Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Weil ich, verdammt noch mal…

Hallo, Welt!

Gestern war wieder Muttertag. Es geht ihr nicht gut. Sie ist schon wieder gestürzt und hat starke Schmerzen. Nachdem die „Pflichten“ erledigt waren, sagte sie zu mir: Nun fahr du mal, du hast ja auch noch so viel zu tun.
Ich glaube, wenn es jemand anderes gewesen wäre als diese schmerzgeplagte, schwer kranke Frau, ich wäre explodiert. In meiner Fantasie gab es nämlich dahinter einen ganz anderen Text, und der lautete: Ich bin müde, erschöpft und voller Schmerz. Es würde mir besser gehen, wenn ich jetzt allein sein könnte. Doch statt das zu sagen, schob sie meine vermuteten Bedürfnisse vor. Du hast ja noch so viel zu erledigen…

Ihr könnt jetzt gern sagen, ich solle mich nicht so anstellen, und es wäre doch nett, wenn meine Mutter so fürsorglich an all das denkt, was ich zu erledigen habe. So hätte ich vermutlich vor zehn Jahren auch noch reagiert. Heute gibt es in mir dagegen nur Rebellion. (Achtung, wie alt ist das Kind?) Sie soll sagen, was sie will. Und ich übernehme Verantwortung für das, was ich will oder brauche. Aber die eigenen Bedürfnisse hinter dem zu verstecken, was ich in den anderen hineinsehe… das ist gerade ein schwieriges Thema für mich.
An einer Stelle werden Absichten in mein Handeln hinein interpretiert, die nichts mit dem zu tun haben, was in mir lebendig ist. Ein Teil von mir ist darüber wütend, ein anderer Teil versucht zu besänftigen und mir zu sagen, wenigstens bekomme ich durch diese Aussagen einen Eindruck davon, was in meinem Gegenüber lebendig ist: Hey, da drückt jemand seine unerfüllten Bedürfnisse aus! Na, super! Und gleichzeitig lässt das bei mir sehr viele Bedürfnisse offen, zum Beispiel nach Authentizität, Echtheit, Klarheit, Verbindung. Ja, die Verbindung leidet darunter, wenn ich nicht aufrichtig mit meinen Gefühlen und Bedürfnissen verbunden bin. Und ich, Ysabelle, bade es dann aus, indem ich wieder und wieder übersetzen muss…

Im Umgang mit meiner Mutter finde ich das verzeihlich. Sie ist 80 Jahre alt und in den vergangenen zwei Jahren hat sich bei ihr unter dem täglichen Einfluss von GFK (grosses „f“, *grummel*) wirklich viel verändert. Bei anderen Menschen in meinem Leben finde ich das viel schwieriger. Vor allem bei mir selbst. Im Moment bin ich gerade mal wieder besonders wach, was Du-Botschaften angeht, und versuche verzweifelt, meine eigenen Du-Botschaften in Gefühle und Bedürfnisse zu übersetzen. Dabei habe ich dieser Tage entdeckt, dass es da einen großen schmerzhaften Krater in mir gibt: In meiner Kindheit bin ich gern auf den Kalkberg gekraxelt, einen Gipshut am Rande der historischen Innenstadt. Vom Gipfel konnte man auf die Häuser herabsehen, aber auf der einen Seite sah man in einen „Abgrund“, Lueneburg_IMGP9671_wp_Photo-Rainer-Knäpper-Free-Art-License-http-_artlibre.org_page_id65.jpgin dem im Mittelalter der Gips abgebaut wurde. Wenn ich diesem Gefühl in mir nachspüre, sieht es so aus wie dieser Abgrund in meiner Kindheit. TIIIIIEF. Und es ist besser, vom Rand ein wenig Abstand zu halten… Es ist so schmerzhaft mich damit zu beschäftigen, welche Bedürfnisse an dieser Stelle unerfüllt sind, dass ich es kaum wage, mich dieser Abbruchkante zu nähern… Vielleicht reagiere ich deshalb im Moment so vehement auf Du-Botschaften: weil ich so sehr damit ringe, meine eigenen Du-Botschaften in Ich-Botschaften zu übersetzen und mich das mit einem unglaublichen Schmerz über meine unerfüllten Bedürfnisse in Verbindung bringt. Da haben wir den Salat…

So long!
Ysabelle

3 Reaktionen zu “Weil ich, verdammt noch mal…”

  1. Dorothee

    Liebe Ysabelle, ich verstehe dich gut, aber auch deine Mutter, die ich auch bin. Mütter stellen ihre eigenen Bedürfnisse gern hinter denen der Kinder ab. Ich verstehe den Text hinter den Worten deiner Mutter so:
    Das tut mir so gut, was du für mich tust. Gerne hätte ich mehr davon, aber ich weiß ja, dass du so belastet bist. Da trau ich mich nicht, dich weiter in Anspruch zu nehmen. Ich komm schon allein klar.
    Das höre ich heraus.
    Frag sie doch einfach mal.
    Dorothee

  2. Ysabelle Wolfe

    Liebe Dorothee,
    danke für Deine Rückmeldung. Ja, ich kann den Text meiner Mutter so hören und weiß, dass da was dran ist. Gleichzeitig ging es in dem Posting nicht wirklich um meine Mutter, sondern ich ringe mit einer anderen Person bzgl. Du-Botschaften, und da geht „fragen“ im Moment grad mal nicht 🙁

    So long!
    Ysabelle

  3. Dorothee

    Danke liebe Isabelle für deine Antwort.Bin aus dem Urlaub ohne PC zurück und dürste nach deinem Blog.
    Freu mich drauf alles zu lesen und zu erfahren über Deine GfK-Erfahrungen
    Gruß von mir
    Doro

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