiener oder auf dem Dom Pizza essen kann?
Reduziere ich das auf die Bedürfnisse, bleibt das Bedürfnis nach Nahrung. Nun sagt ja der andere nicht, ich will nicht, dass du etwas isst. Er sagt nur, „das“ kannst du in unserem Zuhause nicht essen.
Ok, ich möchte dann wenigstens herausverhandeln, dass ich mir zu Hause eine Pizza in den Backofen schieben kann, wenn der andere auf Klassenfahrt ist. Meine Bedürfnisse nach Leichtigkeit und Genuss haben das gleiche Gewicht wie das Bedürfnis des anderen. So möchte ich es leben. Pizza ist eine Strategie, vielleicht meine Lieblingsstrategie. Ich kann auf Pizza verzichten, solange du im Haus bist. Aber ich möchte die Freiheit haben, den Pizzaservice zu bestellen, wenn du nicht da bist. Es kann doch nicht sein, dass ich für immer auf Pizza zu Hause verzichten soll/muss, weil du etwas gegen Pizza hast?
Da kommen dann die Bedürfnisse nach Gesehen werden, Anerkennung und Autonomie ins Spiel. Bei dir höre ich das Bedürfnis nach Respekt, Schutz, Wertschätzung. Ich kann das schon wieder reduzieren auf meinen Lieblingsfilm „Dirty Dancing“: Das ist mein Tanzkreis und das ist dein Tanzkreis. Ich bin sehr willig und bereit, deinen Tanzkreis zu akzeptieren. Und gleichzeitig wünsche ich mir auch, dass mein Tanzkreis akzeptiert wird. Mit der gleichen Ernsthaftigkeit, mit der ich Dir die Erfüllung deiner Bedürfnisse wünsche und mich gern daran beteilige, möchte ich auch meine Bedürfnisse Ernst nehmen und mich für ihre Erfüllung einsetzen. Wenn das ein Dogma ist, dann möchte ich gern daran festhalten.
Ich bin neugierig: Wie sehr Ihr das?
So long!
Ysabelle