Mein persönlicher GFK-Neglekt
„Unter dem Begriff Neglekt werden verschiedene Vernachlässigungsphänomene einer Raum- und/oder Körperhälfte zusammen gefasst, die keine primär sensorische oder motorische Ursache haben.“ (Prosiegel, 1998, S. 95)…. Der Patient kann die Aufmerksamkeit nicht/nur mühsam/nicht automatisch auf die Raum- oder Körperhälfte richten, die gegenüber der Hirnschädigung liegt.
Hallo, Welt!
Ich habe ein GFK-Neglekt. Jawoll. Das Besondere – und Typische bei Neglekt – ist, dass ich nicht wahrnehme, was da bei mir los ist…
Also: Ich lebe so vor mich hin und an der einen oder anderen Stelle gibt es Frustrationen. Das ist ja nichts Ungewöhnliches. Aber ich nehme überhaupt nicht wahr, wie sehr mich das beeinträchtigt.
Gestern hatte ich eine spannende Unterhaltung. Und in diesem Austausch dämmerte mir, dass da etwas ist. Ich konnte es nicht richtig greifen, es zog wie Nebelschwaden an mir vorbei. Dieser Neglekt bezieht sich auf meine Bedürfnisse. Also, es gibt unerfüllte Bedürfnisse, ganz viele, ganz tiefe, und ich nehme sie einfach nicht wahr. Schwups, sind sie weg. Das ist ja spannend!
Jetzt fange ich an, ein wenig davon wahrzunehmen, und dann rutschen sie mir immer wieder weg, einfach so. Ich habe den Verdacht, dass das etwas mit meiner wirklich frühen Kindheit zu tun hat. Erst vor relativ kurzer Zeit habe ich ja erfahren, dass ich weite Zeiten meines ersten Lebensjahres weg von meiner Mutter oder im Krankenhaus verbracht habe. Letzteres war Ende der 50er Jahre keine besonders fürsorgliche oder liebevolle Einrichtung für Babys. Starre Besuchszeiten, 50 km entfernt von zu Hause, wir kein Auto… da war es besser, wenn man bestimmte Bedürfnisse gar nicht erst wahr nahm. Die gab es einfach nicht. Wie beim Schlaganfall-Patienten, der sich für gesund hält, weil er seine gelähmte rechte Körperhälfte gar nicht wahrnimmt.
Und ich merke, dass mir das Angst macht. Ich hatte ja hier schon über die Erkenntnisse aus dem spannenden Marketing-Wokshop Anfang Mai berichtet. Unter anderem ging es darum, wirklich, wirklich, wirklich für sich und seine Angelegenheiten Verantwortung zu übernehmen. Und jetzt sitze ich auf der Frage, wie kann ich für die Erfüllung meiner Bedürfnisse Verantwortung übernehmen, wenn mein Neglekt dazu führt, dass ich diese Bedürfnisse nicht einmal wahrnehmen kann?
Spannend.
So long!
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