Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Lob, Anerkennung und die Haltung

Hallo, Welt!
Puh, hier muss ich erst mal den Staub vom Dashboard blasen. Monate habe ich nichts geschrieben. Themen hätte es genug gegeben. Aber Zeit und Kraft sind endlich. Jetzt ist der Hausstand meiner Mutter aufgelöst, die Wohnung geräumt. Ab Montag wird sie neue Mieter haben. Und bei mir stehen noch immer Umzugskartons, Lampen, Bücherkisten… Keine Ahnung, wo ich sie lassen soll.

Ein GFK-Freund schrieb mir gestern, und ich habe heute geantwortet. Das Thema finde ich so spannend, dass ich es gern hier teilen möchte. In seiner Nachricht heißt es:

ich denke gerade über „Dankbarkeit und Lob“ nach.
Wenn ich eine Frau sehe, die ein sehr schönes Kleid an hat und ich geneigt bin, dies wertschätzend anzusprechen, dann tue ich das doch nicht aus Dankbarkeit heraus, oder doch? … Liebe Grüße aus XY, M.

Ich musste schmunzeln, denn er hatte mir neulich etwas Nettes sagen wollen und war dabei im Urteilsmodus gelandet. Wir haben darüber gesprochen, offenbar war davon was hängen geblieben. Und ich habe ihm geantwortet:

Moin, Kollege,

Lob ist nicht auf Augenhöhe, und Lob spricht nicht von Dir. Lob beurteilt, was der andere getan hat. Lob trägt nicht unbedingt zur Verbindung bei.

Um bei Deinem Kleiderbeispiel zu bleiben:

Du siehst jemand, der sich in einer Weise kleidet die Dir gefällt, die Dich anspricht, die Deinem Geschmack entspricht. Es erfüllt also Deine Bedürfnisse nach Schönheit, Ästhetik, Eleganz. Das jetzt zu kommunizieren erfüllt vielleicht Deine Bedürfnisse nach Feiern, Beitragen zum Wohlergehen des anderen, Anerkennung oder Wertschätzung. Vermutlich wird dann auch Deine Wortwahl anders ausfallen als bei Lob. Statt so was zu sagen wie „du hast so einen guten Geschmack bei deiner Kleiderwahl“ sagst du jetzt vielleicht, wow, ich finde, das Kleid steht dir toll, die Farben passen zu deinem Typ und der Schnitt betont deine Taille. Ich bin ganz hin und weg…

Noch Ideen dazu?

Mir geht es nicht nur um Lob oder Anerkennung, mir geht es um die Haltung. Ich merke, wie mir Augenhöhe immer wichtiger wird. Zwei Menschen aus meiner Übungsgruppe quälen sich aktuell mit der Frage, „muss ich denn immer GFK machen?“ Nein. „Müssen“ schon mal gar nicht. Das Beispiel, mit dem wir am Donnerstagabend gearbeitet haben, zeigte sehr eindrücklich, worum es wirklich geht. Es geht um Verbindung. In erster Linie zu mir. Wie geht es mir, zum Beispiel wenn ich mich über die Aussage einer anderen Person ärgere und auf einmal sehr kühl reagiere? Merke ich dann noch, wie es mir geht, oder bin ich im klassischen Urteilsmodus Gut ./. schlecht oder richtig ./. falsch? Für die Teilnehmerin, deren Beispiel wir auseinander genommen haben, war es ein Aha-Erlebnis zu erkennen, dass sie auf bestimmte Weise reagiert hat, um sich zu schützen und ihren Raum zu verteidigen. Das war ihr vorher gar nicht bewusst gewesen. Als sie ging, war sie mit sich verbunden. In der Situation, die wir beleuchtet haben, war das nicht der Fall. Ich vermute, dass alle diese moralischen Urteile uns letzten Endes von uns selbst entfernen. Wie seht Ihr das?

So long!

Ysabelle

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